SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 19.05.2019 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Örtlich Gewitter mit Starkregen und Hagel, von Südosten her Übergang in teils länger anhaltenden und ergiebigen Dauerregen (UNWETTER). An den Alpen extremes UNWETTER.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
Aktuell … liegt Deutschland auf der diffluenten Vorderseite eines umfangreichen Höhentiefs, das sein Zentrum vom Löwengolf allmählich nach Korsika
verlagert. Dabei schwenkt ein markanter Randtrog von der Adria Richtung Tschechien. Dessen PVA bedingter Hebungsantrieb greift in den nächsten Stunden auf Süddeutschland über und führt letztlich dazu, dass die sumpfartige Tiefdrucklage am Boden immer mehr Strukturen bekommt. Das Tief mit Kern über Bayern (nahe 1000 hPa) hebt sich dabei
synoptisch-skalig immer mehr von den kleinen Mesotiefs in dessen Umfeld ab und zieht bis zum Morgen langsam nach Böhmen. In der vorherrschenden mäßig-warmen und feuchten Luftmasse (Theta850 bei
rund 40 Grad, T850 etwa 10 Grad), die ursprünglich vom Schwarzen Meer zu uns advehiert wurde, bleibt damit einhergehend in Süddeutschland die Gewittertätigkeit noch länger aufrecht. Zur zweiten Nachthälfte hin nehmen die Niederschläge aber weitgehend nichtelektrische, schauerartige Form an. Das COSMO-D2 EPS liefert dahingehend 6-stündig bis 0 UTC sogar noch Starkregensignale über der Schwäbischen Alb mit teils mehr als 50% für über 20 l/qm. Durch die Verclusterung der Gewitter ist das durchaus plausibel, aber letztlich durch zeitlich und räumlich gestaffelte Gewitterwarnungen „erschlagen“. Im Rest des Landes fällt die Konvektion langsam aber sicher dem Ende des Tagesgangs und dem fehlenden Antrieb aus der Höhe zum Opfer. Bei nur schwacher Luftbewegung bildet sich bei längeren Auflockerungen lokal dichter Nebel beziehungsweise breitet sich als Seenebel (Taupunkte größer gleich 12 Grad, was in etwa auch den Wassertemperaturen entspricht) mit dem Nordostwind wieder landeinwärts nach MV, SH und ins nördliche NDS aus.
Montag … bildet sich im Bereich des über Südtschechien angelangten Randtroges ein eigenständiges Drehzentrum auch in der Höhe aus, so dass das Höhentief effektiv eine Dipolstruktur mit dem übrigen Kern dicht östlich von Korsika annimmt. Insofern entwickelt sich eine Vb-artige Situation, deren Folge für derartige Wetterlagen bestens bekannte Begleiterscheinungen mit sich bringt. An der West- und Nordflanke des nördlichen Kerns greifen im Tagesverlauf starke Hebungsprozesse auf die Südosthälfte Deutschlands über. Diese werden neben der weiterhin wirksamen, trogvorderseitigen positiven Vorticityadvektion durch ein erneutes „Anzapfen und Rumholen“ feucht-warmer Subtropikluft über Polen und der Ukraine und damit WLA gespeist. Diese verläuft zwischen 1000 und 500 hPa recht kontinuierlich, so dass sie aus der labilen Schichtung kaum Dampf rausnimmt. Im Einklang dazu stellt sich eine (wenn auch vergleichsweise schwache) Gegenstromsituation mit bodennahen nordwestlichen Winden im Vergleich zu östlichen Höhenwinden ein. Lange Rede kurzer Sinn: Etwa ab den Mittagsstunden greift von Tschechien ein gewittriges Starkregenband auf den Osten und Südosten Deutschlands über. Der Warmlufteinschub lässt die PPW’s auf 30 bis 35 mm ansteigen, CAPE geht hoch auf über 500 J/kg und das bei leichter, aber immerhin etwas stärkerer Scherung nahe 15 m/s zwischen 0 und 6 km. Im Westen und Südwesten bleiben die Luftmasseneigenschaften der Vortage (PPW um 25 mm, CAPE wenige 100 J/kg) erhalten, so dass auch dort im Tagesverlauf vom Bergland ausgehend wieder einige
Schauer und Gewitter ausgelöst werden – Schwerpunkt der
Begleiterscheinungen erneut mit Fokus auf Starkregen und kleinkörniger Hagel samt Ansammlungen. Richtung Alpenrand ist die Schichtung weniger labil (keine Einstrahlung, fortwährende Niederschlagsabkühlung), so dass dort die Niederschläge immer mehr skaligen Charakter annehmen. Durch die bereits erwähnte Staukomponente (Nordwestwinde in der unteren Troposphäre) und einer quasistationären Wetterlage
in den kommenden Stunden wird eine Unwetterwarnung vor Dauerregen weite Teile Süddeutschlands (an den Alpen extremes Unwetter) unumgänglich. Zudem erhöht sich
das Niederschlagsdargebot noch durch das Abtauen der oberhalb etwa 1500 Metern noch teils üppig vorhandenen meterhohen Schneedecke. Die Schneefallgrenze liegt tagsüber bei rund 2000 Metern. Summa summarum sind in einem Streifen vom nördlichen Brandenburg über Thüringen bis zum Alpenrand 20 bis 30 l/qm binnen 12
Stunden zu erwarten. Die Signale für einen schmalen Streifen mit gewittrigem Starkregen bis in den Unwetterbereich (>35 l/qm binnen 6 Stunden) sind sowohl nach dem deterministischen 12z Lauf des Euro4 als auch nach COSMO-D2-EPS (um die
40%) erhöht.
Im hohen Norden bleibt es „dank“ kühlenden Nordostwinds (kalter Fuß) nach Auflösung der Nebelfelder meist freundlich und trocken. Die Höchstwerte erreichen im Dauerregen und an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind rund 15 Grad, sonst schwül-warme 18 bis 23 Grad. Der Wind frischt an der Südwestflanke des Tiefs über Süddeutschland in den Abendstunden etwas auf und es kommt zu starken Böen, exponiert im Bergland auch zu Sturmböen.
In der Nacht zum Dienstag…bleibt das wetterbestimmende Tief, das in der oberen
Troposphäre noch einen leichten Versatz aufweist und damit noch nicht achsensenkrecht ist, schwerpunktmäßig über dem Dreiländereck Tschechien- Österreich-Deutschland liegen. Ein flacher Randtrog, an den auch das PVA Maximum
gekoppelt ist, schwenkt an dessen Nordflanke südwestwärts. Damit konzentrieren sich die stärksten Hebungsvorgänge auf einen Streifen vom Harz bis zum Hochrhein
und den Alpen – allesamt in einem strömungsparallelen Umfeld. In einem Streifen vom Harz bis zum Odenwald sowie an den Alpen und dessen Vorland sollten 24-stündige Niederschlagssummen zwischen 40 und 70 l/qm, lokal um 100 l/qm bereits überschritten sein. Der Wind nimmt durch den Leitplankeneffekt in Süddeutschland noch etwas zu, so dass auch in tieferen Lagen vermehrt Windböen, auf den Alpengipfeln bis hin zu schweren Sturmböen oder orkanartigen Böen auf.
Dienstag … verlagert sich das Höhentief höchstens geringfügig ostwärts und auch das Bodentief verändert seine Lage kaum. Allerdings kristallisiert sich ein
neuer Schwerpunkt nahe der Neiße heraus. An der Westflanke des Bodentiefs dauert
die WLA über weiten Teilen Deutschlands an, schwächt sich aber langsam ab und auch die PVA ebbt mit Erreichen der Alpen des Kurzwellentrogs ab. Etwas steigender Luftdruck über den Britischen Inseln sorgt für auffrischenden Nordwestwind und so wird in den untersten Schichten Nordseeluft advehiert, was im Tagesverlauf zu einer Stabilisierung führt. So ziehen sich die teils kräftigen Regenfälle zunehmend in den Süden und Südwesten Deutschlands zurück.
Im Alpenraum dauert somit die Unwettersituation durch Dauerregen an. Bis zum Abend sind weitere 20 bis 40, in Staulagen bis 60 l/qm zu erwarten. Im Osten Deutschlands kommt es auf der Rückseite des Niederschlagsbandes zu Auflockerungen (der Ausdruck postfrontales Absinken verbietet sich leider), weshalb in der nach wie vor potentiell labil geschichteten und feuchten Troposphäre etwas CAPE generiert wird. Von Franken bis nach Vorpommern sollten sich in diesem Zusammenhang im Tagesverlauf lokale Schauer und Gewitter entwickeln mit Schwerpunkt abermals auf den Starkregen bei PPW’s zwischen 25 und
30 mm und nur langsamer Verlagerungsgeschwindigkeit. Vereinzelter Starkregen bis
in den Unwetterbereich lässt sich nicht ausschließen. Mehr als pulsierende Multizellen lässt die limitierte Scherung aber nach wie vor nicht zu.
In den zuletzt genannten Gebieten bleibt es mit 20 bis 24 Grad ähnlich warm wie an den Vortagen. Sonst werden bei vielfach starker Bewölkung 15 bis 19 Grad, an den Alpen 11 bis 14 Grad erreicht. Der Wind weht abgesehen von starken bis stürmischen Gewitterböen meist schwach bis mäßig. Mit dem o.e. Druckanstieg aus Westen sind aber auch in exponierten Lagen im Westen einzelne steife Böen aus Nordwest bis West möglich.
In der Nacht zum Mittwoch…liegt der Schwerpunkt des wetterbestimmenden Tiefs über Masuren. An dessen Westflanke sorgt leichte WLA über dem Osten des Landes für schauerartige, aber nur noch selten gewittrige Regenfälle. Die Niederschläge
an den Alpen setzen sich unter abnehmender Intensität weiter fort, sind in erster Linie aber „nur noch“ staubedingter Natur. Im Westen sorgt ein flacher Höhenkeil für Wetterberuhigung. Auflockerungen bleiben in der feuchten Grundschicht und der nach wie vor nordwestlichen Anströmung aber Mangelware.
Mittwoch … nähert sich von der Nordsee ein Kaltlufttropfen, der spätestens wohl in der Nacht zum Donnerstag die Westströmung in der Höhe etwas anfacht und das Unwettertief über Polen ostwärts abdrängt. Damit endet auch die Unwetterdauerregenlage an den Alpen und es fallen nur noch wenige Liter. Über dem Westen und Südwesten steigt der Druck auf der Vorderseite eines Rückens über
Frankreich doch deutlich an, so dass es dort bei längeren Auflockerungen weitgehend trocken bleiben dürfte. Von Nordwesten wird zwar etwas kühlere Luft mit 850 hPa Temperaturen unter 5 Grad eingesteuert, was aber durch die zunehmenden Sonnenscheinanteile kompensiert wird und sich daher bei Höchstwerten
zwischen 15 und 20 Grad nicht wiederspiegelt.
Modellvergleich und -einschätzung
In Anbetracht der komplexen Lage sind die Modelle doch erfreulich konsistent und
ohne gravierende Diskrepanzen. Unterschiede ergeben sich vor allem noch hinsichtlich der konvektiv geprägten Niederschläge – gerade am Montag. Die konvektionserlaubenden Modelle liefern dabei deutliche Hinweise auf einen unwetterartigen Starkregenstreifen über der Mitte des Landes, dessen genau Position und Stärke aber noch zu unscharf für eine entsprechende Warnung ist, weshalb diese Entscheidung noch auf die Frühläufe verschoben wird – eventuell gar erst im Nowcasting zu lösen ist. Die extreme Unwetterlage an den Alpen erscheint dagegen vergleichsweise sicher.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen