SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.01.2020 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von SWz (Südwest zyklonal) zu HB bzw. BM (Hoch Britische Inseln
bzw. Brücke Mitteleuropa)

Heute und kommende Nacht Kaltfrontpassage mit deutlichem Luftmassenwechsel
(modifiziert subtropisch => polar maritim) und – man höre und staune –
winterlichen Features. Vor allem an und in den Alpen etwas Neuschnee.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein solides und vor allem
leicht progressives Trog-Keil-Muster. Es bringt uns in Deutschland – by the way

  • am Wochenende eine Pause des Januarfrühlings respektive ein Stutzen der
    Temperaturen auf Normalmaß, nicht mehr, nicht weniger. Immerhin, auch der
    Begriff „Schnee“, der mittlerweile schon ein Nachschlagen im Fremdwörterlexikon
    erfordert, taucht mal wieder in den Wetterberichten auf, ohne dass nun aber
    gleich der ganz große Winter ausbricht. Wir sind ja bescheiden geworden und
    Mann/Frau freut sich (vielleicht nicht jeder, aber viele), dass wenigstens im
    Bergland mal wieder etwas Schnee gemeldet wird.
    Zu den Fakten, die uns heute im besagten T-K-Muster genau zwischen den Stühlen
    unter einer südwestlichen Höhenströmung sehen, die im Zuge einer leichten
    Amplifizierung des sich von Westen langsam nähernden Höhentrogs etwas aufsteilt.
    Bemerkenswert ist die relativ weit nach Osten ausgreifende trogvorderseitige
    KLA, die – das sei schon mal vorweggenommen – den dynamischen Hebungsimpuls
    nicht unerheblich dämpft.
    Ansonsten fallen auf der Wetterkarte das jeweils mit den zugehörigen
    Potenzialstrukturen korrespondierenden Hoch und Tief ins Auge: DIRK (H) über dem
    nahen Osteuropa, Heile (T) heute früh nördlich von Schottland. Während sich der
    gute DIRK nicht gerade als Temperamentsbolzen entpuppt und von seiner
    angestammten Position nur wenig abweicht, zieht es Sturmtief HEIKE im Laufe des
    Tages zur Norwegischen See. Dabei füllt sie sich etwas auf von knapp unter 975
    hPa heute Morgen auf knapp unter 985 hPa zum Datumswechsel. Die zugehörige
    Kaltfront (derzeit sind es noch zwei mit einer vorlaufenden Kaltfront, die wegen
    ihres maskierten Charakters als Höhenfront analysiert wurde) greift in der
    zweiten Tageshälfte auf die westlichen Landesteile, von wo aus sie sich zwar
    langsam, aber auch genauso sicher nach Osten vorarbeitet. Sie bringt uns einen
    durchaus merklichen Luftmassenwechsel von milder, subtropisch angehauchter Luft
    hin zu maritimer Kaltluft polaren Ursprungs. Um das zu dokumentieren, eignet
    sich wie so oft die 850-hPa-Temperatur, die von etwa +2 bis +6°C am
    Freitagmorgen auf -1 bis -6°C am Samstagmorgen zurückgeht.
    Wettermäßig lässt sich der heutige Tag summa summarum noch eher als antizyklonal
    titulieren, auch wenn der Luftdruck stetig fällt. Wir starten verbreitet sonnig,
    auch wenn im Westen und Nordwesten schon erste Vorboten der zyklonalen Gebilde
    in Form hoher und mittelhoher Wolken gesichtet werden. Teile der
    Donauniederungen und Ostbayerns sowie der zentrale Mittelgebirgsraum haben
    hingegen mit einigen Nebel- oder Hochnebelfeldern zu kämpfen, die sich teilweise
    auch nur zögerlich auflösen werden. Im weiteren Verlauf nimmt die Bewölkung von
    Westen her weiter zu und gegen Mittag muss dann im Grenzbereich zu Benelux mit
    den ersten edlen „Tröpsche“ gerechnet werden. Bis zum Abend dürfte es dann
    zwischen Nordsee und Südbaden leicht regnen, teils auch mit Unterbrechung. Im
    Osten hingegen ist man davon noch weit entfernt, z.T. kommt dort noch nicht mal
    die vorlaufende hohe oder mittelhohe Bewölkung an. Die Temperatur erreicht noch
    mal Höchstwerte von 6 bis 13°C mit den Spitzen im Oberrheingraben, wohingegen
    Ostbayern gebietsweise nur auf 2 bis 5°C kommt.
    Thema Wind, der heute keine großen Schlagzeilen schreibt. Ein paar steife oder
    stürmische Böen 7-8 Bft in exponierten Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen, dazu
    etwas Böhmischer Wind in Sachsen (vor allem in den für Südostwind günstig
    geschnittenen Tälern wie z.B. Elbe, aber auch Neiße und Spree). Dabei kommt der
    Wind zunächst aus Süden oder Südosten, bevor er später im Westen allmählich auf
    Südwest dreht.

In der Nacht zum Samstag passiert die Kaltfront wie schon erwähnt den
Vorhersageraum ostwärts. Im Schlepptau führt sie den Höhentrog heran, der aber
südlich der Alpen abtropft und über dem Golf von Genua eine Zyklogenese in Gang
setzt. Dies sowie die Tatsache, dass das nördliche Trogresiduum dichter an die
Front heranrückt und somit deren Zusammenarbeit verbessert wird, sorgt
insbesondere im Süden (quasi im unmittelbaren Vorfeld der Trogspitze) für eine
Intensivierung der Niederschläge. Hebungs- bzw. Verdunstungsabkühlung sowie
fortlaufende KLA sorgen für ein allmähliches Absinken der Schneefallgrenze auf
etwa 800 bis 600 m, nach Westen hin noch etwas darunter (wenn dort allerdings
nicht mehr viel fällt). Während in den Hochlagen der Mittelgebirge nur
Überzuckerung stattfindet, bestenfalls 1-2 cm (häufig reicht eine
Glättewarnung), darf in den Alpen auf 2 bis 7 cm, in Staulagen des Allgäus sogar
mit 10 bis 15 Neuschnee gerechnet werden – wow!!
Bevor der Niederschlag in Schnee übergeht, hat bekommt der Südosten Bayerns (und
wenn es dumm läuft auch das Erzgebirge) wahrscheinlich ein vorübergehendes
Problem mit Glatteis. Die Grundschicht kühlt schneller ab als die untere
Troposphäre, so dass kurzzeitig mal die berühmt-berüchtigte „warme Nase“ in den
Soundings auftaucht. Gegen Morgen sollte der Spuk dann aber spätestens beendet
sein, wenn KLA und Hebungs-/Niederschlagsabkühlung die Schichtung quasi-isotherm
gebügelt haben und dann wohl nasser Schnee fällt.
Hinter der Kaltfront lockert die Bewölkung kurzzeitig mal auf, es folgt aber
alsbald ein Bodentrog (sowie der Höhentrog mit Kaltluft bis zu -35°C in 500 hPa)
nach, der mit einigen Schauern einhergeht (Norden, Westen). Über der Nordsee ist
vereinzelt sogar Blitz und Donner nicht gänzlich ausgeschlossen. Auch wenn nicht
viel fällt, in den Mittelgebirgen sollte man Glätte vor geringfügigem Schneefall
oder Schneematsch, teils aber auch durch gefrierende Nässe auf dem Schirm haben.
Mit dem Bodentrog frischt der weiter rechtdrehende Wind kurzzeitig etwas auf,
ohne dass die ganz große Warnerregung ausbricht. Wahrscheinlich wird man sogar
weitgehend ohne Warnungen auskommen, wenn man mal von den exponierten Hochlagen
(8-9 Bft; teils Einzelfall) absieht. In Sachsen lässt der Böhmische Wind von
Westen her allmählich nach.

Samstag… wird dann der gesamte Vorhersageraum vom Höhentrog bzw. dem, was noch
davon übrig ist (und das ist eine ganze Menge) vereinnahmt. Dabei werden wir von
hochreichend maritimer Polarluft geflutet, in der die 500-hPa-Temperatur auf -28
bis -36°C zurückgeht, während sich T850 um -5°C rankt. Allein die
Differenztemperatur zwischen diesen beiden Höhenniveaus zeigt eine nicht zu
unterschätzende Labilität der Luftmasse an, die letztlich in Schauer und sogar
vereinzelte kurze Graupelgewitter münden. Ohnehin muss man konstatieren, dass
bei dieser Höhenkaltluft Graupel bis ganz unten fallen kann und die
Schneefallgrenze bei rund 400 m anzusiedeln ist, +/- je nach Intensität.
Allerdings sind Schauerwahrscheinlichkeit respektive -frequenz über Deutschland
nicht gleichverteilt. So deutet die Numerik weitgehend einmütig ein
Konvektionsminimum im Osten und Nordosten, ein Maximum hingegen im Nordwesten
an. An den Alpen sowie im südlichen Alpenvorland schneit es mit Hilfe leichter
Staueffekte (allerdings keine klassische Staulage) noch für längere Zeit, was
unter dem Strich lokal noch mal bis zu 10 cm, in exponierten Lagen mit einer
dicken Prise gesunden Optimismus‘ vielleicht 15 cm Neuschnee bringt. Allerdings
ist im Tagesverlauf von Westen her eine Abnahme der Schneefallaktivität zu
erwarten. In den Mittelgebirgen wird der Neuschneezuwachs – man muss es so klar
sagen – enttäuschend ausfallen, mit Glück kommen hier und da ein paar Zentimeter
zusammen, thatŽs it.
Darüber hinaus sei der Chronistenpflicht halber sowie vor dem Hintergrund
zukünftiger Betrachtungen noch erwähnt, dass sich das Sturmtief HEIKE immer
weiter von uns entfernt und sich gleichzeitig über UK/Irland ein Hochdruckgebiet
etabliert, das über eine veritable Wachstumsrate verfügt (sprich Druckanstieg).
Sind es am Morgen gerade mal knapp über 1025 hPa, könnte um Mitternacht bereits
die 1040-hPa-Marke erreicht sein. Der westliche Wind spielt weiterhin nur eine
bescheidene Nebenrolle, meint, im äußersten Norden ab und zu mal eine steife Böe
7 Bft (teils an Konvektion gebunden) sowie ein paar 7/8er-Böen in exponierten
Hochlagen, mehr ist nicht drin. Mit zweistelligen Temperaturen ist es erst mal
vorbei, 2 bis 8°C lautet die Spanne am morgigen Bundesligasamstag (ja, ja, es
geht schon früh wieder los).

In der Nacht zum Sonntag wird der Höhentrog über Deutschland noch mal kurzzeitig
regeneriert durch einen rückseitig hineinlaufenden Kurzwellenanteil, was seine
Progression nach Osten hemmt. Gleichwohl steigt der Luftdruck bereits kräftig an
(KLA), was Süddeutschland einen Keil des o.e. „UK-Hochs“ beschert, während der
Norden und Osten noch die Passage eines Bodentrogs genießen dürfen. So oder so,
trotz „ungünstiger“ Tageszeit simulieren eigentlich alle Modelle ein Schauer,
die bei 850-hPa-Temperaturen um -6°C durchaus auch mal bis in tiefe Lagen als
Schnee fallen können (vielleicht nicht gerade in Nordseenähe), ohne dabei
freilich eine nennenswerte Schneedecke zu erzeugen. In den Mittelgebirgen sowie
an den Alpen hingegen könnten wenigstens ein paar Zentimeter zusammenkommen.
Dies sowie die Tatsache, dass die Temperatur insbesondere im Süden und in der
Mitte vielerorts in den leichten Frostbereich zurückgeht, rückt das Thema
„Glätte“ verstärkt in den Fokus, sei es durch Schnee(matsch), sei es durch
gefrierende Nässe. Nach tage- (teils sogar nächtelangem) Frühlingsdasein sollte
warntechnisch diesbezüglich eine offensive Taktik zur Anwendung kommen.
Nicht zu vergessen der zwischen Hochkeil und Bodentrog zunehmende Gradient im
Nordwesten, der auf und an der Nordsee den auf Nordwest drehenden Wind soweit
auffrischen lässt, dass dort eine kleine Warnung nötig sein wird (7 Bft).

Sonntag… tropft der Höhentrog quasi ein zweites Mal über dem Süden
Deutschlands ab. Gleichzeitig formiert sich über dem Ostatlantik ein
monumentaler Höhenrücken, der sich von den Kanaren bis hoch zum Europäischen
Nordmeer erstreckt. Dieser Rücken stützt bzw. forciert das zugehörige Bodenhoch,
das seinen Schwerpunkt nach wie vor im Bereich Südengland/Wales hat und sich
dort an die 1050-hPa-Marke heranpirscht – eine sehr bemerkenswerte Hausnummer
für ein rein dynamisch erzeugtes Hochdruckgebiet! Der zugehörige Keil breitet
sich immer weiter nach Osten bis zum Balkan respektive dem Schwarzen Meer und
der Ukraine aus, was weite Teile Mitteleuropas unter Hochdruckeinfluss bringt.
Dass sich das Wetter bei uns am Sonntag trotzdem wechselhaft und sehr
wolkenlastig präsentiert, ist dem o.e. Höhentief geschuldet, das aufgrund des
fehlenden Bodentiefs den Status eines Kaltlufttropfens (KLT) innehat. Dieser hat
seinen Namen wirklich verdient, ist er doch angefüllt mit höhenkalter Luft von
z.T. unter -35°C in 500 hPa. Bei T850 von -5 bis -8°C garantiert der KLT vor
allem im Süden und in der Mitte weitere Schauer, die bis in tiefe Lagen als
Schnee oder Schneeregen fallen. Da der Wind auf nördliche Richtungen dreht,
können an den Nordrändern der Mittelgebirge durchaus 2 bis 5 cm (GFS ist
offensiver als die anderen Modelle), an den Alpen um Neuschnee zusammenkommen.
Im Norden hingegen trocknet die Luftmasse vorübergehend ab, was der Winddrehung
und der damit verbundenen Überströmung der norwegischen Gebirge
(„Skandinavienföhn“) geschuldet ist. Dieser Sachverhalt garantiert nicht nur
eine von Norden her abnehmende Schauerneigung, sondern einigen Regionen (vor
allem SH) sogar einige Sonnenstunden. Bei Nachmittagstemperaturen nahe 6°C
(Taupunkte um 1°C) und einem leicht böigen (aber nicht warnwürdigen)
Nord-Nordwestwind wird der eine oder die andere trotz Einstrahlung vielleicht
doch mal die Handschuhe beim Sonntagsspaziergang zum Einsatz bringen.
Mit bis zu 7°C wird es im Norden und Nordwesten übrigens am wärmsten, sonst
stehen Temperaturmaxima von 1 bis 6°C auf der Karte, oberhalb rund 500 m gibt es
sogar leichten Dauerfrost. Trotz deutlich ausgeprägter Supergeostrophie spielt
der Wind warntechnisch keine Rolle, auch an der Nordsee wird er bereits am
Vormittag schon wieder schwächer.

Die Nacht zum Montag bringt dann eine abnehmende Schauerneigung. Vor allem im
Süden und Südosten reicht es aber noch für ein paar schwache Schneeschauer, laut
IFS auch im Westen und Nordwesten, was aber Alleinstellungsmerkmal besitzt. Mit
Ausnahme einiger Gebiete in Nord- und Westdeutschland (teils aufziehende Wolken,
teils wärmender Meereseffekt bei auflandigem Wind, der allerdings wird rückdreht
auf westliche Richtungen) geht die Temperatur auf 0 bis -5°C zurück (mögliche
Glätte inclusive). Im Bergland sowie an den Alpen ist mäßiger, über frischem
Schnee sogar strenger Frost wahrscheinlich, wenn es lang genug „aufgeht“.
Gebietsweise bildet sich Nebel oder Hochnebel, insbesondere nördlich der
Divergenzachse des Hochkeils, wo die Luft allmählich wieder feuchter wird.

Modellvergleich und -einschätzung

Die beschriebene Entwicklung als solche kann als unstrittig angesehen werden.
Dass die Niederschlagsprognosen untereinander gewisse Abweichungen aufzuweisen
haben, ist nicht ungewöhnlich. Die Streuung hält sich aber insgesamt in Grenzen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann