S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Samstag, den 20.07.2019 um 10.30 UTC

Heiß bis sehr heiß mit zunehmender Waldbrandgefahr und anhaltender Trockenheit.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 27.07.2019

Es kommt etwas mehr Bewegung in die Wetterküche. Eine Aussage, die man nicht
unbedingt erwartet, wenn man heute die erneut blockierende
mittelfristige Lage
über Europa beschreiben soll.
Über dem Grenzbereich Nordamerika/Kanada wurde während der vergangenen 48 Stunden ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich intensiver Höhenjet analysiert (im
Kernbereich ganze 3 Sigma über dem klimatologischen Mittel und somit als sehr
ungewöhnlich einzustufen), der zum Beginn dieser Mittelfrist über den Nordatlantik rauscht und in der Folge nördlich von Europa gen Spitzbergen/Franz-Josef-Land abbiegt.
Dabei wird ein kräftiger Höhentrog initiiert, der sich ab
Dienstag/Mittwoch vor
den Toren Westeuropas immer weiter verstärkt und seine Wellenamplitude vergrößert (was ebenfalls satte negative 500 hPa Geopotentialanomalien im Seegebiet vor der Iberischen Halbinsel und der Biskaya hervorruft). Durch diesen
Prozess entwickelt sich über Skandinavien in der Folge eine blockierende Antizyklone.
Gleichzeitig stellt sich über den USA während der Mittelfrist eine eher eingefahrene Wetterlage ein (u.a. in Form einer antizyklonal brechenden Rossby-Welle), sodass der gesamte Nordatlantik unter einer zonalen Höhenströmung
liegt, die während der Mittelfrist auch nur vergleichsweise schwach verwellt.
Zuletzt sei noch ein kurzer (und zugleich auch unvollständiger) Blick in die
Tropen erlaubt, wo aktuell eine ebenfalls außergewöhnlich kräftige sog. „konvektiv gekoppelte Kelvin-Welle“ über den Norden von Südamerika zieht und dem
tropischen Atlantik und seiner direkten Umgebung für die nächsten ein bis zwei
Wochen kräftiges Absinken beschert. Dies steht im Einklang mit einer von den
Azoren retrograd westwärts wandernden Hochdruckzelle und der angesprochenen Zonalisierung über dem Nordatlantik, sodass während der Mittelfrist von Kuba bis
zur Afrikanischen Küste und über den tropischen Gewässern positive Geopotentialanomalien erwartet werden. Die gesamte Entwicklung dürfte die NAO
nach mehreren Fehlversuchen und nach einer drei Monate anhaltenden negativen
Phase wenigstens vorübergehend in den leicht positiven Bereich drücken. Dabei scheint sich die Retrogression des Azorenhochs zeitgleich mit der Vergrößerung der Wellenamplitude des Höhentroges vor Westuropa zu vollziehen,
weshalb es nicht verwundert, dass dieser Trog weit nach Süden vorstoßen kann/soll (mit einem möglichen Abtropfprozess über/westlich der Iberischen Halbinsel). Durch diese Prozesse wird stromab über Mitteleuropa ein markanter
und quasi-stationärer Höhenrücken aufgespannt, der sich in der Folge in die angesprochene blockierende Antizyklone über Skandinavien weiterentwickelt.

Die zonale und somit vergleichsweise dynamische Grundströmung über dem Nordatlantik (mit Tendenz zur fortschreitenden Verwellung) macht jedoch die Dauer dieser Blockadelage etwas unsicher, die einerseits von Westen durch einen
Trogvorstoß am Ende der Mittelfrist abgebaut werden könnte, oder aber fließend
in eine Strömungskonfiguration münden könnte, die jegliche temporäre Keilabschwächung zeitnah wieder aufbauen würde.

Zum Beginn der Mittelfrist am Dienstag, den 23. Juli 2019, könnte eine ostwärts
abziehende Warmfront den Nordosten noch mit dichteren Wolken und einem geringen
Schauer- und Gewitterrisiko beeinflussen. Ansonsten sorgt die über Deutschland
zentriert liegende markante Keilachse bereits für kräftiges Absinken und meist
strahlenden Sonnenschein. Zwar liegt das umfangreiche Bodenhoch bereits östlich
von Deutschland und wir geraten vorderseitig des Atlantiktroges nun zunehmend in
eine südwestliche Strömung, doch verbleibt der thermische Rücken niedertroposphärisch noch über Frankreich. Daher liegt die heißeste Luft noch
westlich von Deutschland mit 850 hPa Temperaturwerten zwischen +14 und +19 Grad
von Ost nach West.

Mittwoch markiert den Beginn der extremen Hitze für weite Bereiche Deutschlands.
Der Atlantiktrog reicht, angetrieben durch ein in den Trog reinlaufendes Höhenjetmaximum, mittlerweile bis ins Seegebiet zwischen den Azoren und Portugal
mit vorderseitiger kräftiger und hochreichender Warmluftadvektion. Über Süddeutschland beginnt sich gar eine Höhenhochzelle auszubilden, die zum Bodenhoch eine deutliche Achsenneigung aufweist und daher noch mobil ist. Das
Bodenhoch verbleibt dabei über der Ostsee, Polen und Tschechien. Ein möglicherweise nordwärts geführter „Saharan air layer, SAL“ spielt bei der Lage
des Höhenhochs sowie den letzten Staub- bzw.
Sandverfrachtungsvorhersagen noch
keine Rolle, sodass die aktuell simulierten hohen Wolkenfelder wohl eher dem
Warmluftadvektionsregime geschuldet sein dürften. Sie spielen daher keine große
Rolle bei der Frage der Ausprägung der diabatischen Komponente. Somit erwartet
uns meist ein ungetrübter Strahlungstag bei 850 hPa Temperaturwerten von +14
Grad im Osten und +23 Grad im äußersten Westen.

Am Donnerstag dürfte das Höhenjetmaximum den Trog passiert/umrundet haben und
ihn somit weiterhin nach Osten driften lassen. Das Höhenhoch wandert über Deutschland zügig nach Norden und liegt in der Nacht zum Freitag bereits über
Südschweden. Es ist eingebettet in einen Bereich mit positiven 500 hPa Geopotentialanomalien, die von Südwestskandinavien bis ins westliche und zentrale Mittelmeer reichen. Das Bodenhoch wandert mit seinem Kern auch etwas
nach Nord/Nordost ab und wird in der Nacht zum Freitag über der Ostsee erwartet.
Für Deutschland ändert sich daher wenig. Unter dem Höhenkeil gelegen wird auch
der niedertroposphärische thermische Rücken mit Trogannäherung etwas weiter nach
Osten gedrängt und liegt über Ostfrankreich, Benelux und
Westdeutschland. Dabei
wird er jedoch gleichzeitig zonal verengt, da am Südrand der Bodenantizyklone
etwas weniger heiße Luft in den Norden und Osten Deutschlands geführt wird. Die
850 hPa Temperaturwerte liegen zwischen +15 Grad im Osten und +23 Grad im äußersten Westen/Südwesten. Die Sonne scheint von früh bis spät und ein „SAL“
dürfte aus heutiger Sicht mit einer auf südöstliche Richtung kippenden Höhenströmung ebenfalls kein großes Thema sein (gestützt durch die letzten Vorhersagen).

Am Freitag scheint ein wichtiger Tag zu sein für die mittelfristige Wetterentwicklung. Nach Abzug des kräftigen Höhenjets aus der Trogspitze nach
Nordosten (und Umwandlung in einen möglicherweise rekordverdächtigen supergeostrophisch verstärkten antizyklonalen Höhenjet über dem nördlichen Norwegen und Schweden) scheint ein weiteres Jetmaximum in den Trog zu ziehen und
einen Abtropfprozess über der Iberischen Halbinsel einzuleiten (mit einem deutlich weiter nördlich ansetzenden dritten Jetmaximum westlich vor Irland, das
den Abtropfprozess abschließen würde). Die Folgen für Deutschland sind an dem
Tag noch nicht gravierend, verbleiben wir doch am Südrand einer mächtigen Höhenantizyklone über Südskandinavien, die auch zunehmend über das Bodenhoch
wandert und somit alle Charakteristika einer langsam
verlagernden/blockierenden
und hochreichend warmen Antizyklone aufweist. Wir sind daher fließend in eine
HFa/HNFa Blockadelage gewandert. Der niedertrop. thermische Rücken erfährt nun
nachlassende Unterstützung durch sich abbauende Schichtdicke und sich abschwächende Advektion, aber das bedeutet für Deutschland letztendlich nur ein
Breitlaufen bzw. ein endgültiges Übergreifen des thermischen Keils mit 850 hPa
Temperaturwerten von +17 Grad im Nordosten und +24 Grad im äußersten Südwesten.
Dem nachlassenden Geopotential kann man ein geringfügig erhöhtes Schauer- und
Gewitterpotential entnehmen, das jedoch auf die Berglagen beschränkt bleiben
sollte. Ansonsten bleibt das Wetter abgesehen von einzelnen WLA-Cirren wolkenlos.

Werfen wir noch einen Blick auf den Samstag. Mit dem abgetropften Höhentief über
der Iberischen Halbinsel beginnt sich ein neuer Keil über dem zentralen Mittelmeer mit Stoßrichtung Mitteleuropa aufzuwölben. Die Keilachse über Deutschland schwächt sich zwar weiter ab, bleibt jedoch vor Ort liegen und das
bei unveränderten 850 hPa Temperaturwerten von +16 bis +23 Grad von Ost nach
West. Am trockenen und sonnigen Wettercharakter ändert sich wenig mit einem geringfügig erhöhtem Gewitterpotential im Süden.

Die Höchstwerte liegen am Dienstag im Norden und Osten bei 27 bis 31 Grad und
sonst zwischen 29 und 34 Grad. Entlang des Oberrheins wird es mit bis zu 36 Grad
etwas heißer. Am Mittwoch und Donnerstag geben sich eine anormal hohe Schichtdicke, kräftige Warmluftadvektion, voraussichtlich meist ungehinderte
Einstrahlung und zu trockene Böden die Hand und treiben die Temperaturwerte bodennah in die Höhe. Am Mittwoch werden im Norden und Osten meist 30 bis 36
Grad und am Donnerstag 33 bis 38 Grad erwartet. Die „“perfekten““ Bedingungen
für extreme Werte scheint es aber im Westen und Südwesten Deutschlands zu geben,
wo an beiden Tagen 34 bis 39 Grad zu erwarten sind (etwas MOS-MIX überbietend)
und besonders der Donnerstag sticht aktuell mit erhöhten
Wahrscheinlichkeiten
für das örtliche Erreichen der 40 Grad-Marke ins Auge. Allerdings müssen dazu
alle Faktoren zusammenkommen.

Die Tiefstwerte liegen während der zumeist klaren Nächte zunehmend im tropischen
Bereich (Temperaturminima von über 20 Grad).

Die Trockenheit und Waldbrandgefahr nimmt bei RH Werten tagsüber von zunehmend
unter 30% und der zu erwartenden Sonneneinstrahlung wieder
deutschlandweit rasch
und signifikant zu. Niederschlag fällt nach diesem IFS-Lauf die gesamte Mittelfrist durch keiner.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Von Dienstag bis einschließlich Donnerstag herrscht eine sehr gute Übereinstimmung der IFS-Läufe, die einen markanten Rücken über Mitteleuropa und
somit auch über Deutschland zeigen. Es wird daher ein trocken-heißer Wetterabschnitt erwartet.
In der Folge nehmen die Unsicherheiten mit der Annäherung eines atlantischen
Troges von Westen ab Freitag etwas zu, da der letzte IFS-Lauf nun einen Abtropfprozess über der Iberischen Halbinsel zeigt, während die vorherigen Läufe
den Trog progressiv nach Osten brachten. Bei der neuen Variante würde Deutschland weiterhin im Keileinfluss verbleiben, während die vorherigen Läufe
eher eine Trogpassage zum Samstag mit einer von West nach Ost fortschreitenden
Abkühlung zeigten. Unlogisch erscheint die neue Lösung nicht, allerdings sollte
noch mehr Persistenz bestehen, bevor man umschwenkt und die Hitzewelle deutschlandweit bis zum kommenden Wochenende (oder gar darüber hinaus) verlängert.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Es gibt wenig Neues zu berichten, wenn man sich die weiteren Globalmodelle anschaut. Bis einschließlich Donnerstag stimmen sie mit einem kräftigen Keil
über Mittel- und zunehmend auch Nordeuropa überein. In der Folge jedoch gehen
die Modelle mit der Entwicklung des atlantischen Troges auseinander. GFS bringt
diesen progressiv und unter Amplitudenverkürzung nach Mitteleuropa und würde
daher die größte Hitze sukzessive nach Osten abdrängen. IFS und ICON hingegen
zeigen beide einen Abtropfprozess, wobei ICON diesen zum Samstag rund 400-500 km
östlicher (über den Balearen) sieht als IFS. ICON wäre dabei zum Ende der Mittelfrist einen Tick weniger heiß und etwas gewitteranfälliger als IFS.

Fazit: Entscheidend wird sein, ob sich der atlantische Trog vor den Toren Europas abschnürt, oder ob er progressiv nach Osten geführt wird. Die heute beschriebene Situation wäre bezüglich Hitze, Trockenheit und Waldbrand sicherlich der „worst case“, wird jedoch innerhalb des IFS-Ensembles soweit gestützt, dass man von einer möglichen Tendenz sprechen kann (auch wenn hier
eine Bifurkation zu erkenne ist mit dem Schwerpunkt auf der heißen Schiene). Die
GFS Ensemblevorhersagen entsprechen ab Samstag eher der kalten Memberabweichung
von IFS, was synoptisch plausibel erscheint, da diese die progressive Trogvariante unterstützen. Das letzte Wort bezüglich der Entwicklung ist daher
noch nicht gesprochen!

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Werfen wir nun einen Blick auf die Wahrscheinlichkeiten dieses Abtropfprozesses
innerhalb der IFS-Member.
Zum Beginn sind 3 Cluster mit dem klimat. Mittel „Blockadelage“ vorhanden, die
jedoch allesamt über Deutschland zentriert einen anormalen Keil zeigen. Da gibt
es wenig Spielraum für Unsicherheiten.

In der Folge (Mittwoch bis Freitag) bleibt zwar das klimatologische Regime bestehen, allerdings wird die maximale Anzahl (6) von Clustern erreicht. Der
Kontrolllauf ist im ersten, der deterministische Lauf im fünften Cluster zu finden.
Den Abtropfprozess am Freitag zeigen der erste (am stärksten besetzte Cluster)
im Ansatz, der zweite und fünfte Cluster jeweils deutlich, wobei die intensivste
Abtropflösung klar im fünften Cluster zu finden ist (und somit vom det. Lauf
gezeigt wird). Cluster drei, vier und sechs hingegen bleiben bei einer progressiven Verlagerung und bringen den Trog zum Freitag nach Frankreich. Rein
arithmetisch würden 30 Member für und 21 Member gegen den Abtropfprozess sprechen und somit würde ein geringes Übergewicht für einen solchen Abtropfprozess bestehen. Allerdings ist die Lösung im ersten Cluster noch zu
schwammig, als dass sie vollständig dem einen oder anderen Feld zugeordnet werden könnte (zwar wird ein Abtropfen gezeigt, jedoch schwenkt ein Residuum in
Form einer Kurzwelle nach Frankreich).
Abgesehen davon unterscheiden sich die Cluster nur in der Geometrie des Keils,
der jedoch Deutschland bis dahin fest im Griff hat.

Zum Ende der Mittelfrist bleiben die beiden Lager bestehen, die entweder ein
Abtropfen oder einen nach Deutschland schwenkenden Trog zeigen (der jedoch rasch
an Amplitude verliert). Sollte die progressivere Variante gewinnen, dann würde
die Frage bleiben, wie kräftig die blockierende Antizyklone über Skandinavien
sein wird und wie weit sie den Trog wirklich nach Deutschland vorankommen lassen
würde.

Die Meteogramme in Deutschland zeigen von Dienstag bis Donnerstag zunehmende
Temperaturmaxima sowie trockene Verhältnisse. Insgesamt wird ein sonniger Abschnitt gestützt, auch wenn einige Member wohl wegen der WLA-Cirren etwas stärker ausschlagen. Erst zum Samstag zeigen sich besonders in der Nähe zum Bergland erste schüchterne Ausschläge beim Niederschlag. Die 850 hPa Temperatur-
und 500 hPa Geopotentialrauchfahnen sind die Mittelfrist durch eng gebündelt und
weisen erst ab Samstag eine Bifurkation auf (mit der Mehrheit der Member im weiterhin sommerlich-heißen Bereich).
_

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Beim EFI dominiert ganz klar die positive Temperaturabweichung vom klimatologischen Mittel. Von Dienstag an breiten sich sehr hohe positive EFI-Werte von West nach Ost übe Deutschland aus, wobei der SOT zum Donnerstag im
äußersten Westen/Südwesten bei sehr steilen CDFs auf bis zu +1 steigt. Dies wären wahrlich imposante Abweichungen. Dabei muss jedoch gesagt werden, dass mit
Blick auf Europa die stärksten Abweichungen wie bei der letzten Hitzewelle westlich von uns über Frankreich zu finden sein werden. Dass der EFI-CAPE nicht
anspringt unterstreicht die eher trockene Luftmassenqualität sowie starkes Absinken mit höhenmilder Luft.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-MIX, IFS, IFS-EPS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy