SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Freitag, den 12.07.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunehmend Nz

Heute fast deutschlandweit, am Samstag im Osten und Norden teils heftige Schauer
und Gewitter mit Starkregen, gebietsweise auch mit Sturmböen und Hagel. Punktuell Unwetter durch Starkregen wahrscheinlich. Nacht zum Samstag an den
Alpen und entlang des Bayerischen Waldes mehrstündige Starkregenwarnungen wahrscheinlich. Am Sonntag im Süden und Osten weitere, teils kräftige Schauer
und Gewitter. Alpengipfel heute (Freitag) und Samstag zeitweise Sturmböen aus
West und in den Nächten gebietsweise Nebel.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… liegt Deutschland im Einflussbereich eines umfangreichen Tiefdruckgebietes mit Kern über dem östlichen Skandinavien. An dessen Südwestflanke wird heute im Tagesverlauf ein breiter Randtrog von der Nordsee
südostwärts nach Süddeutschland geführt. Dabei weist dieser in der Höhe offene
Trog bodennah ein kompaktes / seichtes Bodentief auf, das peripher zur Höhendivergenz gelegen seine Intensität nur geringfügig ändert (wenn überhaupt,
dann unterläuft es dem Tagesgang folgend eine geringfügige
Intensivierung über
Nordostdeutschland dank temporärer Einstrahlung). Eine an das Bodentief gekoppelte okkludierte Front wird ebenfalls von West nach Ost über Deutschland
geführt, sodass summa summarum ausreichend synoptisch-skalige und mesoskalige
Hebungsantriebe für Konvektionsbildung zur Verfügung stehen. Die Luftmasse über Deutschland weist aktuell (7 UTC) Temperatur- und Taupunktswerte von 14 bis 18 Grad über 12 bis 15 Grad auf und ist somit grenzschichtnah sehr feucht (verdeutlicht auch an einigen Nebelwarnungen ausgangs der Nacht im Westen). Die 00Z Radiosonden zeigen auch unkontaminiert
(abseits vorhandener Niederschläge und Konvektion zu dem Zeitpunkt) eine feuchte
mittlere Troposphäre mit einer geringen Temperaturabnahme (lapse rate) mit der
Höhe. Die von der Numerik anvisierten PPWs von 25 mm oder mehr sind an Hand dieser Daten ebenfalls als realistisch einzuschätzen. Auch die deutschlandweit
meist geringe vertikale Windscherung wird in den Radiosondenaufstiegen deutlich,
allerding mit einer sukzessiven Zunahme nach Südwesten, wo die 6 km-Geschwindigkeitsscherung rund 15 m/s erreicht. Zudem weisen die Aufstiege
einen nur sehr schwachen Deckel auf, sodass es nicht verwundert, dass bereits
von der Früh weg im Südwesten recht verbreitet vor teils kräftigen Gewittern
inkl. Starkregen gewarnt werden musste (ausgelöst im linken Auszug eines von
Frankreich näherkommenden Höhenjets). Im Norden und Nordosten hingegen fällt aus
einer dem Trog vorlaufenden Okklusion skaliger Regen mit meist leichter Intensität.

Im weiteren Tagesverlauf muss mit Annäherung des Randtroges besonders im Westen,
der Mitte und dem Süden mit zunehmender Hebung gerechnet werden, sodass die Schauer- und Gewitteraktivität unter Verstärkung auf weite Bereiche Deutschlands
ausgreift. Dank temporärer Einstrahlung und einer Abkühlung in der mittleren
Troposphäre wird die Luftmasse bis zum Nachmittag weiter labilisert und weist
MLCAPE-Werte von 500-1000 J/kg auf. In Kombination mit der Hebung und der feuchten Luftmasse sowie geringer Verlagerungsgeschwindigkeit (schwaches Windfeld) dürfte mit einer raschen Ausbildung zahlreicher langsam ziehender Gewittercluster gerechnet werden, dies bevorzugt entlang der nachmittags von
Benelux hereinschwenkenden Okklusion, entlang zahlreicher regionaler schwacher
Windkonvergenzen (erkennbar auch in der Feuchteflusskonvergenz) sowie entlang
der Orografie.
Verbreitet werden mit den Gewittern markante Regenmengen erwartet, punktuell
auch das Erreichen der Unwetterschwelle (mehr als 25 l/qm/h). Sollte sich entlang einer Konvergenz/der Orografie vorübergehend quasi-stationäre Konvektion
ausbilden ist örtlich auch extremer Starkregen mit mehr als 40 l/qm/h nicht ausgeschlossen. Davon betroffen ist mehr oder weniger ganz Deutschland mit der
Ausnahme vom äußersten Nordwesten, wo etwas stabilere Luft von der Nordsee einsickert. Im Nordosten verschiebt sich der Schwerpunkt der Aktivität eher in
den Nachmittag und Abend, da dort die sich auflösende Okklusion die Einstrahlung
etwas mindert und in Richtung Vorpommern könnte die Auslöse dadurch sogar komplett unterbunden werden. Etwas geringer fällt das
Starkregenpotential in
Süddeutschland aus. Gründe dafür sind neben der nur moderaten CAPE- und Feuchtewerte auch eine etwas trockenere niedertrop. Schichtung (siehe 00 Z Aufstiege), sodass durch Verdunstungsabkühlung die Abwinde bzw. die „cold pools“
verstärkt werden können und tendenziell die progressive Natur der Konvektion
unterstützt wird. Das wiederum erhöht das Potential für stürmische Böen oder
Sturmböen besonders über der Mitte und dem Süden. Dank der dort etwas stärkeren
Scherung kann auch Hagel lokal nicht ausgeschlossen werden.
Gegen die Ausgabe einer Vorabinformation sprechen die Vielzahl an möglichen Schwerpunkten, die innerhalb der Numerik auch noch variabel gezeigt werden, sowie die etwas stärkere Scherung bzw. trockenere niedertrop. Schichtung im Süden, was die Wahrscheinlichkeiten für stehende Konvektion mindert. Die Höchstwerte liegen dabei zwischen 19 und 24 Grad, entlang vom Oberrhein zwischen 24 und 27 Grad und das bei einem im Norden schwachen Wind aus West bis
Nordwest, im Nordosten aus Nordost. Im Süden hingegen weht der Westwind zeitweise mäßig. Auf Alpengipfeln treten verbreitet Sturmböen aus West auf.

In der Nacht zum Samstag ändert sich mit dem endgültig nach Süddeutschland schwenkenden Randtrog besonders in der ersten Nachthälfte wenig an der regen
Schauer- und Gewittertätigkeit. Zahlreiche Gewittercluster bringen strichweise
Starkregen bis in den Unwetterbereich, wobei besonders die Südflanke des Bodentiefs als Fokus für erhöhte Unwettergefahr angesehen werden kann (die östliche Mitte Deutschlands betreffend). Lokale Sturmböen und Hagel sind weiterhin möglich. Nach Mitternacht kippt die Strömung mit Passage des Bodentiefs und Randtroges nach Osten zunehmend auf nordwestliche bis nördliche
Richtungen, sodass die sich zögernd abschwächende Schauer- und Gewittercluster
zunehmend an die Alpen und den Bayerischen Wald gedrückt werden. Hier tritt mehrstündig teils konvektiv verstärkter Starkregen auf mit 12-std. Regenmengen
von 15 bis 30 l/qm in der Fläche. Konvektiv verstärkt sind strichweise jedoch
deutlich höhere Niederschlagsmengen nicht ausgeschlossen. Die Ausgabe einer Dauerregenwarnung erscheint wenig zielführend dank der konvektiven Natur des
Niederschlags und somit zahlreicher Niederschlagsschwerpunkte bzw. längerer Niederschlagspausen, weshalb mehrstündige Starkregenwarnungen anvisiert werden.
Dieses Potential gilt auch für das westliche Erzgebirge, was aktuell von höher
aufgelösten Modellen teilweise gestützt wird.
Besonders im Norden und Südwesten beruhigt sich das Wetter im Verlauf der Nacht
deutlich und abgesehen von einzelnen Schauern bleibt es hier dann meist trocken.
Gebietsweise muss in diesen Bereichen mit Nebel gerechnet werden. Die Tiefstwerte liegen zwischen 15 und 10 Grad.

Samstag… schwenkt der Randtrog zügig weiter nach Südosten und erreicht zum
Abend bereits Rumänien, wobei sich von Westen ein schwacher Höhenkeil nach Deutschland ausweitet. Niedertroposphärisch befinden wir uns dann im Übergangsbereich des abziehenden Bodentiefs und des westlich gelegenen Bodenhochs in einer schwachen nördlichen Strömung. Daher sickert von Nordwesten
etwas stabiler geschichtete Luft besonders in den Westen Deutschlands. Hier lockert die dichte Wolkendecke zeitweise auf und es entwickeln sich nur gebietsweise Schauer, die jedoch meist im markanten Bereich bezüglich Starkregens verbleiben sollten. Im gesamten Norden und Osten jedoch liegt noch
die labil geschichtete (500-1000 J/kg MLCAPE) Luftmasse in einer Umgebung mit
geringer Windscherung, sodass hier im Tagesverlauf mit temporärer Einstrahlung
verbreitet teils heftige Schauer und Gewitter entstehen. Erneut steht der Starkregen im Fokus, wobei strichweise mit unwetterartigen Mengen gerechnet werden muss. Lokal treten Hagel und stürmisch Böen auf. Die Höchstwerte liegen
meist zwischen 20 und 25 Grad. Der Nordwestwind weht schwach bis mäßig und die
Sturmböen auf den Alpengipfeln aus West schwächen sich im Tagesverlauf durchgreifend ab.

In der Nacht zum Sonntag setzt sich zunächst überall der
Hochdruckeinfluss immer
besser durch, allerdings erfasst ein kleinräumiges Höhentief (mit zeitlichem
Versatz innerhalb der Numerik) den Nordwesten Deutschlands im Verlauf der zweiten Nachthälfte. Trotz dieser Unsicherheiten auf der
synoptisch-skaligen
Ebene verläuft die Nacht im Westen meist ruhig. Die hochnebelartige Bewölkung
bleibt bestehen, nur gelegentlich lockert sie auf und letzte Schauer sind eingangs der Nacht nicht ausgeschlossen. Im Norden und Osten hingegen schwächt
sich die kräftige Konvektion vom Tage nur zögernd ab, sodass besonders in der
ersten Nachthälfte noch unwetterartige Gewitter und Schauer durch Starkregen zu
erwarten sind. Nachfolgend fällt der Regen teils skalig, teils konvektiv und
strichweise im markanten Starkregenbereich (auch mehrstündig). Die Tiefstwerte
liegen zwischen 15 und 10 Grad und der Nordwestwind weht schwach, im Umfeld der
Deutschen Bucht zeitweise auch böig.

Sonntag… verlagert sich das Höhentief unter Verstärkung zügig nach Süden und
wird zum Abend bereits über der Schweiz erwartet. Vorderseitige Hebung interagiert im Süden und Osten noch mit den Resten der feucht-labilen Luftmasse
vom Vortag, sodass von der Früh weg erneut mit einer regen Schauer- und Gewittertätigkeit zu rechnen ist. Zwar bleibt das Thema „unwetterartiger Starkregen“ bestehen, aber geringere Labilitätswerte dürften das Potential im
Vergleich zu den Vortagen etwas senken. Rückseitig des Troges sorgt synoptisch-skaliges Absinken für einen ruhigen Wettertag im Westen und Nordwesten. Nach einem trüben Beginn mit dichtem Stratus lockert die Bewölkung
im Tagesverlauf im Westen zunehmend auf, während es in Richtung Nordsee wohl bis
zum Abend hochnebelartig bedeckt bleibt. Der schwache bis mäßige Nordwestwind
frischt über der Deutschen Bucht zeitweise stark böig auf. Die Höchstwerte liegen zwischen 18 und 25 Grad (unter dem Hochnebel teils auch etwas darunter).

In der Nacht zum Montag klingen die Niederschläge im Süden und Osten zögernd ab
und nachfolgend kann sich gebietsweise Nebel bilden. Im Südwesten verläuft die
Nacht meist klar und trocken, während sich die hochnebelartige Bewölkung erneut
südostwärts über den gesamten Norden und die Mitte ausbreitet. Zeitweise kann
etwas Sprühregen fallen. Die Tiefstwerte liegen dabei zwischen 14 und 9 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Numerik ist die Kurzfrist über recht einheitlich bezüglich der Intensität
und zeitlichen Verlagerung von Keilen und Trögen. Allerdings herrschen mit der
Passage eines kleinräumigen Höhentiefs von Samstag auf Sonntag noch größere Unsicherheiten. Es soll von der Nordsee in Richtung Schweiz ziehen, wobei IFS
und ICON eine etwas zügigere, GFS eine etwas verzögerte Südverlagerung andeuten.
Diese zeitlichen Unsicherheiten wirken sich vorzugsweise auf die Frage aus, wie
weit nach Norden (bzw. ob bis zur Mitte Deutschlands) die Schauer und Gewitter
am Sonntag ausgreifen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy