S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.09.2019 um 10.30 UTC

Wechselhaftes, frühherbstlich kühles Wetter. Sonntag/Montag eventuell an den
Alpen Dauerregen. Dienstag/Mittwoch größere Dauerregenlage im Osten nicht
ausgeschlossen!

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 11.09.2019

Im mittelfristigen Prognosezeitraum befindet sich Deutschland im Bereich einer
mal mehr, mal weniger stark ausgeprägten negativen Geopotenzialanomalie, dessen
Schwerpunkt sich von Nord- und Nordwesteuropa nach Mitteleuropa verlagert hat.
Als Konterpart findet sich eine über die Mittelfrist wieder stärker in
Erscheinung tretende positive Geopotenzialanomalie über Nordosteuropa. Absolut
betrachtet befindet sich Deutschland also im Umfeld eines sich stets
regenerierenden Langwellentroges bzw. Höhentiefkomplexes als Teil einer über
(Ost-)Europa blockierten Großwetterlage. Die Regenerationsneigung des negativen
Geopotenzial ist Folge eines „wave train“, bei dem Rossby-Wellen von Nordamerika
her unter Amplifizierung über den Nordatlantik Richtung Nordwesteuropa gesteuert
werden, wo sie schließlich (meist) zylonal brechen und die negative Anomalie
schließlich „füttern“.

Als Folge stellt sich in Deutschland wechselhaftes, eher kühles Wetter mit
frühherbstlichem Touch ein, wobei ein im Bodenniveau zonal oszillierender
Azorenhochkeil zumindest phasenweise den Daumen auf die Zyklonalität hält.

Als großer Unsicherheitsfaktor tritt im Verlauf der Mittelfrist ein tropisches
System in Erscheinung: Hurrikan DORIAN. Er durchläuft eine klassische
außertropische Umwandlung (extratropical transition, ET), die schon in der
Kurzfrist vor der US-Ostküste ihren Anfang nimmt (Asymmetrie des warmen Kerns),
bei DORIANs Weg über Neufundland zu Beginn der Mittelfrist abgeschlossen ist
(asymmetrischer kalter Kern). Mit der extratropischen Umwandlung, bei dem große
Energiemengen in unterschiedliche Formen transformiert werden, haben
Wettermodelle so ihre Probleme. Selbst bei vermeintlich guter Prognosegüte kann
es im Zuge einer „ET“ zu Überraschungen kommen.

In diesem Fall manifestiert sich die Unwägbarkeit der ET in deutlich zunehmenden
Unsicherheiten in der erweiterten Mittelfrist ab Mitte der kommenden Woche. So
steht eine Zonalisierung genauso im Raum wie eine Fortdauer der blockierten
Großwetterlage mit ganz unterschiedlichen Auswirkungen für unser Wetter hier in
Deutschland.

Zu Beginn der Mittelfrist am Samstag tropft der mit seiner Achse vom
Nordpolarmeer über Skandinavien nach Mitteleuropa reichende, sich stark
amplifizierende Trog mehrfach ab. Am Sonntag resultieren daraus (mindestens)
zwei Cut-Offs. Ein Cut-Off zieht über die Westalpen nach Oberitalien, wo es im
Zusammenspiel mit Überströmungseffekte der Alpen und diabatische Effekte über
dem warmen Mittelmeer eine Zyklogenese induziert. Dadurch kommt es über den
Süden und Südosten Deutschlands zu Aufgleitprozessen (WLA). Die Niederschläge
sind aber zunächst überwiegend leichter Intensität, sodass zunächst meist keine
warnwürdigen Mengen erwartet werden. Einzig am Alpenrand könnten durch eine
Staukomponente am Sonntag über 30 mm/24 h zusammenkommen.
Ein anderes Cut-Off zieht von Norwegen zum Skagerrak. Das korrespondierende
Bodentief liegt quasi achsensenkrecht darunter und füllt sich auf. Das mit
letzterem Tief in Verbindung stehende okkludierte Frontensystem greift am
Samstag mit schauerartigem Regen von Nordwesten über, löst sich dann aber auf.
Doch auch nachfolgend treten in einer mit einer nordwestlichen Strömung
einfließenden kühlen und labilen Subpolarluft bei wechselnder Bewölkung Schauer
und vereinzelte, kurze Gewitter auf.

Am Montag steigt das Geopotenzial zwischen den beiden Cut-Offs (das eine zieht
gemächlich von Oberitalien ins südöstlichste Mitteleuropa, das andere über dem
Skagerrak wird wieder nach Norden geführt) und einem neuen, zu den Britischen
Inseln geführten Trog über Deutschland etwas an. Dadurch steigt auch der
Luftdruck an, sodass sich ein Keil des Azorenhochs von Westen hereinschieben
kann. Dieser Umstand sollte dämpfend auf die Schauer- und Gewitterneigung
wirken, ganz aus bleiben sie aber nicht. Vor allem im Küstenumfeld wird über dem
warmen Wasser hinreichend Labilität aufrechterhalten, sodass sich sogar recht
verbreitet Schauer und kurze Gewitter entwickeln können.
Im Südosten ist an der Nordflanke des südlichen Cut-Offs weiterhin WLA wirksam
(man könnte es auch als Gegenstromsituation mit nordwestlichen Winden am Boden
und südöstlichen in der Höhe interpretieren), sodass die skaligen Regenfälle mit
wenigen Unterbrechungen gebietsweise anhalten. Dies bedeutet zumindest an den
Alpen eine Fortdauer der potenziellen Dauerregensituation vom Wochenende
(48-stündige Mengen zwischen 40 und 50 mm zumindest in Staulagen durchaus
möglich).

Am Dienstag und Mittwoch tropft der neue Trog über den Britischen Inseln ab,
zieht über Frankreich in den westlichen Mittelmeerraum und regeneriert den
Höhentiefkomplex in gewisser Hinsicht wieder. Das korrespondierende
Frontensystem tangiert Deutschland nach den jüngsten Prognosen nicht mehr,
jedoch ist zumindest am Dienstag im Westen wieder mit auflebender
Schauertätigkeit zu rechnen.
Das Cut-Off über dem südöstlichen Mitteleuropa wandert zumindest nach dem
neusten IFS-Lauf über die Ostalpen ins Grenzgebiet Deutschland-Polen. Es
interagiert mit einem Tief, das sich im Lee der Alpen über
Nieder-/Oberösterreich bildet und sich auf Vb-artiger Zugbahn (nicht wirklich
Vb, da Neubildung!) über Tschechien nach Ostdeutschland verlagert. Das Tief soll
ordentlich ausgepumpt werden (Kerndruck um 1005 hPa), sodass sich die WLA noch
etwas verstärkt und entsprechend der Zugbahn von Südost- vermehrt auf
Ostdeutschland konzentriert. Diese Entwicklung hätte eine deutliche
Intensitätszunahme der Regenfälle zur Folge, sodass zumindest im Südosten und
Osten verbreiteter Dauerregen bis in den Unwetterbereich auftreten würde. Je
nachdem, wie weit westlich die Zugbahn des Tiefs verläuft, könnten Teile des
Ostens von labiler Warmluft erfasst werden, sodass wegen schauerartigen
Verstärkungen sogar (unwetterartiger) Starkregen nicht ausgeschlossen wäre.
Dieses Szenario ist allerdings noch sehr unsicher.
Dazwischen gibt es wohl einen Streifen, wo quasi kompensatorisch nicht viel
passiert, weder in Richtung Schauer (Westen) noch in Richtung Dauerregen
(Osten).

Eine Aussage über die Entwicklung in der erweiterten Mittelfrist ist aus in der
Einleitung genannten Gründen hochgradig unsicher. IFS favorisiert zurzeit eine
Zonalisierung mit deutlichen Potenzialgewinn über Mitteleuropa. Eine
Westwetterlage, die nach Norden zu eher leicht zyklonal, nach Süden zu
antizyklonal geprägt ist, wäre die Folge.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Montag weisen die jüngsten IFS-Modellläufe eine sehr gute
Konsistenz auf. Wechselhaftes, frühherbstliches Wetter hält Einzug in
Deutschland.
Zum Ende der Mittelfrist Dienstag und Mittwoch gehen die Simulationen weiter
auseinander. Im Gegensatz zum IFS-00UTC-Lauf von gestern lassen die beiden
neusten IFS-Läufe ein Höhentief in etwas stärkerer Ausprägung über die Alpen
nach Ostdeutschland wandern. Dieses stützt eine Zyklogenese auf Vb-artiger
Zugbahn (Kern des Tiefs am Dienstag über Ostdeutschland), was starke
Aufgleitprozesse und Dauer-/Starkregen bis in den Unwetterbereich in Teilen der
Osthälfte Deutschlands zur Folge hätte. Dies ist ein Szenario, was im Hinblick
auf die synoptische Ausgangslage nicht unwahrscheinlich ist und daher nicht
verworfen werden kann.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die vorliegenden Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) geben über weite Strecken
der Mittelfrist ein sehr homogenes Bild ab.
Selbst am Ende der Mittelfrist rechnen mittlerweile die meisten Modelle mit
einem über den östlichen Alpenraum nordwärts geführten Cut-Off, der am Boden
eine Zyklogenese stützt. Im Detail ergeben sich aber genau dann größeren
Unsicherheiten. Nicht nur das Timing differiert stark (GFS ca. 12h schneller,
ICON ca. 12h langsamer als IFS), sondern auch die Zugbahn und die Ausprägung
(bei GFS und ICON bleibt das Tief und die stärksten Regenfälle über Polen und
Tschechien).

FAZIT: Bis Sonntag/Montag steht der Fahrplan (siehe oben). Danach bleibt
abzuwarten, wie sich das südliche Cut-Off mit korrespondierendem Tief verhält.
In jedem Fall sollte Dauerregen im Osten und Südosten ins Kalkül gezogen werden.
Der IFS-Laufes simuliert zurzeit eher noch eine „verschärfte“ Variante.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des IFS-EPS für die 850-hPa-Temperatur und das
500-hPa-Geopotenzial verlaufen über den gesamten Mittelfristzeitraum recht gut
gebündelt. Das Geopotenzial befindet sich von Samstag bis Montag in einem Tal
(regenerierende Troglage), um nachfolgendend insbesondere zur Wochenmitte im
Mittel recht deutlich anzusteigen (Zonalisierung->antiyzklonale Westlage in der
erweiterten Mittelfrist?). Die Temperatur variiert kaum, liegt meist im Bereich
3 bis 7 Grad (frühherbstlich kühl). Einzig nach Nordosten und Osten zu reißen
einige Member im Hinblick auf die Temperatur nach oben aus (inklusive Haupt- und
Kontrolllauf), was auf stärkere WLA an der Nordflanke eines weiter westlich nach
Norden ziehenden Tiefs hindeutet. Ein Großteil der Member bleibt aber ohne große
Variationen im „Tal der Tränen“.
Die Signale für Niederschläge sind insbesondere am Sonntag und Montag im Süden
erhöht bei vergleichsweise hohem Medien (Dauerregenlage an den Alpen recht
wahrscheinlich), am Montag und Dienstag im Osten bei eher niedrigem Median und
hohen oberen Perzentilen (Dauer-/Starkregenlage bis in den Unwetterbereich noch
mit dickem Fragezeichen).

Das Clustering liefert für den Zeitraum +72-96h (Sa-So) 4 Cluster, alle mit
Blocking-Regime und Trogsituation über Mitteleuropa. Prognoserelevante
Unterschiede sind, wie erwartet, keine auszumachen.
Für den Zeitraum +120-168h (Mo-Mi) sind sogar 5 Cluster im Angebot, allerdings
dominiert bei allen nach wie vor das Blocking-Regime. Alle Cluster simulieren
einen Regenerationsprozess des Troges, wodurch Deutschland in einer negativen
Anomalie verbleibt. Die Entwicklung des südlichen Cut-Offs wird dagegen sehr
unterschiedlich simuliert. 4 der 5b Cluster lassen es, in welcher Form auch
immer, über die Alpen nach Norden ziehen (Dauerregengefahr für den Osten!). In
einem Cluster ist ein solcher Prozess nicht oder nur äußerst abgeschwächt
erkennbar.
In der erweiterten Mittelfrist (ab Donnerstag) werden 3 der 4 Cluster dem
positiven NAO-Regime zugeordnet, es erfolgt eine Zonalisierung bei gleichzeitig
eher positiver Geopotenzialanomalie (Westlage, vor allem nach Süden zu
antizyklonal).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER (mit Starkregen):
Am Samstag und Sonntag vor allem im Norden und Westen einzelne, kurze Gewitter.
Starkregen (um 20 l/qm in kurzer Zeit oder wenigen Stunden) durch wiederholt
auftretende Schauer und Gewitter insbesondere an der Nordsee nicht
ausgeschlossen.

DAUERREGEN:
Am Sonntag beginnend (bis in den Montag hinein) an den Alpen länger anhaltender
Regen. Dabei zumindest in Staulagen Dauerregen mit Mengen zwischen 30 und 50
l/qm in 24 bis 48 Stunden wahrscheinlich.

IFS-EPS: 30-50% (>40 l/qm in 48 h)
LEPS: 40-60%

Am Dienstag und Mittwoch in Teilen Ost/-Nordostdeutschlands Dauerregen bis in
den Unwetterbereich nicht ausgeschlossen (>50 l/qm in 12-24 h).

IFS-EPS: <10%, selbst für markanten Dauerregen EFI: 0.5-0.8, SOT>0, stellenweise >1 (deutliche Ausschläge im östlichen
Mitteleuropa, Deutschland gerade so tangierend.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-EZ, IFS (00 UTC), IFS-EPS (00 UTC).

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser