SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Freitag, den 09.08.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

Am Nachmittag und Abend von Südwesten in die Mitte ausgreifend teils schwere
Gewitter, in der Nacht den Nordosten erreichend. Im Süden in der Nacht zunehmend
in Starkregen übergehend. Am Samstag wenige Niederschläge, aber im Norden und
teils in der Mitte recht windig.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… liegt Deutschland anfangs unter einem Höhenrücken in 500 hPa, dessen
Achse aktuell etwas vom Bodensee bis zur deutschen Bucht reicht. Er verlagert
sich im Tagesverlauf rasch nach Osten, so dass seine Achse zum Abend schon über
Mitteldeutschland bzw. an Oder und Neiße zu finden sein sollte. Dem Rücken folgt
über dem Nordostatlantik ein Langwellentrog, dessen markantestes abgeschlossenes
Höhentief an der Ostküste Islands, ein zweites, weniger markantes südwestlich
von Irland liegt. Während das Island-Tief nur geringe Verlagerungstendenzen zeigt, zieht das Irland-Tief nach Nordosten und sollte zum Abend tatsächlich
über Irland liegen. Vorderseitig des Troges und somit im Bereich des Rückens
zeigt sich starke WLA, die in der Bodenanalyse mit einer Warmfront gekoppelt
ist. Diese greift schon in den Vormittagsstunden auf den Nordwesten über, bis
zum Abend erreicht sie etwa das Gebiet zwischen Weser und Elbe. Dabei ist die
Warmfront Teil eines teilokkludierten Frontensystems, welches zu einem Sturmtief
bei Irland gehört. Dieses bewegt sich weitgehend simultan zum korrespondierenden
Höhentief vom Seegebiet südwestlich von Irland nach Nordosten. An die Warmfront
sind nach Einschätzung aller gängigen Modelle Niederschläge gekoppelt, die bis
zum Abend im Nordwesten Deutschlands Mengen von 2 bis 5 l/qm in der Fläche erreichen sollten, lokal, insbesondere am Niederrhein und im südlichen Emsland,
wo die Regenfälle schon am Vormittag einsetzen, können etwas höhere Mengen erreicht werden.

Ausgesprochen knifflig ist aber die Antwort auf die Frage, was an und mit der
nachfolgenden Kaltfront passiert. Ein Blick in die Druckkonfiguration am Nachmittag verrät, dass COSMO-D2 (Lauf 03 UTC) ebenso wie ICON-EU (Lauf 00 UTC)
auf ein abgeschlossenes kleinräumiges Tief setzen, das zum Termin 15 UTC etwa an
der Grenze von Belgien zu Frankreich liegen soll. Dagegen zeigt GFS im 00-UTC-Lauf nur einen, wenngleich sehr markanten Bodentrog, wobei dessen geschätzter „Kern“ weiter südwestlich liegt, als dies bei COSMO-D2 er Fall sein
soll. ICON setzt sogar nur auf einen recht scharfen Frontenknick, ohne eine abgeschlossene Zirkulation anzudeuten. Nimmt man das abgeschlossene Tief als
Maßstab, so ergibt sich zwangsläufig eine lokale Wellenbildung an der Kaltfront.
Da deren Ausprägung entsprechend der obigen Schilderung schwer abzuschätzen ist,
sind auch die daran gekoppelten Hebungsprozesse von Modell zu Modell unterschiedlich, wobei sich die Modelle darin einig sind, dass es am und nördlich des Wellentief ein Niederschlagsmaximum geben soll. Dabei ergeben sich
bis zum Abend (12-stündige Niederschlagsmengen) bei allen genannten Modellen
streifenförmige Niederschlagsmuster. Das Niederschlagsmaximum sieht GFS aufgrund
der weiter südöstlichen Zugbahn des wellenden Tiefs von der Mosel bis nach Mittelhessen, COSMO-D2 setzt (ähnlich wie EURO4) auf einen Streifen vom nördlichen Eifelvorland über das Sauerland bis ins äußerste nordwestliche Hessen. Die dritte Lösung bieten hier ICON und seine Derivate an, die vom nördlichen Eifelvorland zum Ruhrgebiet ein Maximum setzen. EZMW fällt mit einer
insgesamt langsameren Verlagerung des Tiefs und der Niederschläge nochmal einen
anderen Weg ein. Die erwarteten 12-stündigen Mengen liegen dabei in der Spitze
bei den hochauflösenden Modellen um 40 l/qm, bei ICON-EU oder GFS um 30 l/qm.
Langer Rede kurzer Sinn: Nix genaues weiß man aktuell noch nicht, allerdings ist
klar, dass die von allen Modellen gezeigte massive Hebung vor dem Trog und an
der Front in Verbindung mit einer extrem feuchten Luftmasse (PPWs bei ICO-EU bis
50(!) mm, bei GFS bis 45 mm, bei COSMO-D2 bis 55(!!) mm) für schwere Gewitter
mit teils auch (extrem) heftigem Starkregen sorgen können, und dies auch dann,
wenn die Luftmasse nicht extrem labil geschichtet ist. Bei recht hohen Scherungswerten (Laut ICON-EU Deep-Layer-Shear 20 bis 30 m/s, Low-Level-Shear
bis 15 m/s) kann man sich in den Gewittern sowohl organisierte Strukturen als
auch größeren Hagel vorstellen. Sturmböen sollten ebenso mit von der Partie sein, was auch dem an der Südostflanke des Tiefs ohnehin anziehenden Gradienten
geschuldet ist. So simuliert EZMW schon aus dem Gradienten heraus Böen Bft 7,
liegt damit aber auch an der Spitze der Modelle. COSMO-D2 bringt es dagegen nur
im Bereich der Kaltfront auf entsprechende Böen, was ICON-EU ähnlich sieht. Im
Osten und Süden verläuft der Tag dagegen noch weitgehend ruhig und oftmals sonnig mit Temperaturmaxima von 26 bis 32 Grad (mit den höchsten Werten im Süden, wo die 850er-Temperaturen um 20 Grad liegen).

In der Nacht zu Samstag zieht der Höhenrücken endgültig nach Polen ab, auf seiner Rückseite gelangt Deutschland komplett auf die Vorderseite des westeuropäischen Langwellentroges, wobei sich das zugehörige Höhentief über die
Irische See bis nach Schottland verlagert. In der kräftigen Boden- und Höhenströmung wird die Kaltfront (bzw. die dann okkludierte Front) und damit
auch das Wellentief über dem Norden recht rasch nach in nordöstlicher Richtung
durchgedrückt, so dass die Front am Morgen des Samstags Vorpommern erreicht. Zu
diesem Zeitpunkt soll sich das Wellentief schon in einem Bodentrog aufgelöst
haben. Allerdings ist bezüglich seiner Zugbahn bei den Modellen noch immer keine
Einigkeit zu erkennen, und so werden die Gebiete des höchsten Niederschlages (in
der Nacht 12-stündig bis 50 l/qm bei EURO4, bis zu 40 l/qm bei ICON-EU, COSMO-D2
und EZMW, bis 30 l/qm bei ICON) noch immer unterschiedlich simuliert. Die „Südschiene“ (Hessen – Südbrandenburg) decken EURO4 und COSMO-D2 ab, EZMW als
Vertreter der nördlichsten Schiene setzt auf eine Linie Ruhrgebiet – Mecklenburger Seenplatte. Am Tief und an der Front selbst ist in der Nacht weiterhin mit starken und auch schweren Gewittern zu rechnen, schließlich erfolgt die Triggerung der Gewitter dynamisch aus der Höhe und nicht über den
Tagesgang). Auch im Nordseeumfeld sind einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen.
Der Einschätzung der Intensität der Gewitter liegen u.a. die PPW-Werte zugrunde,
die präfrontal auch in der Nacht in einer Größenordnung von 50 mm liegen. Dazu
zeigt sich in der Labilität (genauer in den Lapse-Rates) an der Front ein lokales Minimum, auch wenn die entsprechenden Werte absolut betrachtet nicht
sehr hoch liegen mögen (um -0,6 K/100m). Weiterhin – wie auch am Tage – hoch
bleiben die Scherungswerte (Deep-Layer 20-30 m/s, Low-Level um 10 m/s). Mithin
liegt die Abschätzung der Begleiterscheinungen der Gewitter (Starkregen, Sturmböen, Hagel) in der Größenordnung des vorherigen Tages.

Im Süden sieht die Situation dagegen etwas anders aus. Da sich dort ein Höhenkeil durchsetzt, fehlt der Front die Schubkomponente und sie kommt mehr und
mehr ins Schleifen. Während dabei vor allem anfangs noch Gewitter eingelagert
sein können, nimmt der Niederschlag im Laufe der Nacht mehr und mehr stratiformen Charakter an – eine Einschätzung, die sich z.B. aus der sich durchglättenden und damit weniger Hebungsantrieb erzeugenden Höhenströmung oder
aus der zunehmend stabilisierenden Schichtung ergibt und die sich auch in den
Pseudosynops widerspiegelt. Die hohen PPW-Werte in der Region (Baden bis Ostbayern) lassen durchaus unwetterartigen Starkregen möglich erscheinen, der
anfangs von kräftigen Gewittern durchsetzt sein kann. Im Westen lebt in der 2ten
Nachthälfte der Wind wieder auf, nachdem postfrontal ein Bodenkeil mit auffächerndem Gradienten für eine vorübergehende Windabnahme gesorgt hat. Insbesondere in den Hochlagen sind dann wieder steife Böen Bft 7 zu erwarten.

Samstag… verlagert sich das Höhentief bis zum Abend zur nördlichen Nordsee, wo
es sich aufzufüllen beginnt. Das korrespondierende Bodentief ist abends als Dipol über der nördlichen Nordsee bzw. der südlichen Norwegischen See zu finden,
wobei der Kerndruck des Nordseekerns knapp unter 990 hPa liegt, womit es sich
nicht weiter vertieft, aber auch nicht nennenswert aufgefüllt hat. An seiner
Südostflanke zieht der Gradient an, so dass im Bodenfeld der Wind noch um Einiges zulegt und zunehmend auf Südwest bis Süd dreht. Im Nordwesten gibt es
auch im Binnenland verbreitet stürmische Böen (Bft 8) aus Südwest, an der Nordsee sowie auf einigen Mittelgebirgsgipfeln auch einzelne Sturmböen (Bft 9),
exponiert kann eine Bft 10 nicht ausgeschlossen werden. Steife Böen (Bft 7) gibt
es auch bis weit in die mittleren Landesteile hinein, davon ausgespart sind nur
der äußerste Osten und der Süden, so zumindest die Lesart von EZMW, nach ICON
oder GFS können die steifen Böen auch nur ehr verhalten in die mittleren Landesteile ausgreifen. Die Kaltfront schleift zunächst noch über dem Südosten
des Landes, so dass es dort vormittags noch schauerartig verstärkt regnen kann,
eventuell anfangs noch begleitet von einzelnen Gewittern mit Starkregen. Von
Frankreich her weitet sich aber der Bodenhochkeil über Süddeutschland aus, so
dass die Kaltfront bis mittags rasch die Alpen überquert und die Regenfälle dann
deutlich abklingen. Im äußersten Norden wird in Trognähe etwas höhenkältere Luft
wirksam (-15 Grad in 500 hPa), so dass die Luftmasse dort labilisiert wird. Vor
allem im Küstenumfeld reicht das für einzelne Schauer oder auch kurze Gewitter,
die dann durchaus von Sturmböen begleitet werden. Im breiten Streifen zwischen
den Küstenregionen und dem Südosten setzt sich dagegen neben lockeren flachen
Quellwolken häufig die Sonne durch und es bleibt trocken. Von Westen her gelangt
erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs ins Vorhersagegebiet, so dass die Temperaturen in 850 hPa nicht unter 8 Grad über der Deutschen Bucht und 15 Grad
im Süden sinken. Das lässt immer noch sommerliche Höchstwerte zwischen 23 und 29
Grad erwarten, etwas kühler bleibt es lediglich an den Küsten und eventuell bei
länger bedecktem Himmel an den Alpen bzw. im bayerischen Wald.

In der Nacht zum Sonntag hat sich das Höhentief endgültig verabschiedet und wurde vom umfangreichen Trog über West- bzw. Nordwesteuropa mit Drehzentrum knapp östlich von Island quasi „absorbiert“. Der südliche Dipol des Bodentiefs
verlagert sich vor die Südwestküste Norwegens und füllt sich ein wenig auf. Die
nach wie vor sehr kräftige und recht glatte südwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet nimmt eine leicht antizyklonale Kontur an und auch im Bodenfeld
verstärkt sich über Süddeutschland der Hochdruckeinfluss. Somit bleibt der scharfe Druckgradient vor allem im äußersten Norden aufrecht, während er über
der Mitte etwas auffächert. Während der Wind also im Binnenland auch tagesgangbedingt deutlich abnimmt, bleibt es im äußersten Norden windig mit stürmischen Böen an den Küsten, im Nordseeumfeld sowie auf dem Brocken. Vor allem an der Nordsee und in Schleswig-Holstein kann es auch noch einzelne Schauer oder eventuell auch ein kurzes Gewitter geben. Im großen Rest des Landes
steht aber eine wettertechnisch ruhige Nacht an. Während es ganz im Süden und
auch Richtung Küsten bewölkt bleibt, ist es sonst locker bewölkt, teils auch
klar.

Sonntag… wird der Langwellentrog durch einen in seine Rückseite hineinlaufenden kurzwelligen Anteil regeneriert. Die nach wie vor sehr kräftige
südwestliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet steilt dadurch etwas auf,
wobei sich durch WLA ein flacher Rücken über dem östlichen Mitteleuropa aufwölbt. Die etwas höhenkältere Luftmasse im Nordwesten dort könnte noch für
einzelne Schauer oder auch kurze Gewitter im unmittelbaren Küstenbereich der
Nordsee ausreichen (es wird ein wenig Cape simuliert), meist bleibt es aber trocken. Von Warnrelevanz bleibt aber nach wie vor der Wind. Ausgehend vom allmählich nach Mittelschweden ziehenden Bodentief reicht ein Trog über Südnorwegen südwestwärts bis zur Nordsee. An dessen Südflanke fächert der Gradient zunächst kaum auf, obwohl über Süddeutschland bereits wieder schwacher
Druckfall einsetzt. Mit dem Tagesgang kann auch im Binnenland Norddeutschlands
der Wind wieder auffrischen (insbesondere nach EZMW) und es gibt dort einzelne
steife Böen aus Südwest. Im Nordseeumfeld reicht es weiterhin für stürmische
Böen, laut ICON-EU auch für „eine“ Sturmböen auf Sylt. Erst zum Abend hin lässt
der Wind wieder nach.
Im Großteil des Landes dominiert aber Hochdruckeinfluss und es scheint zunächst
meist die Sonne. Vor allem in die Südhälfte wird von Südwesten her wieder eine
wärmere und auch instabilere Luftmasse advehiert, vorderseitig des Troges über
Westeuropa wird vor allem über Frankreich auch dynamische Hebung simuliert. Zum
Abend hin sollte es im Südwesten Deutschlands bereits für einzelne Gewitter (dann durchaus mit Unwetterpotenzial) reichen, was ICON, EZMW oder auch GFS andeuten. Die Temperatur in 850 hPa liegt im äußersten Nordwesten um 8 Grad,
während sie im Südosten wieder auf bis zu 18 Grad steigt. Das lässt Höchstwerte
zwischen 22 und 28 Grad in der Nordwesthälfte und bis zu 32 Grad im Südosten
erwarten.

In der Nacht zu Montag nähert sich der Westeuropäische Trog etwas an, ohne dass
sich die Geopotentialkonfiguration über Deutschland merklich ändert. Im Südosten
entwickeln sich in feucht-labiler Luft weiterhin Gewitter bzw. es fällt konvektiv durchsetzter Starkregen, im Nordwesten und der Mitte bleibt es, mit
Ausnahme des Nordseeumfelds, trocken und teils klar. Das sich der von Südskandinavien zur Nordsee weisende Bodentrog etwas abschwächt fächert auch der
Gradient über dem Nordwesten etwas auf, so dass der Wind nachlässt.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die Abläufe des heutigen Tages noch deutlich unterschiedlich, beispielsweise bezüglich der Lage und der Intensität des kleinräumigen Tiefs, das von Frankreich und Benelux in den Westen zieht, aber in
der Folge auch bezüglich der Verteilung und Intensität des
Niederschlages. Die
entsprechenden Unterschiede wurden im Detail im Text angesprochen. Nach der Frontpassage heute und in der Nacht zum Samstag gleichen sich die Modelle in
ihrer Einschätzung wieder an.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas