S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 27.08.2019 um 10.30 UTC

Bis zum Wochenende (hoch-)sommerlich, regional Gewitter. Zur kommenden Woche
Übergang zu (frühherbstlich-)kühlem, unbeständigem Wetter.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 03.09.2019

Die Frage aller Frage, die sich zurzeit jeder Mittelfrist-Meteorologe oder an
der mittelfristigen Wetterentwicklung Interessierte stellt: Schließt sich das
Kapitel „Hochsommer“ endgültig? Und wenn ja, wie schnell geschieht das?

Hinter die Abkühlung im Laufe der kommenden Woche kann man wohl langsam aber
vorsichtig ein Ausrufezeichen setzen. Die vielen Fragezeichen hinter Timing,
Ausprägung und Nachhaltigkeit der Abkühlung können – so viel sei schon mal
vorweggenommen – leider nicht getilgt werden.

„Drahtzieher“ der hiesigen Wetterumstellung ist ein Trog, der sich zu Beginn der
Mittelfrist am Freitag noch über dem Nordostatlantik befindet, sich in der Folge
aber daran versucht, gegen die hochreichende, blockierende Antizyklone mit
Schwerpunkt über Osteuropa anzukommen. Durch wiederholte Regenerationsprozesse
an seiner Westflanke bzw. fortwährend um die Hauptachse herumgeführte
kurzwellige Anteile stellt sich die Progression des Troges allerdings eher als
„Eiertanz“ heraus. Sprich, die Verlagerung nach Osten ist Stückwerk, die
Vorhersage eben jener mit einigen Unschärfen versehen.

Der Freitag und der Samstag sind zunächst recht antizyklonal aufgestellt. WLA an
der Südflanke des zunächst recht „breit gelatschten“ Trog über dem
Nordostatlantik stützt einen Rücken, dessen Achse von den Azoren bis in das
südliche Mitteleuropa gerichtet ist. Korrespondierend darunter befindet sich ein
nach Deutschland vorstoßender Azorenhochkeil. Am Samstag weitet sich der Trog
über dem Ostatlantik durch mehrere herumgeführte, kurzwellige Anteile weiter
nach Süden bis zu den Britischen Inseln aus. Auf der Vorderseite steilt die
Strömung über Mitteleuropa dadurch etwas auf. Die Achse des vorgelagerten
Rückens neigt sich folglich positiv. Fortwährende WLA lässt den Luftdruck über
West- und Mitteleuropa fallen, wodurch der Azorenhochkeil „gekappt“ wird.
Während die Nordwesthälfte in den Genuss trockenerer Luft gekommen ist, verweilt
die Südosthälfte in feucht warmer Luft. Vor allem am Freitag muss dort – wegen
mühelosem Erreichen der Auslösetemperatur – mit konvektiven Umlagerungen der
Marke „pulsierende Einzelzellen“ gerechnet werden. Starkregen (lokal Unwetter)
steht dabei natürlich im Fokus. Am Samstag trocknet die Luftmassen etwas ab,
sodass die Orographie herhalten muss. Möglicherweise beschränkt sich
nennenswerte Konvektion sogar auf den Alpenraum.
Die Höchsttemperaturen bleiben verbreitet auf (hoch-)sommerlichem Niveau (25 bis
knapp über 30 Grad).

Am Sonntag wird es bezüglich der Wetterumstellung langsam spannend. Auf der
Vorderseite des nun doch recht gut amplifizierten Höhentroges mit Hauptachse vom
Nordmeer bis nach Westeuropa wird ein Kurzwellentrog über Deutschland
nordostwärts gesteuert. Dieser korrespondiert mit einer Kaltfront, die schon
vormittags auf den Nordwesten übergreift. Wie rasch sie südostwärts
durchschwenkt ist unklar. Der Süden und Osten bleibt aber mit hoher
Wahrscheinlichkeit bis zum Nachmittag und Abend präfrontal in feucht warmer bis
heißer Luft (die 30 Grad werden regional wieder überschritten). Da die
hochreichende Scherung auf der Trogvorderseite signifikant zunimmt, ist wieder
mit organisierter Konvektion zu rechnen, sodass neben heftigem Starkregen auch
größerer Hagel und (schwere) Sturmböen in den Fokus rücken. Im Norden und Westen
treten an der Front und postfrontal ebenfalls gebietsweise Schauer und Gewitter
auf, allerdings mit geringerem Unwetterpotenzial.

Zu Beginn der kommenden Woche nähert sich die Hauptachse des Troges an, erfasst
das Vorhersagegebiet wahrscheinlich auch irgendwann zwischen Montag und
Mittwoch. Sprich, das Muster bleibt (leidlich) progressiv, sodass sich der
Luftmassenwechsel auch im Süden und Osten vollziehen sollte (vor der Front 15
bis 18 Grad auf 850 hPa, hinter der Front nur noch 2 bis 6 Grad). Je nachdem,
wie viel Zeit sich der Trog lässt, wird der Südosten noch längere Zeit von
schauerartigen oder gewittrigen Regenfällen erfasst, die Starkregenpotenzial
aufweisen. Postfrontal stellt sich unter Trogeinfluss zunächst wechselhaftes
Schauerwetter ein. Wie nachhaltig dieses fast herbstlich-kühle Wetter sein wird,
ist unklar. Es ist aber zu befürchten, dass ein neuerlicher Vorstoß des
Azorenhochkeils dem Schauerwetter (wir brauchen den Regen) schnell den Garaus
machen könnte.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis Samstag zeigen die jüngsten Modellsimulationen des IFS eine gute
Übereinstimmung. Nachfolgend nimmt die Konsistenz rapide ab. Während der neuste
00UTC-Lauf ähnlich wie sein Pendant am Vortag auf ein rasches Abbauen des Hochs
und Übergreifen des Höhentroges von Westen setzt, was gleichbedeutend mit einer
raschen Abkühlung schon zu Beginn der kommenden Woche ist, simulierte der
gestrige 12UTC-Lauf ein Abtropfprozess über Westeuropa. Demnach käme es über
Deutschland zu keinem durchgreifenden Luftmassenwechsel, vielmehr würde
schwül-warme und gewitterträchtige Luft – vor allem nach Osten und Norden zu –
weiter vorherrschen.
In der erweiterten Mittelfrist ab Wochenmitte gehen auch die Simulationen der
beiden 00UTC-Läufe deutlich auseinander (der jüngste mit Zonalisierungstendenzen
und Stabilisierung und Erwärmung, sein Vorgänger mit länger anhaltender kühler,
wechselhafter Troglage), sodass keine haltbare Aussage hinsichtlich der
Wetterentwicklung mehr möglich ist.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die großen Globalmodelle (ICON, GFS, UKMO, GEM) simulieren bis Samstag kaum
abweichende Szenarien, zumindest im Hinblick auf die Wetterentwicklung in
Deutschland.
Danach nehmen die Unterschiede rasch zu. Bei GFS, GEM und UKMO kommt der Trog
flacher und etwas später rein als bei IFS, aber er kommt rein. Bei ICON zieht
sich der Trog schon früh verdächtig in die Länge, was sein Vorankommen noch
stärker verzögert. Am Ende tropft er in seinem Südteil über Westeuropa sogar ab,
was vergleichbar ist mit dem Szenario aus dem gestrigen IFS-12UTC-Lauf. Demnach
würde insbesondere der Süden und Osten auf der Trogvorderseite in den Bereich
einer schleifenden Frontalzone kommen.

FAZIT: Auch die deterministische Modellwelt unterstreicht die Unsicherheit, was
das Übergreifen des Troges und den damit verbundenen Kaltfrontdurchgang angeht.
Die ICON- und IFS(12UTC)-Lösung scheinen aber eher Außenseiterstellung
anzunehmen. Dass der Trog durchschwenkt und sich spätestens zur Wochenmitte ein
Luftmassenwechsel vollzogen hat, kann als ziemlich wahrscheinlich angesehen
werden.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die EPS-Rauchfahnen von 500-hPa-Geopotenzial und 850-hPa-Temperaturen weisen bis
Samstag eine gute Bündelung auf. Ab Sonntag nimmt der Spread schlagartig zu. Der
Spielraum beträgt bei der 850-hPa-Temperatur gut und gerne 15 Grad und mehr,
beim Geopotenzial 25 bis 30 gpdam und ist damit ähnlich groß wie in den
vorangehenden Läufen. Aber: Im Vergleich zu gestern vollzieht eine deutlichere
Mehrheit der EPS-Member den Luftmassenwechsel (bzw. Trogdurchgang), wenngleich
weiterhin Unterschiede im Timing erkennbar sind! Die 850er pendeln sich nach dem
Luftmassenwechsel mehrheitlich auf Werte zwischen 3 und 6 Grad im Norden und
Westen, und 5 bis 9 Grad im Süden und Osten ein.
Für den interessanten Zeitraum Sonntag-Dienstag liefert das EPS-Clustering 4
Cluster. Cluster 1 (20 Member, inkl. Haupt- und Kontrolllauf) steht für ein
zügiges Durchschwenken des Troges. Cluster 3 und 4 (insg. 13 Member) stehen für
einen eher etwas verzögertes Durchschwenken. Cluster 2 (18 Member) simuliert das
von IFS(12UTC) und ICON favorisierte Szenario eines Abtropfvorgangs über
Westeuropa.

FAZIT: Auch das IFS-EPS favorisiert einen mehr oder weniger raschen, aber
kompletten Luftmassenwechsel (33 zu 18 Member). Da auch die GFS-ENS (noch
deutlicher als das EPS) diese Variante fahren, soll an dem gestern skizzierten
Prognosekonzept eines Übergangs zu kühlem und unbeständigem Wetter nicht
gerüttelt werden.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Signifikante Wettererscheinungen fokussieren sich auf etwaige, starke oder
schwere Gewitter.
Insbesondere am Freitag sind in der Südosthälfte einzelne Gewitter mit
Starkregen wahrscheinlich, heftiger Starkregen aufgrund geringer
Zuggeschwindigkeiten der Zellen nicht ausgeschlossen.
Nach vorübergehendem Konvektionsminimum am Samstag dürften ab Sonntag im Vorfeld
der hereinschwenkenden Kaltfront wieder vermehrt starke oder schwere Gewitter
ins Haus stehen. Neben Starkregen besteht dann auch aufgrund von größerem Hagel
und Gewitterböen Unwettergefahr!

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-EZ/-MIX, IFS, IFS-EPS (00 UTC!)

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser