SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.10.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWz
In der Südhälfte goldener Oktober, im Nordwesten und Norden unbeständig mit
Regen und Schauern, Sonntag und Montag auch vereinzelten Gewittern, aber mild.
In den Gipfellagen einiger Mittelgebirge Sturmböen, auf dem Brocken schwere
Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC

Samstag… befindet sich Deutschland unterhalb einer recht kräftigen und nur
leicht mäandrierenden westsüdwestlichen Höhenströmung, die vom mittleren
Nordatlantik bis weit nach Ost- bzw. Nordosteuropa reicht. Im Tagesverlauf führt
kräftige, südwärts gerichtete KLA über dem Ostatlantik zu einer Austrogung
Richtung Azoren. Dadurch steilt die Höhenströmung vor allem über Westeuropa ein
wenig auf und zunehmende WLA verleiht ihr vor allem über den Britischen Inseln
bis zum Abend einen leicht antizyklonalen „Touch“.
Im Bodenfeld erstreckt sich das Frontensystem eines vom Südwesten Finnlands bis
zum Abend nach Karelien ziehenden Tiefs über das Baltikum und
Nordwestdeutschland hinweg weiter südwestwärts und reicht bis weit in den
mittleren Nordatlantik. Aufgrund höhenströmungsparalleler Exposition bleibt der
langgestreckte Frontenzug zunächst quasistationär mit mehreren, darin
eingelagerten, zunächst nur flachen Frontalwellen. Eine solche verlagert sich
bis zum Mittag von Frankreich kommend über Nordwest- und Norddeutschland hinweg
ostnordostwärts. An deren Südflanke frischt mit der Gradientverschärfung der
Südwestwind vor allem in der „nördlichen Mitte“ vorübergehend auf, so dass es
auch in den Niederungen, insbesondere in freien Lagen sowie im Lee einiger
Mittelgebirge häufiger mal für steife Böen (Bft 7) reicht. Selbiges gilt auch
für exponierte Küstenabschnitte und insbesondere für Nordfriesland, wobei dort
ein von der Nordsee bis zum Abend nach Südschweden schwenkender flacher
Bodentrog unterstützend wirkt. Bereits am Nachmittag nimmt der Wind nach Abzug
der Welle wieder ab.
In den Kammlagen der westlichen und zentralen Mittelgebirge gibt es stürmische
Böen (Bft 8), auf exponierten Gipfeln vorübergehend auch vereinzelte Sturmböen
(Bft 9), auf dem Brockenplateau reicht es zeitweise auch für schwere Sturmböen
oder gar etwas mehr (Bft 10 bis 11).
Die frontalen Hebungsprozesse entlang der Welle werden kaum dynamisch
unterstützt, so dass es neben dichten Wolkenfeldern nur für leichte Regenfälle
über dem Nordwesten und Norden reicht. Mehr als 5 mm in 12 Stunden kommen dabei
kaum zusammen.
Eine weitere, aufgrund dynamischer Unterstützung (PVA) vorderseitig des Richtung
Azoren vorstoßenden Troges sich markanter entwickelnde Frontalwelle verlagert
sich bis zum Abend ins Seegebiet westlich der Biskaya. Dabei wird von Südwesten
her eine potentiell instabile Luftmasse nach Frankreich gesteuert, wobei im
Bereich des Zentralmassivs gebietsweise um die 1000 J/kg ML-Cape simuliert
werden. Mit Hilfe der Orographie, aber auch dynamisch durch in die Höhenströmung
eingebettete flache kurzwellige Troganteile, die durch PVA etwas Hebungsantrieb
liefern, gestützt, dürfte es dort zur Auslöse reichen. Die entstehenden Schauer
und Gewitter kommen rasch nach Nordosten voran und greifen am Nachmittag auch
auf den Westen/Südwesten des Vorhersagegebietes über. Die Luftmasse ist zwar
subtropischen Ursprungs, die PPW-Werte steigen auf über 30 mm, dennoch dürfte es
kaum für Gewitter reichen (lediglich C-D2 deutet am Abend welche an), da die
Grundschicht noch gedeckelt ist und auch kaum bis keine MU-Cape generiert werden
kann. Ganz ausschließen sollte man sie dennoch nicht. Bis zum Abend greifen die
Schauer auch auf die mittleren Landesteile über.
Im Südosten und Süden steht dagegen ein überwiegend sonniger Tag ins Haus. Die
dorthin advehierte Luftmasse subtropischen Ursprungs lässt die Temperaturen in
850 hPa auf 11 bis 15 Grad steigen, während sie in Norddeutschland zwischen 4
und 8 Grad verharrt. In der Mitte und vor allem im Süden werden somit für die
Jahreszeit schon außergewöhnliche Höchstwerte zwischen 21 und 25 Grad erreicht,
in Leelagen bzw. im südlichen Alpenvorland auch bis nahe 27 Grad. Im Norden und
Nordwesten reicht es dagegen unter den dichten Wolken nur für Höchstwerte
zwischen 14 und 18 Grad.

In der Nacht zum Sonntag steilt die Höhenströmung mit fortschreitender
Austrogung über Westeuropa weiter auf, ein flacher, durch kräftige WLA
gestützter Höhenrücken erreicht morgens die Nordsee. Mit zunehmender PVA
innerhalb der diffluenten Höhenströmung über der Biskaya und den Britischen
Inseln kann sich die Frontalwelle westlich der Biskaya verstärken und zieht bis
Sonntagfrüh nach Südwestengland. Vorderseitig der Welle schwenkt ein flacher
Hochkeil über das Vorhersagegebiet hinweg rasch nordostwärts, ehe später von
Westen her wieder Druckfall einsetzt. Das Frontensystem respektive die Warmfront
über Norddeutschland kommt dadurch ein wenig nach Norden voran, so dass auch
weite Teile Norddeutschlands in den Warmsektor gelangen. Nach wie vor halten
sich die Niederschläge im Frontbereich in Grenzen und sind nicht warnrelevant.
Die Schauer im Westen und in den mittleren Landesteilen ziehen im Laufe der
Nacht rasch ostnordostwärts und schwächen sich mangels dynamischer Unterstützung
sowie tagesgangbedingt ab. Warnrelevant bleibt der Wind, zumindest in den Kamm-
und Gipfellagen der zentralen Mittelgebirge. Zwar schwächt er sich mit
Durchschwenken des Hochkeils vorübergehend ab, mit Annäherung der Frontalwelle
legt er aber im Laufe der zweiten nachthälfte bzw. morgens wieder etwas zu.
Ansonsten verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig und vor allem im Süden auch
gering bewölkt. Dort kann sich gebietsweise Nebel bilden.

Sonntag… verlagert sich ein in die südwestliche Höhenströmung eingebetteter
kurzwelliger Randtrog rasch von der Irischen See über den Süden Schottlands bzw.
Nordengland zur nördlichen Nordsee. Zwar interagieren der Kurzwellentrog und die
Frontalwelle nicht optimal miteinander, dennoch reicht es für eine recht
markante Zyklogenese, soll heißen, es entwickelt sich am Wellenkopf ein recht
kräftiges Bodentief, das sich abends mit einem Kerndruck von knapp über 990 hPa
über der mittleren Nordsee (nach GFS etwas näher an der schottischen Küste als
nach ICON) befindet. Die Warmfront des Tiefs kommt ein wenig nach Norden voran,
so dass sich das gesamte Vorhersagegebiet vorübergehend im Warmsektor befindet.
Die Temperatur in 850 hPa steigt auch an den Küsten auf 10 Grad, im
Alpenvorland, wo sich leichter Föhn einstellt, dagegen auf Werte bis nahe 18
Grad. Die Kaltfront greift zum Abend hin auf BeNeLux über.
Nahe an der Warmfront gelegen bleibt es im Nordwesten und Norden des Landes
überwiegend stark bewölkt, im Nordseeumfeld auch meist bedeckt und dort kann es
auch immer wieder regnen. Mit der vor allem in der unteren Troposphäre kräftigen
WLA geht eine deutliche Labilisierung der Luftmasse einher, zumindest oberhalb
der gedeckelten Grundschicht. Eine Modelle (in erster Linie C-D2) simulieren
sogar eingelagerte kurze (Warmlufteinschub)gewitter über Norddeutschland. Auch
im übrigen Vorhersagegebiet labilisiert die Luftmasse deutlich, gebietsweise
werden auch bis an die 500 J/kg ML-Cape simuliert. Allerdings dürfte es aufgrund
der Deckelung kaum zur Auslöse reichen, zumal auch im Bodenfeld vorderseitig der
Kaltfront keine signifikanten konvergenten Strukturen (die frontalen
Hebungsantrieb bieten würden) auszumachen sind. Werst mit Annäherung der
Kaltfront selbst nimmt zum Abend hin das Schauerrisiko ganz im Westen etwas zu,
kurze Gewitter (C-D2 simuliert über Holland abends eine recht markante
Gewitterlinie, dann müssten aufgrund der markanten Scherung auch Sturmböen in
Betracht gezogen werden) nicht ausgeschlossen. Ein bis zwei Monate früher wäre
das allerdings eine veritable Gewitterlage gewesen.
Der Wind frischt mit Annäherung des Tiefs vor allem im Nordwesten und Westen
wieder etwas aus südlichen Richtungen auf. Allerdings befindet sich das Tief
wohl so weit westlich, dass es höchstens im Nordseeumfeld für einzelne steife
Böen reicht. Ansonsten gibt es lediglich in den Kamm- und Gipfellagen der
zentralen bzw. westlichen Mittelgebirge stürmische Böen (Brocken: Sturm- bis
schwere Sturmböen), eventuell auch auf exponierten Alpengipfeln.
In der Mitte und im Süden scheint dagegen wieder überwiegend die Sonne, wobei es
an der Donau gebietsweise länger dauern kann, bis sich der Nebel auflöst. Vor
allem in mittleren Höhenlagen und im Lee einiger Mittelgebirge sowie im
südlichen Alpenvorland wird es mit 24 bis 28 Grad wieder außergewöhnlich warm.
Auch sonst reicht es vielerorts für warme 20 bis 24 Grad, lediglich ganz im
Norden und Nordwesten werden keine 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Montag verlagern sich der Kurzwellentrog nach Südnorwegen und
das korrespondierende Bodentief zum Skagerrak. Die Kaltfront greift dabei auf
den Nordwesten Deutschlands über, kommt aber kaum weiter nach Osten voran, da
sich vorderseitig des sich mit seiner Achse jetzt knapp westlich der Biskaya
befindenden Höhentroges entlang des Frontenzuges erneut eine frontale Welle
verstärken kann und Richtung Bretagne zieht.
Die Kaltfront wird zunehmend von KLA überlaufen und erweist sich nur noch als
wenig wetteraktiv. Lediglich in der ersten Nachthälfte gibt es noch einzelne
Schauer, eventuell auch (von den Niederlanden her) einzelne Gewitter, die dann –
vor allem, wenn sie organisiert auftreten sollten, auch von Sturmböen begleitet
sein können. Mit Übergreifen der nächsten Frontalwelle simuliert ICON-EU
ausgangs der Nacht allerdings erneut Warmlufteinschubgewitter über Belgien, die
in den Frühstunden dann auch auf den äußersten Westen Deutschlands übergreifen
könnten.
Der Wind weht an der Südflanke des Tiefs vor allem an den Küsten zunächst noch
lebhaft aus Südwest bis West mit Böen Bft 7 (exponiert vielleicht auch Bft 8).
Ansonsten schwächt er sich ab und auch in den Gipfellagen der Mittelgebirge ist
er kaum mehr warnrelevant.
Im Süden und in der Mitte ist es oft locker bis gering bewölkt, örtlich kann
sich dort erneut Nebel bilden.

Montag… greift der Trog auf die Britischen Inseln über und weitet sich nach
Süden bis zur Iberischen Halbinsel aus. Kräftige, PVA-induzierte Hebung auf
dessen Vorderseite fährt entlang der Frontalwelle erneut zu einer Zyklogenese,
das Bodentief erreicht am Abend die englische Nordseeküste, wobei sich
diesbezüglich noch größere Modelldifferenzen ergeben, nach Lesart des GFS (und
ähnlich auch IFS) erreicht das Tief zu dem Zeitpunkt grade so die Bretagne. Die
Warmfront des Tiefs überquert bis zum Abend Norddeutschland nordwärts, GFS und
IFS simulieren sie dagegen zum 18 UTC-Zeitpunkt etwa 200 km weiter südlich. Die
Niederschläge im Frontbereich im Nordwesten und Norden des Landes sind erneut
nicht warnrelevant, allerdings hat ICON-EU morgens und vormittags einzelne
Warmlufteinschubgewitter auf der Agenda.
Die Kaltfront des Tiefs erreicht zum Abend erst den Westen und Nordwesten
Frankreichs, somit bleibt das Vorhersagegebiet tagsüber im Warmsektor. Erneut
kann die Luftmasse subtropischen Ursprungs vor allem nach ICON-EU bis zum
Küstengebiet vordringen, die Temperatur in 850 hPa steigt auf 10 Grad an der
dänischen Grenze (nach GFS erreicht sie dagegen dort grade die 5 Gradmarke) und
bis 18 Grad in Südostbayern. Nach wie vor ist sie potenziell instabil
geschichtet, allerdings auch jahreszeitlich bedingt recht stark gedeckelt (es
reicht nicht mehr zum „Durchheizen“), von konvektiven Umlagerungen ist somit
erneut nicht auszugehen. ICON-EU simuliert lediglich über dem benachbarten
Frankreich im Bereich einer vorlaufenden Konvergenz einzelne Gewitter, die
abends dem äußersten Westen des Vorhersagegebietes recht nah auf die Pelle
rücken.
Die unterschiedlich simulierte Wellentiefentwicklung ist für Norddeutschland
durchaus von Prognoserelevanz. Nach Lesart des ICON-EU würden sich die dichten
Wolken und leichten Niederschläge lediglich auf den äußersten Norden des Landes
beschränken (etwa von Ostfriesland bis nach Ostvorpommern), während es nach IFS
und vor allem GFS in weiten Teilen der Norddeutschen Tiefebene überwiegend stark
bewölkt bis bedeckt bleibt. Warnrelevante Regenmengen hat aber kein Modell auf
der Agenda. Der Wind frischt vor allem nach Lesart des ICON zumindest in höheren
Lagen wieder auf, auf dem Brocken könnte das für Böen Bft 8 bis 9 aus südlichen
Richtungen reichen.
Ansonsten scheint in der Mitte und im Süden des Landes verbreitet die Sonne,
erneut kann sich an der Donau der Nebel gebietsweise länger halten. Dann werden
kaum 20 Grad erreicht, ansonsten liegen die Höchstwerte zwischen 21 und 25 Grad,
im Lee einiger Mittelgebirge auch darüber, in Norddeutschland bleibt es mit 15
bis 19 Grad etwas „kühler“.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Tief nach Lesart des ICON Richtung
Skagerrak, während es sich nach IFS Dienstagfrüh vor der englischen Nordseeküste
befindet und GFS es quasistationär über der Bretagne simuliert. Zumindest
ICON-EU lässt die Kaltfront auf den Westen und Nordwesten übergreifen. Sie
erweist sich als wenig wetteraktiv, lediglich vereinzelt werden Schauer (und
kurze Gewitter) simuliert.
Im übrigen Land verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig, stürmische Böen auf
exponierten Mittelgebirgsgipfeln nicht ausgeschlossen. Im Südosten kann sich
gebietsweise wieder Nebel bilden.

Modellvergleich und -einschätzung

Die großräumigen synoptischen Strukturen werden von allen vorliegenden Modellen
ähnlich simuliert. Im Detail ergeben sich Unterschiede, vor allem, was die
Entwicklung der Frontalwelle in der Nacht zum und am Montag angeht. Diese sind
zwar für Norddeutschland durchaus von Prognose- aber kaum von Warnrelevanz und
wurden im Text bereits besprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff