SXEU31 DWAV 050800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 05.09.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrM (Trog Mitteleuropa)

Leicht frühherbstlicher Touch, dabei heute im Norden windig, an der See
stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC

Donnerstag… der 5. September, dem fünften Tag des meteorologischen Herbstes,
und die Atmosphäre bemüht sich, diesen auch mit Inhalt zu füllen und nicht nur
als klimarechenfreundliche Hülse über die Zeit zu schleusen. So werden heute
also gleich mal zwei Kaltfronten an den Start geschickt, um die gestern in
weiten Teilen des Landes noch präsente Warmluft (Süden, Osten, Mitte verbreitet 25°C, also Sommertag) zu vertreiben. Absender der beiden Fronten ist das Tief
FERDINAND, das heute früh über Mittelskandinavien liegt, um von dort über
Schweden nordwärts zu ziehen. Über die Kaltfronten hinaus darf der gute
FERDINAND auch noch einen veritablen Bodentrog sein eigen nennen, der sich
ausgehend vom Tiefkern in süd-südwestliche Richtung erstreckt. Die in diesen
Bodentrog eingelagerte zweite Kaltfront – die erste hat vorlaufend heute früh
den Osten und Süden erreicht – wird im Tagesverlauf von der Nordsee und Benelux
kommend den Norden und die Mitte ostwärts überqueren und rückseitig einen
Schwall frischer Meeresluft polaren Ursprungs heranführen, in der die
850-hPa-Temperatur auf 5 bis 2°C zurückgeht.
Apropos „rückseitig“, nicht nur marine Polarluft findet den Weg zu uns, auch ein
gut ausgeprägter, positiv geneigter Höhentrog wird uns heute zusehends beehren,
zumindest in Teilen. Mit dem südlichen Part haben wir zunächst weniger zu tun,
da dieser in den Abendstunden über Südfrankreich abtropft. Das hindert das
nördliche Residuum aber nicht, unser Land etwa bis Mitternacht ostwärts zu
passieren. Dabei wird vor allem in den Norden vorübergehend eine Portion
höhenkalter Luft gespült, in der die 500-hPa-Temperatur auf etwa -21 bis -25°C
zurückgeht.
So weit, so gut, und was bedeutet das Ganze nun für das heutige Wetter? – Fangen
wir im Norden an, wo am meisten Dampf im Kessel ist, ohne dass hier aber die
ganz große Nummer geboten wird. Tatsache ist, dass die maritime Kaltluft
ausreichend labil und feucht genug ist, um insbesondere im Norden etwas ML-CAPE
zu generieren (kaum mehr als 200-300 J/kg). Somit entwickeln sich mit
Unterstützung des Tagesgangs nicht nur Schauer, sondern auch einzelne Gewitter,
wie am heute früh über der Nordsee ja schon eindrucksvoll beobachten konnte
(dort durch die vergleichsweise hohe Wassertemperatur aktuell das das
klimatologische Maximum für Gewittertätigkeit). Einzelne Gewitter können im
Tagesverlauf auch im Binnenland auftreten, und auch die Schauer dürfen weite
Teile Nord- und Westdeutschlands sowie bedingt auch noch die Mitte erfassen. Es
mutet etwas rätselhaft an, warum die deutsche Modellkette die Simulation der
Niederschläge kurz hinter der Küstenlinie fast auffällig abrupt abreißen lässt.
Wie auch immer, Schauer und Gewitter können vornehmlich von Böen 7-8 Bft
begleitet sein (850-hPa-Wind bis 30 Kt), besonders Richtung Nordsee kann zudem
räumlich eng begrenzt Starkregen am Start sein (auch wenn die PPWs nur bei rund
17 mm liegen). Ach ja, und auch über Graupel sollte man sich bei etwas stärkeren
Entwicklungen nicht wundern. Zum Wind, der frischt nicht nur konvektiv motiviert
böig auf, sondern legt mit Passage des Bodentrogs respektive der Kaltfront auch
gradientbedingt zu. So kommt es von der Küste bis in die Norddeutsche Tiefebene,
z.T. sogar bis an den nördlichen Mittelgebirgsrand zu Böen 7 Bft, an der Nordsee
und exponiert an der Ostsee sowie bei kräftigen Schauern zu Böen 8 Bft und auf
dem Brocken sogar zu glatten Sturmböen 9 Bft, wobei der Wind von Südwest auf
West bis Nordwest dreht.
Vom Norden in den Süden, wo die vorlaufende Kaltfront den Ton angibt. Sie nähert
sich langsam den Alpen, wobei sie aber mehr und mehr ins Schleifen gerät bzw.
durch eine über dem Golf von Genua einsetzende Zyklogenese ausgebremst wird.
Heute früh wird sie durch ein sehr schmales Regenband markiert, was aber nicht
so bleiben wird. So wird sie zum Nachmittag hin durch den o.e. bevorstehenden
Abtropfungsprozess aktiviert, was südlich der Donau mit einer Intensivierung der
Regenfälle gewürdigt wird. Unterstützt werden die erforderlichen Hebungsprozesse
durch die Ausbildung einer Gegenstromlage mit W-NW-Winden unterhalb etwa 600 hPa
und S-SW-Winden darüber. Bis heute Abend können dabei am Alpenrand sowie im
südlichen Vorland rund 10 mm zusammenkommen, in exponierten Staulagen auch etwas mehr. Warnerregung wird dadurch aber nicht ausgelöst.
Zwischen den Schauern im Nordwesten und dem Regen im Süden etabliert sich ein
von Südwestdeutschland bis in den Osten verlaufender Streifen, in dem es
weitgehend trocken bleibt und sich die Sonne zwischen den Wolken ab und zu in
Szene setzen kann. In diesem Streifen wird es heute auch am wärmsten, für mehr
als 18 bis 22°C (Bergland etwas weniger) wird es aber nicht mehr reichen.
Ansonsten stehen 16 bis 20°C auf der Karte, im Dauerregen Süddeutschlands nicht
mal das.

In der Nacht zum Freitag ziehen Höhen- und Bodentrog nach Osten ab, allerdings
formiert sich bei UK/Irland schon das nächste Trogsystem, das ebenfalls mit
einem Bodentief zusammenarbeitet. GÖTZ heißt das gute Stück, das unseren Raum
zunächst aber noch links liegen lässt. Stattdessen setzt sich vorübergehend
leichter Zwischenhocheinfluss durch, der sich in der Höhe in Form eines sehr
flachen Rückens und am Boden durch die Kräftigung eins vom Atlantik bis nach
Mitteleuropa reichenden Keils (es handelt sich um den Ableger des nach Norden
verschobenen Azorenhochs) widerspiegelt. Kurzum, das konvektive Geschehen kommt
ebenso wie der Wind vor allem über dem Binnenland rasch zum Erliegen, und auch
über See stellt sich ein vorübergehendes Minimum ein. Zum Morgen hin allerdings
nehmen Hebung und Regenfälle über der Nordsee bereits wieder zu, was neben
leichter WLA auch zunehmender PVA vorderseitig des neuen Troges geschuldet ist.
Während der wieder etwas rückdrehende Wind an der Nordsee rasch nachlässt,
dauert es an der Ostsee etwas länger.
Im Süden wird die Front durch den Druckanstieg noch etwas nach Süden gedrückt,
bleibt aber den Alpen erhalten. Da gleichzeitig die Gegenstromlage ihre Karriere
beendet, lässt auch der Regen sukzessive nach. Mehr als 5 mm dürften bis zum
Morgen kaum noch zusammenkommen. Zwischen der starken Bewölkung im Süden und in Küstennähe lockert respektive klart es vielerorts auf, wobei sich teilweise
Nebel bildet. Außerdem wird es ziemlich frisch mit meist einstelligen
Tiefstwerten, die in den Mittelgebirgen nicht selten die 5°C-Marke
unterschreiten. In der einen Senke oder der anderen Mulde schaut sogar für kurze
Zeit auch mal der Bofrost-Mann vorbei.

Freitag… schwenkt der Höhentrog unter Intensivierung (=> Vergrößerung der
Amplitude) zur Nordsee, wobei er wie sein Vorgänger eine positive Achse
aufweist. Das korrespondierende Bodentief (genau genommen handelt es sich um ein
dipolartiges Tief mit zwei Kernen) passiert die Schafsinseln (Färöer), um
schlussendlich die Schweineinsel (Svinöy) vor Norwegen anzusteuern. Die
zugehörige Okklusion schwenkt über die Nordsee südostwärts und greift am
Nachmittag auf Nordwestdeutschland über. Vorderseitig nehmen die Hebungsprozesse
(WLA plus PVA) zu, was eine Intensivierung der schauerartig verstärkten, mit
einzelnen Gewittern durchsetzen (ML-CAPE bis etwa 200/250 J/kg) zur Folge hat.
Der meiste Regen fällt aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser (Nordsee),
wie man überhaupt sagen muss, dass der Regen relativ zauderlich auf das Festland
übergreift. Weiter als eine Linie Emsland-Wismarer Bucht dürfte die ganze Chose
bis zum Abend eigentlich nicht vorankommen. Dafür gilt es auf den Nordseeinseln
sowie in Nordfriesland die Meteorologenbrille in Richtung „Starkregen“ zu
schärfen, wenn sich nämlich wiederholt Schauer an einem bestimmten Ort ergießen.
Auf der Südflanke des Tiefs nimmt der Gradient zu, was den auf Südwest drehenden
Wind an der Nordsee, im küstennahen Binnenland und in Teilen SHs in Böen Stärke
7 Bft, Küste 8 Bft erreichen lässt. An der Ostsee hingegen sollte es nur an
einigen exponierten Stellen für steife Böen 7 Bft reichen.
Die Mitte und der Süden des Landes verbleiben über weit Strecken des Tages
zwischen dem sich nähernden Trog über der Nordsee und dem Cut-Off-Tief südlich
der Alpen, das sich von Westen kommend Oberitalien als Ziel auf die Fahnen
geschrieben hat. Dabei herrscht ein schwacher Potenzialgradient vor, mit dem
nicht viel anzufangen ist. Zwar schwächt sich der Hochkeil etwas ab, gleichwohl
reicht seine Potenz noch dicke aus, weiten Teilen Deutschlands einen trockenen
und vielfach sogar sonnigen Freitag zu bescheren. Die meiste Sonne bekommt dabei
ein Korridor ab, der sich vom südlichen NRW/RP/Saarland/Nordbaden bis hinüber
zur Oder und Neiße erstreckt. Nordwestlich davon wird es immer wolkiger, und
auch südöstlich davon sorgt das Cut-Off-Tief für ein gewisses Quantum an
Bewölkung, aus der am Nachmittag/Abend an den Alpen sowie im südlichen Vorland
sogar etwas Regen fallen kann.
In der frisch eingeflossenen polaren Meeresluft (leichter Anstieg T850 auf 4 bis
7°C) steigt die Temperatur je nach Sonnenscheindauer auf 16 bis 22°C.

In der Nacht zum Samstag kommt der Höhentrog unter weiterer Amplifizierung nur
schleppend gen Mitteleuropa voran, so dass wir zunächst noch auf seiner
Vorderseite verbleiben. Immerhin reicht seine Nähe aus, um das Richtung
Österreich ziehende Cut-Off-Tief „einzufangen“ und es zu einem Randtrog mutieren
zu lassen. Die davon ausgehenden Hebungsvorgänge erfassen den Süden und Osten
Bayerns, wohin sich der leichte bis mäßige Regen vom Alpenrand her ausweitet
(ICON sieht südlich der Donau gebietsweise rund 10 mm/12 h, was gegenüber
anderen Modellen ziemlich offensiv ist).
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die schauerartigen Regenfälle aus dem
Nordwesten nebst Okklusion (das Tief peilt gegen Mitternacht den Oslofjord an)
Boden nach Süden und Südosten gutmachen und weite Teile Westdeutschlands sowie
der westlichen Mitte erfassen. Der meiste Regen fällt allerdings nach wie vor
über der Nordsee sowie im unmittelbaren Umfeld, was aufgrund des starken
diabatischen Impulses auch nachvollziehbar ist. Dabei sollte auch das eine oder
andere Gewitter keine Überraschung darstellen. Weitgehend trocken bleibt die
Nacht etwa vom Oberrheingraben bis hinüber nach Sachsen, BB und Vorpommern. Der
Wind an der Küste nimmt aufgrund des auffächernden Gradienten kontinuierlich ab.

Samstag… greift der Höhentrog zwar langsam, aber letztlich sicher auf
Deutschland über, wobei er seine Amplitude noch etwas vergrößert. Offensichtlich
hat auch er vor, irgendwann mal abzutropfen, was am Samstag sehr wahrscheinlich
aber noch nicht der Fall sein wird. Das Bodentief – es handelt sich immer noch
um GÖTZ – nistet sich in Südskandinavien ein, legt dabei erneut einen zweiten
Kern an und füllt sich merklich auf (um 12 UTC nur noch wenig unter 1015 hPa).
Der Gradient über dem Vorhersageraum fächert deutlich auf, was der Verlagerung
der Okklusion alles andere als zuträglich ist, sprich, sie kommt nur sehr
pomadig südostwärts voran. Gleiches gilt für den zugehörigen schauerartigen
Regen, der sich – ähnlich wie der Regen im Südosten – tendenziell eher
abschwächt. Interessant wird es im Tagesverlauf in den westlichen Landesteilen,
wenn nicht nur die Trogachse immer näherkommt, sondern schleichend auch etwas
höhenkalte Luft eingemischt wird (T500 um -21°C). Bei T850 von 4/5°C reicht die
Labilität aus, um etwas ML-CAPE bis zu 300 J/kg zu generieren, die relativ
problemlos in konvektive Umlagerungen in Form von Schauern und einzelnen
Gewittern umgesetzt werden können. Bei PPWs zwischen 20 und 25 mm könnte es
räumlich eng begrenzt durchaus mal für warnwürdigen Starkregen reichen, auch
wenn es dazu vielleicht mehrerer Schauer an gleicher Stelle bedarf. Über
größeren Wasserflächen (Nordsee, Bodensee) könnte es wegen der erhöhten
Labilität bei gleichzeitig geringer bis nicht vorhandener
Geschwindigkeitsscherung mit der Höhe zu vereinzelten Wasserhosen
(Typ-2-Tornados) kommen, vorausgesetzt, es bilden sich kleinräumige
Konvergenzen.
Weitgehend trocken mit einigen heiteren Abschnitten gibt sich der Osten, wo es
mit bis zu 21°C auch am mildesten wird. Insgesamt geht der Samstag aber relativ
kühl mit frühherbstlichem Touch bei Spitzen zwischen 15 und 20°C über die Bühne.

In der Nacht zum Sonntag deutet sich tatsächlich der beschworene Cut-Off über
der Westschweiz an. Dabei wird im Süden unseres Landes dynamische Hebung
generiert, die zu einer Verstärkung der vor allem nach Westen hin konvektiv
durchsetzen Niederschläge führt. Möglicherweise erwächst daraus am Alpenrand
sowie im südlichen Vorland eine länger andauernde Dauerregenlage, was aber noch
mit Unsicherheiten behaftet ist.
Auch in den übrigen Regionen kommt es gebietsweise noch zu schauerartigen
Regenfällen.

Modellvergleich und -einschätzung

In Bezug auf die kurzfristige Wetterentwicklung, die ja immerhin durch eine
Umstellung der Großwetterlage geprägt ist, agieren die Modelle im Konsens. Die
größten Unterschiede betreffen wie so oft den Niederschlag. Dass ICON bei den
heutigen Schauern sehr zurückhaltend agiert, wurde im Text bereits erwähnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann