SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 140800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 14.06.2019 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
TrW
Heute vor allem im Nordwesten, später auch im zentralen
Mittelgebirgsraum einzelne Gewitter, Unwetterpotenzial eher gering. Nachts und vor der Mitte nach Norden ausgreifend kräftige Gewitter, vor allem im Nordosten ab der zweiten Nachthälfte höhere Unwettergefahr.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
Freitag… hat uns die Großwetterlage „Trog Westeuropa“ weiterhin fest im Griff:
Einem umfangreichen Langwellentrog über Westeuropa, der sein Drehzentrum allmählich aus dem Raum Schottland ins Seegebiet südlich von Island verlagert, steht ein vom zentralen Mittelmeerraum bis ins östliche Mitteleuropa reichender Höhenrücken gegenüber. Daraus resultiert über Deutschland eine recht kräftige südwestliche Höhenströmung. In diese eingebettet, verlagert sich bereits am Vormittag und Mittag ein markanter Kurzwellentrog über Benelux und Nordwestdeutschland hinweg rasch nordostwärts. Kräftige PVA bietet – unterstützt
durch WLA – vor allem im Westen und Nordwesten des Landes ab den kommenden Stunden einen markanten Hebungsimpuls.
Im Bodenfeld weitet sich im Tagesverlauf eine flache Tiefdruckrinne von Frankreich her bis zum Nachmittag nach Nordwestdeutschland aus. Innerhalb derer kommt es im Bereich eines schwach konvergenten Windfeldes in einem recht schmalen Streifen zu einer Feuchteanreicherung in der Grundschicht, wobei die ML-Cape auf etwa 500 bis 1000 J/kg, gebietsweise auch etwas darüber, ansteigt bei PPW-Werten um 30 mm. Auch, wenn der Hebungsimpuls zeitlich nicht perfekt mit
der Feuchteanreicherung überlappt (am Nachmittag ist der Trog praktisch durch und es setzt leichtes Absinken ein), simulieren mehr oder weniger alle Konvektion erlaubenden Modelle etwa ab den Mittags- oder frühen Nachmittagsstunden erste Auslöse, meist im Bereich
Münsterland/Ostwestfalen/südliches Niedersachsen. Entlang des leicht konvergenten Windfeldes, das trotz leichten dynamischen Absinkens weiteren Hebungsimpuls bietet, arbeiten sich die Gewitter nach Nordosten vor und erfassen
Teile des mittleren und nördlichen Niedersachsens sowie
Schleswig-Holstein, eventuell auch den Hamburger Raum. Bei über 20 m/s DLS sind – je nach Diskretheit der Zellen – auch unwetterartige Entwicklungen denkbar, C-D2 hat vereinzelt rotierende Aufwinde auf der Agenda, am ehesten über dem mittleren Niedersachsen, auch die Hodographen des Modells zeigen gebietsweise ein gutes „veering. Bei diskreten Zellen ist somit Unwetterpotenzial – in erster Linie aufgrund des Hagels (2 bis 3 cm sind schnell erreicht, mehr sollten es aufgrund der limitierten Cape aber nicht werden) gegeben, im Auge sollte auch der Wind behalten werden, da die Profile eine „inverted V“- Signatur zeigen, Sturm- und schwere Sturmböen (Micro- bzw. Downburst) sind also drin. Aufgrund der gut gekurvten Hodografen kann auch ein Tornado nicht ausgeschlossen werden, auch, wenn das hohe LCL eher dagegenspricht. Großräumig gesehen ist die Unwettergefahr
aber eher gering bzw. auch räumlich schwer erfassbar, so dass sich eine Vorabinformation bzgl. dieser konvektiven Entwicklung wohl nicht lohnt. Mit der sich wieder verstärkenden südsüdwestlichen Überströmung der Alpen setzt dort wieder (leichter) Föhn ein, wobei sich im Alpenvorland ein Lee-Tief ausbildet. An dessen West- und Nordflanke wird vor allem aufgrund von WLA Hebung
induziert. Das hat einerseits eher skaligen Regen zur Folge, der auf den Westen/Südwesten übergreift und an eine Art Höhenwarmfront gekoppelt ist. Im Bereich dieser Warmfront kann es zum Abend hin vor allem im zentralen, eventuell
auch im südwestdeutschen Mittelgebirgsraum, also in einem Streifen, wo auch ML-Cape zur Verfügung steht, ebenfalls zur Auslöse reichen. Dabei fallen die Modellsimulationen allerdings noch recht uneinheitlich aus. Die in diesem Fall auftretenden Gewitter haben ähnliche
Umgebungsbedingungen wie die weiter nördlich, also Unwetter nicht ausgeschlossen, aber eher nur ganz vereinzelt auftretend.
Die höchste Cape kann sich unter dem Föhndeckel über Südbayern ansammeln (teils um die 3000 J/kg), dort ist Auslöse aber unwahrscheinlich (wenn doch, kann es auch unwetterartige Entwicklungen geben, momentan hat aber kein Modell Konvektion im Programm). Auf exponierten Gipfeln sind im Tagesverlauf Sturmböen aus Süd möglich, in einzelnen dafür
prädestinierten Tälern kann es Böen Bft 7 geben.
Während es im Westen teils bewölkt bleibt, scheint vor allem im Osten und Süden meist die Sonne. Die WLA kann sich auch niedertroposphärisch durchsetzen, so dass die Temperaturen in 850 hPa auf Werte zwischen 11 Grad an der Nordsee und (föhnverfälschte) 23 Grad im Süden Bayerns steigen. Das hat Höchstwerte zwischen
26 und 33 Grad zur Folge, die höchsten Werte in der Lausitz und in Südbayern; im
Nordseeumfeld bleibt es etwas kühler.
In der Nacht zum Samstag verlagert sich ein weiterer Kurzwellentrog über das Vorhersagegebiet nordwärts, dabei steilt die Strömung etwas auf. Erneut ist – vor allem im Zusammenspiel mit der WLA – besonders über der Mitte und dem Norden
Deutschlands markanter Hebungsimpuls geboten.
Im Bodenfeld kann sich das Lee-Tief von den Alpen lösen und zieht bis Samstagfrüh in die Osthälfte Deutschlands. Damit ergibt sich eine brisante Mischung: Über einer feuchten Grundschicht (PPW-Werte über 30, ab dem zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum nordwärts über 35 mm) befindet sich eine ziemlich breite EML (laut Prognosesoundings teilweise bis 550 hPa) woraus sich Lapse Rates zwischen 2 und 4 km von teilweise nahe 9K/km ergeben. C-D2 simuliert
somit gebietsweise über 1500 J/kg MU-Cape. Im Bereich der Nordflanke des Tiefs wird durch die Drehung des Bodenwindes auf östliche Richtungen zudem markante Scherung in den unteren 4 km generiert, die Hodographen zeigen ein ausgeprägtes Veering bei Winden in 850 hPa von gebietsweise über 25 kn. Mit der markanten Hebung kommt es wohl recht verbreitet zu Auslöse, ausgehend vom zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum und rasch nach Norden vorarbeitend. Vor allem bei diskreten Entwicklungen ist – trotz der ungünstigen „Tages“zeit – auch in der zweiten Nachthälfte bzw. in den Frühstunden größerer Hagel denkbar. Im Falle eines MCS, der mit fortschreitender Nacht immer wahrscheinlicher wird, tritt natürlich das Starkregenkriterium in den Vordergrund, auch in extremer Form. Bei
Bow-Segmenten kann es natürlich auch schwere Sturmböen geben. Gegen Tornados spricht eigentlich nur die ungünstige Tageszeit – so eine brisante Mischung am späten Nachmittag und Abend und es gäbe einen regionalen Outbreak, wie er über Mitteleuropa sehr selten vorkommt. So bleibt das Tornadopotenzial aber sehr gering. Die Ausgabe einer Vorabinformation für den Nordosten des Landes ist somit wahrscheinlich. Die dynamische Hebung macht sich natürlich auch weiter westlich bemerkbar, allerdings wohl „nur“ in Form schauerartigen Regens, in den aber durchaus auch Gewitter (mit kleinkörnigem Hagel) eingelagert sein können. Gebietsweise tritt Starkregen auf, teilweise über mehrere Stunden. Die Modelle simulieren die stärksten Entwicklungen allerdings über Nordfrankreich und Benelux, so dass wohl
nur der Westen des Landes davon tangiert wird.
Im Süden und ganz im Nordwesten des Landes verläuft die Nacht dagegen wettertechnisch ruhig, mal abgesehen vom Föhn mit Sturmböen auf exponierten Alpengipfeln.
Samstag… verlagert sich der Kurzwellentrog allmählich ins nördliche Mitteleuropa, ein weiterer Kurzwellentrog greift abends auf die Alpen über. Das Bodentief zieht nach Polen, wobei eine Tiefdruckrinne weiterhin bis nach Nordost- und Norddeutschland reicht (mit steifen Böen aus Ost im Ostseeumfeld). Darin eigebettet ist eine nach wie vor potenziell instabile Luftmasse mit einer ML-Cape von gebietsweise über 2000 J/kg im Nordosten bzw. ganz im Osten bei PPW-Werten von über 35 mm. Rückseitig des abziehenden MCS (der bis in den Vormittag hinein im Nordosten durchaus noch zu unwetterartigen Erscheinungen führen kann) setzt erst einmal eine deutliche Wetterberuhigung ein. Erneut „zünden“ könnte es dann entlang einer Outflow Boundary, die aus dem MCS nach Süden in die Tiefdruckrinne läuft und innerhalb des dort bodennah konvergenten Windfeldes genügend Hebungsimpuls von unten bieten dürfte. C-D2 und SuperHD simulieren beide Neuentwicklungen im Laufe des Nachmittags von Schleswig-Holstein bzw. dem nördlichen Niedersachsen südostwärts bis nach Brandenburg. Mit der verfügbaren Hebung dürften auch diese Zellen rasch wieder zu einem linienförmigen MCS organisieren. Das Scherungsumfeld ist nicht so optimal wie am Vortag, dennoch ist vor allem in punkto Starkregen und auch Hagel
von unwetterartigen Entwicklungen auszugehen. Die Gewitter verlagern sich bis zum Abend Richtung Polen und Ostsee.
Im Westen und Süden des Landes sowie in den mittleren Landesteilen sorgt erst einmal ein Bodenhochkeil sowie ein flacher Höhenrücken für eine gewisse Wetterberuhigung, der Föhn an den Alpen bricht (mit Durchzug einer Druckwelle und eventuellen Böen Bft 7 bis 8 aus West) am Vormittag zusammen. Dennoch ist die Luftmasse vor allem im Südwesten weiterhin labil geschichtet, so dass es – ausgehend vom Bergland – für einzelne Gewitter (mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen) reichen könnte. Interessanter wird es erst am späteren Nachmittag und Abend ganz im Süden. Mit Annäherung des oben erwähnten Kurzwellentroges ist dort Hebungsantrieb geboten, der quasi zusammengebrochene Föhn wirkt kaum mehr hemmend. ML-Cape (meist unter 1000 J/kg) und Scherung sind dort zwar limitiert, dennoch dürfte es recht verbreitet Schauer und Gewitter geben. Bei PPW-Werten zwischen 25 und 30 tritt dort Starkregen in den Fokus (Unwetter nicht ausgeschlossen), auch 1 bis 2 cm Hagel kann es durchaus geben, größeren Hagel (also mit Unwetterpotenzial) bleibt wohl eher die Ausnahme.
Von Westen her weitet sich im Tagesverlauf eine deutlich gemäßigtere Luftmasse ostnordostwärts aus, bis zum Abend sinken die Temperaturen in 850 hPa auf Werte zwischen 8 Grad am Niederrhein und 14 Grad an der polnischen Grenze. Das reicht noch für Höchstwerte zwischen 22 Grad ganz im Westen und knapp über 30 Grad im Sonnenfenster in der Lausitz, vielleicht auch noch in Südostbayern.
In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der Kurzwellentrog über dem Alpenraum nur langsam nach Norden, verliert aber allmählich an Kontur. Vor allem im Südwesten und Süden bietet er noch genügend Hebungsantrieb für schauerartige, mit Gewittern durchsetzte Regenfälle, auch ein MCS ist denkbar. Vor allem ICON-EU simuliert im Südwesten Regenmengen bis in den Unwetterbereich, GFS eher im ostbayerischen Mittelgebirgsraum, bei IFS reicht es nur für markante Mengen. Auch, wie weit sich diese Niederschläge nach Norden ausweiten, ist noch unklar. GFS lässt sie sogar bis in den Nordwesten Deutschlands ziehen, ICON und IFS beschränken sie auf die Südhälfte.
Im Norden und Osten des Landes setzt dagegen – nach Abzug der letzten Gewitter –
Wetterberuhigung ein und die Wolken lockern auf.
Sonntag… bleibt der Kurzwellentrog – mehr oder weniger als Randtrog, ausgehend
vom umfangreichen Höhentrog über dem Ostatlantik mit Drehzentrum westlich von Schottland – weiterhin nach Süddeutschland bzw. zu den Alpen gerichtet und bietet auf seiner Vorderseite weiterhin – wenn auch mit abnehmender Tendenz – Hebungsantrieb. Im Bodenfeld weitet sich zwar von Südwesten her ein Hochkeil nach Deutschland aus, dennoch reicht die Hebung nach wie vor für schauerartige, teils gewittrige Regenfälle, die sich eventuell auch auf die Mitte Deutschlands (nach GFS auch weiterhin bis nach Norddeutschland) ausweiten bzw. dort mit etwas
Einstrahlung und Labilisierung der Luftmasse in Gang kommen. Unwetterpotenzial ist dabei aber so gut wie gar nicht mehr gegeben. Im Norden und Osten steht ansonsten ein wettertechnisch ruhiger Tag ins Haus. Neben lockeren Quellwolken scheint dort auch die Sonne. Die Temperatur in 850 hPa bewegt sich innerhalb der eingeflossenen Biskayaluft zwischen 7 und 10 Grad,
was Höchstwerte zwischen 21 und 26 Grad erwarten lässt (je nach Sonne), im Nordseeumfeld bei etwas auffrischendem Südwestwind ein wenig darunter.
In der Nacht zum Montag verliert der Randtrog mehr und mehr an Kontur, vorderseitig eines nach Frankreich schwenkenden flachen Höhenrückens dominiert zunehmend Absinken. Im Bodenfeld führt das zu Druckanstieg und es baut sich ein abgeschlossenes, von Frankreich bis in den Norden und die Mitte Deutschlands reichendes Hochdruckgebiet auf. Die Schauer und Gewitter klingen abends und im Laufe der Nacht somit rasch ab und die Wolken lockern zunehmend auf, gebietsweise bildet sich Nebel.
Modellvergleich und -einschätzung
Alle vorliegenden Modelle zeigen im Kurzfristzeitraum eine ähnliche Wetterentwicklung. Naturgemäß ergeben sich bzgl. der konvektiven Niederschläge noch größere Abweichungen, auch die kommende Nacht betreffend. Die meisten Modelle haben zwar die unwetterartige Entwicklung im Nordosten auf der Agenda, vor allem EURO4 schießt aber etwas quer und simuliert die stärksten Zellen in den Frühstunden des Samstags im Nordwesten Deutschlands. Mit der Ausgabe der
Vorabinformation wird somit noch etwas gewartet, wahrscheinlich bis zum 9 UTC-Lauf des C-D2 (gegen Mittag).
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff