S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.03.2020 um 10.30 UTC

Schon wieder ein markanter Kaltlufteinbruch – diesmal sogar mit nennenswertem
Schnee (am ehesten an den Alpen).

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 01.04.2020

Unterkühlte Temperaturen, knackige Nachtfröste – im Winter würden sich viele
sicherlich darüber freuen. Aber heuer hat man sich doch irgendwie mental schon
auf wärmeres Wetter eingestellt und T-Shirt und kurze Hosen parat gelegt, oder?
Eigentlich fehlt nur noch der Schnee, um die Saison gänzlich ad absurdum zu
führen. Was jetzt wie Sarkasmus klingt, ist leider (mir sei da mal eine Wertung
erlaubt) ernster gemeint, als es vielleicht scheint. Das zeigt der Blick gen
Mittelfrist, wo – im wahrsten Sinne des Wortes – mit Hochdruck an
spätwinterlichem Wetter gearbeitet wird.

Das blockierende Hoch JÜRGEN, das uns den jetzigen Kaltlufteinbruch beschert,
zieht sich am Wochenende zwar hinter den Ural zurück, doch für einen
standesgemäßen Nachfolger ist gesorgt: Massive, meridionale, in Richtung
Labradorsee und Grönland gerichtete WLA lässt eine mächtige Höhenantizyklone mit
Schwerpunkt südwestlich Island entstehen. Am Boden kann sich dadurch quasi
achsensenkrecht ein nicht minder bombastisches Hoch mit dem Namen KEYWAN auf
über 1050 hPa aufpumpen. Zwischen JÜRGEN und KEYWAN stößt als Ausgleich kräftige
KLA vom Europäischen Nordmeer über Skandinavien gen Mittel- und Osteuropa. Die
dadurch forcierte Austrogung zerstört die am Samstag anfangs noch wirksame Hoch-
und Geopotenzialbrücke zwischen JÜRGEN und KEYWAN. Durch die zunehmend positive
Neigung dauert es allerdings eine Zeitlang, bis die Achse Deutschland erreicht.
Das führt auch dazu, dass die vorgelagerte Kaltfront eines Tiefs über der
Barentssee am Samstag zunächst eher flach, antizyklonal und daher wenig
wetterwirksam den Norden Deutschlands erreicht. Am Sonntag allerdings wird sie
dann durch den Trog aktiviert, sodass vor allem über der Mitte und dem Süden
Niederschläge aufkommen. Nach IFS00Z-Lesart bleibt Südost bis Sonntagabend noch
präfrontal (T850 >0 Grad), postfrontal geht T850 in einsickernder maritimer
Arktikluft rasch auf -1 bis -10 Grad zurück. Das bedeutet., dass die
Niederschläge im Süden zunächst zwar bis in die höheren Lagen als Regen fallen,
Richtung zentralen Mittelgebirgsraum (auch begünstigt durch den
Anafront-Charakter) dann aber schnell bis in tiefere Lagen in Schnee übergehen,
inklusive Ausbildung einer dünnen Schneedecke zumindest ab den mittleren Lagen.
Mit Kaltfrontdurchgang ist eine recht kräftige Druckanstiegswelle verbunden,
sodass der auf Nord drehende Wind in Böen vorübergehend stark, eventuell auch
stürmisch auffrischt.

Zu Beginn der kommenden Woche tropft der Trog über Westeuropa wahrscheinlich ab,
die Verlagerung des resultierende Cut-Off ist aber noch recht unsicher. Nach
IFS00Z zieht es von Frankreich über die Biskaya und Nordostspanien vor die Küste
Portugals. Das Trogresiduum schwenkt südostwärts über Deutschland hinweg.
Dahinter streckt KEYWAN seine langen Ärmchen in Form eines Rückens nach
Mitteleuropa, was am Boden zur Ausbildung eines Hochkeils führt. Die Kaltfront
wird dabei zu den Alpen gedrückt, wo sie dann aber durch eine kräftige, durch
das Cut-Off forcierte Zyklogenese über Südwesteuropa zurückgehalten wird. An den
Alpen sowie im angrenzenden Vorland halten die Niederschläge daher noch eine
Zeitlang (bis in den Dienstag hinein) an, auch unterstützt durch eine zunehmende
Staukomponente. 48-stündige Mengen zwischen 10 bis 20, an den Alpen in Staulagen
20 bis 40 mm scheinen im Bereich des Möglichen. Da sich die Arktikluft auch im
Süden durchsetzt (T850 zwischen -6 an den Alpen und, bitte anschnallen, -12 Grad
in Vorpommern) fällt ein größerer Teil davon als Schnee. Markante
Neuschneemengen sind somit nicht nur in oder unmittelbar an den Alpen, sondern
auch im angrenzenden höheren Alpenvorland ins Kalkül zu ziehen. Im übrigen Land
lassen die Niederschläge unter Hochdruckeinfluss rasch nach. Da die Luft durch
das Absinken und den längeren Fetch über das Skandinavische Gebirge hinweg immer
mehr abtrocknet, stehen die Chancen auf längeren Sonnenschein, allerdings auch
wieder mäßige Nachtfröste nicht schlecht.

Zur Wochenmitte sorgt der Keil allgemein für ruhiges Wetter, wobei sich die Luft
in der unteren Troposphäre vor allem nach Süden zu deutlich erholt. Das macht
sich aber allenfalls am Tage durch etwas höhere (immer noch eher kühle) Tmax’e
bemerkbar, die Nächte bleiben verbreitet frostig mit der Gefahr von strengem
Frost über Schnee an den Alpen.

In der erweiterten Mittelfrist deutet vieles auf einen Trogvorstoß Richtung
West- oder Mitteleuropa hin, was wieder unbeständigeres, eher kühles und, je
nach Lage der Trogachse, im höheren Bergland eventuell winterliches Wetter
bedeuten würde.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

IFS rechnet die Entwicklung der Großwetterlage hin zu einer kalten,
vorübergehend auch zyklonalen Nordost- bis Nordlage sehr konsistent. Die
Unschärfen im Timing des von Norden vorstoßenden Troges sind zwischen den
jüngsten Modellsimulationen gering geworden, sodass sich keine nennenswerte
Prognoserelevanz mehr daraus ableiten lässt.
Auch was die Ausbildung einer Hochdruckbrücke zu Beginn der kommenden Woche mit
damit einhergehende Wetterberuhigung und Abtrocknung der Luftmasse, allerdings
auch wieder verbreiteten mäßigen Nachtfrösten angeht, rechnen die letzten
IFS-Läufe recht kongruent.
Etwas weiter laufen die Simulationen in der erweiterten Mittelfrist ab
Wochenmitte auseinander, wenngleich alle Varianten den Übergang zu einer wieder
zyklonaleren Troglage gemein haben.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Nennenswerte Unterschiede zwischen IFS und den anderen betrachteten
Globalmodellen zeigen sich erst zu Beginn der kommenden Woche. Es scheint nicht
ganz klar zu sein, wo und wie der Trog über Westeuropa abtropft, wo sich das
Cut-Off einnistet und wie schnell das Residuum über Deutschland hinwegschwenkt.
NAVGEM sieht es wie IFS, bei GFS, ICON und UKMO bleibt zwischen dem Cut-Off und
dem Residuum dagegen eine Potenzialrinne bestehen, sodass der nachfolgende
Rücken über Nord- und Ostsee liegen bleibt. Dies würde an den Alpen noch etwas
länger anhaltende Niederschläge (Schneefälle) bedeuten, im Rest des Landes eine
stramme Ostströmung (mit teils starken bis stürmischen Böen und nicht zu
vernachlässigendem Windchill), anstatt Wetterberuhigung.
Dies hat natürlich auch einen Einfluss auf den neuerlichen Trogvorstoß ab
Wochenmitte. Bei GFS und ICON wird er durch den Rücken über Nord- und Ostsee
blockiert, dagegen macht sich das Cut-Off wieder auf den Weg nach Nordosten und
könnte Deutschland von Süden und Südwesten her wieder beeinflussen. So oder so,
die Zeichen stehen auf eher leicht unbeständiges Wetter in der erweiterten
Mittelfrist.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das IFS-EPS bestätigt im Wesentlichen das oben skizzierte, an IFS00Z angelehnte
Szenario.

Die Rauchfahnen von T850 und H500 für ausgewählte deutsche Städte verdeutlichen
den Trogvorstoß am Wochenende (H500 mit Minimum Sonntagabend, Nacht zum Montag)
mit damit einhergehendem Kaltlufteinbruch (T850 im Median im Norden von +3 auf
knapp unter -10 Grad, im Süden von +6 auf knapp über -10 Grad absinkend). Der
Spread ist jeweils ziemlich gering, was auf nur noch geringe Unsicherheiten
bezüglich des Timings des Trog- und Kaltluftvorstoßes hindeutet. Passend zur
Aktivierung der Front flammen die Niederschlagssignale Sonntag und Montag vor
allem im Süden deutlich auf.

Im weiteren Verlauf zu Beginn der kommenden Woche nimmt der Spread zwar etwas
zu. Zumindest bei der Temperatur zeichnet sich aber deutlich ein Cluster ab, in
den auch der deterministische Lauf und der Kontrolllauf eingebettet sind. Dieser
zeigt eine langsame, aber stete Erholung von T850 bis Wochenmitte (Erwärmung
durch Absinken und längeren Fetch über das Skandinavische Gebirge). Bei H500
hält es der Großteil der Member auch wie IFS00Z und sieht einen raschen Anstieg
des Geopotenzials bis einem lokalen Maximum am Dienstag/Mittwoch (Rücken von
KEYMAN mit Achse über Deutschland -> Wetterberuhigung). Andere sehen diesen
Anstieg verzögert und schwächer (Trogresiduum verharrt über Deutschland ->
GFS/ICON-Szenario).

Für den Zeitraum +72-96h (Sa-So) werden 5 Cluster angeboten, die alle eine
Regime-Transformation von „Blocking“ zu „Atlantik Ridge“ vollziehen (KEYWAN
übernimmt das Zepter). 4 Cluster (46/51 Member) unterscheiden sich fast
überhaupt nicht, bei einem Cluster (5/51 Member) läuft der Trog weiter östlich
ab, sodass Deutschland zunächst nur gestreift wird.
Im Zeitraum +120-168h (Mo-Mi) schrumpft das EPS auf 4 Cluster, die alle in der
Klasse „Atlantik Ridge“ verharren. Bei Cluster 1 und 3 (29/51, inklusive det.
Lauf) zieht das Trogresiduum rasch ab, sodass sich der nachfolgende Rücken
durchsetzen kann (Wetterberuhigung), bei Cluster 2 und 4 bleibt eine
Potenzialrinne über Deutschland erhalten, die nachfolgend sogar regeneriert wird
(sei es durch den sich wieder annähernden Cut-Off oder den neu von Nordwesten
hereinstoßenden Trog -> GFS/ICON-Szenario).

FAZIT: Der Kaltlufteinbruch am Wochenende bis zu Wochenbeginn ist in Sack und
Tüten.
Unklar ist, ob sich danach landesweit eine (vorübergehende) Wetterberuhigung
durchsetzt oder ob die Potenzial-Rinne respektive das Cut-Off den unbeständigen
und windigen Wettercharakter ein Stück weit am Leben hält.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

EFI:
Der EFI unterstreicht den Kaltlufteinbruch mit Höhepunkt am Montag. EFI liegt
für die 2-m-Temperatur zwischen -0.5 und -0.6.
Signale für eine Windlage gibt es am Sonntag an den Küsten und ganz im
Nordwesten (EFI 0.5-0.6), am Montag ganz im Südwesten (EFI<0.5, aber SOT >0.3).
Für ungewöhnliche Niederschlagsmengen springt der EFI in geringem Maße für den
Alpenrand am Sonntag an (EFI 0.5, SOT>0.3).

STURM:
Am Sonntag rechnen alle vorliegenden probabilistischen Modelle mit geringen
Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen (Bft 8) an den Küsten und ganz im
Nordwesten.
Am Montag simuliert das IFS-EPS mit geringen Wahrscheinlichkeiten für stürmische
Böen (Bft 8) im Südwesten („Bise“).
Bis Wochenmitte geringe Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen (Bft 8-9) in
Kammlagen der süddeutschen Mittelgebirge und der Alpen.

SCHNEE:
Beginnend ab der Nacht zum Montag bis Montagabend haben sowohl das COSMO-LEPS
als auch das IFS-EPS leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten (10-30%) für markante
Neuschneemengen (>15 cm/24 h) für den unmittelbaren Alpenrand im Programm. Bis
in das südliche Alpenvorland werden Wahrscheinlichkeiten zwischen 30 und 60% für
Neuschneemengen >10 cm/24 h simuliert. Ansonsten beschränken sich Signale für
nennenswerten, warnwürdigen Schnee (>5 cm/24 h) auf höhere Lagen der
Mittelgebirge (insbesondere der östlichen).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS (det.+EPS), IFS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser