S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Sonntag, den 11.08.2019 um 10.30 UTC

„West zyklonal“ – endlich mal wieder.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 18.08.2019

Zu Beginn der Mittelfrist wird sich die Zonalisierung der Großwetterlage vom
Nordatlantik tatsächlich bis zum europäischen Festland durchgesetzt haben, daran
bestehen keinerlei Zweifel mehr – auch nicht, dass die sich einstellende Westwetterlage der Kategorie „zyklonal“ sein wird. Denn Deutschland gelangt unter, zeitweise sogar auf die Nordflanke der für die Jahreszeit weit nach Süden
vorankommenden, leicht mäandrierenden Frontalzone. Über weite Strecken des mittelfristigen Prognosezeitraumes herrscht also subpolare Meeresluft vor, die
im Vergleich zum langjährigen Mittel 1 bis 5 K zu kalt ausfällt. Unbeständiges
und zeitweise windiges Wetter komplettieren einen eher „schmuddeligen“ Wettercharakter.

Am Mittwoch befindet sich Deutschland im Wirkungsbereich eines umfangreichen
Langwellentroges mit Drehzentrum (Höhentief) bei den Färöer-Inseln unter einer
leicht mäandrierenden, flotten westlichen Höhenströmung. In dieser wandert ein
Kurzwellentrog schon am Vormittag ab, gefolgt von einem flachen Rücken, der am
Boden einen vom Azorenhoch bis nach Mitteleuropa reichenden Hochdruckkeil stützt. Mit Ausnahme der küstennahen Regionen, wo insbesondere durch diabatische
Effekte ein paar Schauer auftreten, bleibt es unter schwachen Zwischenhocheinfluss zunächst überwiegend trocken. Doch schon am Abend nähert
sich von den Britischen Inseln her ein weiterer Kurzwellentrog, der in der Nacht
zum Donnerstag nach Deutschland hereinschwenkt. Das korrespondierende Wellentief
zieht mit seinem Kern bis Donnerstagfrüh von Südengland unmittelbar an den Westfriesischen Inseln vorbei zur dänischen Nordseeküste. Das okkludierende Frontensystem erfasst schon Mittwochabend den Nordwesten und sorgt zu bis zum
Donnerstagmorgen schließlich in der gesamten Nordwesthälfte für schauerartige
Regenfälle. Das Tief vertieft sich im Verlauf auf einen Kerndruck von unter 1000
hPa, was eine deutliche Gradientverschärfung im Nordwesten und Norden zufolge
hat. Während tagsüber an der Nordabdachung des Hochkeils nur an exponierten Küstenabschnitten einzelne steife Böen zu erwarten sind, treten im Laufe der
Nacht zu Donnerstag im Nordwesten und Norden verbreitet steife, an der Küste
stürmischen Böen oder Sturmböen auf. Auch in Kammlagen der Mittelgebirge dürften
erste Böen Bft 8-9 drin sein.Die advehierte Luftmasse ist subpolaren Ursprungs,
erreicht auf 850 hPa von Nord nach Süd nur noch 4 bis 10 Grad. Sommertage (Tmax
>25 Grad) sind also nur noch die Ausnahme.

Am Donnerstag schwenkt der Trog über Deutschland hinweg, das Tief zieht weiter
nach Südschweden. Das okkludierte Frontensystem überquert die Nordhälfte mit den
schauerartigen Regenfällen rasch ostwärts, im Süden gerät sie allerdings ins
Schleifen. An der Front und im Vorfeld wird etwas Labilität aufgebaut, sodass
das ein oder andere Gewitter (mit lokalem Starkregen und Sturmböen) nicht ausgeschlossen werden kann. Da sich der Drehzentrum des Langwellentroges respektive das Höhentief zur mittleren Nordsee verlagert, bleibt die Höhenströmung auch nach Abzug des Kurzwellentroges zyklonal konturiert. Da es in
der Höhe zudem abkühlt, sind die Bedingungen für Konvektion (wiederholt Schauer
und einzelne, kurze Gewitter) postfrontal fast noch günstiger als an und vor der
Front. Die vertikalen Umlagerungen sorgen dafür, dass der nach wie vor üppige
Gradient an der Südflanke des Tiefs (immerhin rund 15 hPa Differenz zwischen
Norden und Süden) besser zur Geltung kommt und deutschlandweit mit starken bis
steifen, an der See teils stürmischen Böen, im höheren Bergland mit Sturmböen zu
rechnen ist. Summa summarum: Es wird ein sehr wechselhafter, „aprilwettriger“
Tag. Immerhin, die Höchsttemperaturen meist Ü20 würde man im April als sehr mild
bezeichnen.

Am Freitag zieht das Höhentief über Dänemark zur südlichen Ostsee. Ihm folgt ein
Rücken, der mit seiner Achse bis Freitagabend die Britischen Inseln, bis Samstagfrüh die Nordsee erreicht. Die zyklonal konturierte Höhenströmung dreht
über Deutschland in der Folge von WSW auf WNW. Das Bodentief füllt sich langsam
auf und verlagert sich mit Zentrum zur mittleren Ostsee. Tagsüber muss in der
Nordhälfte Deutschlands unter höhenkalter und damit feucht-instabiler Meeresluft
mit reger Schauertätigkeit gerechnet werden. Aufgrund vorübergehend deutlich
zunehmender hochreichender Scherung kann sich die Konvektion zu mehreren Schauer- und/oder Gewitterstaffeln organisieren, die für Sturmböen gut sein dürften. Auch abseits der Schauer und Gewitter weht der Westwind in gebietsweise
Böen steif, an der Küste stürmisch. Auf den Berggipfeln treten Sturmböen auf. Im
Süden schleift die Front mit zeitweiligen Regen noch etwas, größere Regenmengen
stehen aber nicht ins Haus. Fortwährende KLA (850er nur noch zwischen 3 und 8
Grad) und NVA vorderseitig des sich langsam nähernden Rückens lässt den Druck in
der Nacht zum Samstag steigen, in der Folge stößt ein neuer
Azorenhochkeil bis
nach Deutschland vor. Die Niederschlagsneigung sollte – mit Ausnahme der Schauer
im äußersten Norden und Nordosten sowie des leichten Regens an der „alten“ Front
im Süden – deutlich zurückgehen.

Am Samstag schwenkt der Rücken nach Deutschland. Die damit in Verbindung stehende Stabilisierung drückt die Niederschlagsneigung weiter, sodass der Tag
zunächst verbreitet trocken verläuft. Da der Rücken bereits von WLA überlaufen
wird, zeigen sich neben flachen Quellwolken zunehmend auch hohe und mittelhohe
Wolkenfelder. Immerhin kommt die eingeflossene subpolare Meeresluft etwas zur
Ruhe (der Wind schläft meist ein, weht nur noch auf Berggipfeln stürmisch) und
kann sich leicht erwärmen.

In der Nacht zum Sonntag gelangt Deutschland aber schon wieder auf die Vorderseite eines neuen Langwellentroges, dessen Drehzentrum sich im Laufe des
Sonntags bei den Britischen Inseln einnistet. Kurzwellige Anteile laufen in der
auf Südwest zurückdrehenden und wieder deutlich an Fahrt aufnehmenden Höhenströmung über das Land hinweg. Mit dem Langwellentrog nimmt auch ein neues,
steuerndes Zentraltief Position über Nordwesteuropa ein. Die Warmfront erreicht
den Nordwesten mit Regen schon in der Nacht zum Sonntag. Die nachfolgende Kaltfront überquert den Norden mit schauerartigen Regenfällen rasch ostwärts.
Postfrontal ist in feucht-instabiler Luft mit Schauern zu rechnen. Im Süden verliert die Kaltfront immer mehr an frontsenkrechter Windkomponente, gerät daher ins Schleifen. Somit regnet es im Süden im Verlauf mitunter längere Zeit,
warnwürdige Niederschlagsmengen (über 20 bzw. 30 l/qm in 6 bis 12 Stunden) sind
durchaus denkbar. Im Warmsektor des Tiefs wird vor allem in den Süden und Südosten deutlich wärmere Luft advehiert (10 bis 15 Grad auf 850 hPa). Präfrontal (also bevorzugt im äußersten Südosten) könnte es mit Sonnenunterstützung für ein Sommerintermezzo reichen (Tmax >25 Grad). Timing und
Ausprägung sind aber noch unsicher! Eine größere Gewitterlage steht aufgrund
fehlender Labilität – stand jetzt – in jedem Fall nicht ins Haus. Temporär warnwürdig bleibt aber nach wie vor der Wind, steife bis stürmische Böen sind am
ehesten an der Küste, im höheren Bergland und bei Schauern möglich.

In der erweiterten Mittelfrist schwenkt der Trog nach Mitteleuropa, sodass sich
das unbeständige Wetter auf dann wieder landesweit unterdurchschnittlichem Temperaturniveau fortsetzt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe kann als sehr gut bezeichnet werden.
So simuliert der neuste IFS-Run von 00 UTC wie schon seine Vorgänger die Entwicklung der Großwetterlage hin zu einer unbeständigen, verhältnismäßig kühlen und zeitweise auch ziemlich windigen zyklonalen Westwetterlage. Erst zum
Ende der Mittelfrist nehmen die Unschärfen zu. Die letzten beiden IFS-Läufe lassen die Frontalzone über West- und Mitteleuropa wieder etwas stärker mäandrieren, wodurch Deutschland am Wochenende zumindest vorübergehend wieder in
den Zustrom deutlich wärmerer, gewitterträchtigerer Luft gelangen würde.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Großen und Ganzen besteht relative Einigkeit darüber, dass sich eine zyklonale Westwetterlage einstellt. Typischerweise ergeben sich mit zunehmendem
Vorhersagehorizont Unschärfen bei Timing und Ausprägung des
Trog-Rücken-Musters.

Wie schon in den Vorläufen und gestern beschrieben simulieren weder ICON noch
GFS eine Verlagerung des Höhentiefs zur Nordsee und nach Dänemark, sie lassen
das Tief über dem Nordmeer. Deutschland würde demnach nur in den „Genuss“ eines
Randtroges kommen, der schon in der Nacht zum Freitag ostwärts durchschwenkt,
gefolgt von einer rascheren Wetterberuhigung am Freitag. Dafür gelangt Deutschland nach Lesart von ICON und GFS schneller, nämlich schon in der Nacht
zum Samstag, auf die Vorderseite des neuen Langwellentroges.

Ganz grob ergibt sich also ein Phasenunterschied zwischen IFS und ICON/GFS von
immerhin 24 Stunden. „Zyklonal West“ bleibt aber „zyklonal West“.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des IFS-EPS von Geopotential und 850-hPa-Temperatur zeigen sich
bis Samstag gut gebündelt. Ein seichtes „Auf- und Abwippen“ bei durchweg vorhandenen, vor allem im Norden und in der Mitte auch stark ausprägten Niederschlagsignalen unterstreichen die Entwicklung einer zyklonalen Westwetterlage. Die Temperaturrange liegt im Norden bei 3 bis 9, im Süden bei 6
bis 12 Grad.

Am Wochenende nimmt die Streuung zu. Unklar ist die Ausprägung des neuen Langwellentroges über West-/Nordwesteuropa und ob die Strömung über Mitteleuropa
vorübergehend stärker aufsteilt oder eher „glatt“ bleibt.
Das EPS-Mittel der 850-hPa-Temperatur steigt landesweit an auf rund 8 Grad im
Nordwesten und rund 15 Grad im Südosten. Vor allem im Südosten gibt es einige
Ausreißer nach oben (in der Spitze bis 24 Grad). Zumindest dort ist die Möglichkeit eines sehr warmen Tages nicht von der Hand zu weisen.

In der erweiterten Mittelfrist zu Beginn der kommenden Woche verlaufen die Rauchfahnen zumindest bezüglich der Temperatur wieder deutlich gebündelter auf
niedrigerem (für die Jahreszeit leicht zu kühlem) Niveau.

Die Clusteranalyse des IFS-EPS liefert für +72-96 h sechs Cluster, die alle eine
aktive Westdrift zeigen mit tiefem Geopotenzial über
Nordwest-/Nordeuropa, aus
denen sich keine nennenswerten, prognoserelevanten Unterschiede ergeben. Für +120-168 h werden zwei Cluster angeboten, die sich in Ausprägung des neuen,
vom Atlantik nach Westeuropa ausgreifenden Troges unterscheiden. Der erste Cluster (31 Member) belässt es bei einer recht glatten westlichen Strömung über
Mitteleuropa, während der zweite ein stärkeres Aufsteilen der Strömung andeutet
(20 Member).
Im Zeitraum zeigen alle fünf Cluster eine recht aktive, mehr oder weniger stark
mäandrierende Strömung mit Tendenz zur Austrogung über Mitteleuropa.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

In der zweiten Wochenhälfte muss in feuchter und instabiler Meeresluft mit einzelnen, kurzen GEWITTERN gerechnet werden. Im Fokus stehen dabei mögliche
Sturmböen, aber auch Starkregen ist nicht ganz ausgeschlossen. Auch außerhalb der Gewitter frischt der Wind zeitweise böig auf. STURMBÖEN sind
am Donnerstag und Freitag vor allem im Küstenumfeld und auf Berggipfeln möglich.

Ob es am Wochenende durch den Vorstoß sehr warmer, energiereicher Luftmassen
nach Südosten zu auch schwere Gewitter geben könnte, ist sehr fraglich.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOS-IFS/-MIX, IFS-EPS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser