S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Donnerstag, den 06.06.2019 um 10.30 UTC

Im Süden und Osten schwül-warm bis heiß und teils kräftige Schauer und Gewitter.
Im Nordwesten kühler und zeitweise Regen. Zur Wochenmitte möglicherweise durchgreifende Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 13.06.2019

Die Zeichen stehen die Mittelfrist über weiterhin auf meteorologischem Stillstand. Dabei handelt es sich bei diesen „Zeichen“ um Indizes wie eine Fortdauer der positiven „polar cap geopotential heigth anomaly, PCH“, ein zwischen 65 Grad Nord und dem Nordpol gemittelter Wert zwischen der Bodenoberfläche und der Stratosphäre. Gekoppelt an eine seit Anfang Mai negativ laufende AO, die auch innerhalb der Mittelfrist in diversen Ensemblevorhersagen leicht negativ verbleibt und an eine negative NAO (zeitweise westwärts in Richtung Grönland verschoben) ist somit mit einer Fortdauer der sog. „high latitude“ Blockade und quasi-stationären planetaren Wellen über den nordatlantischen und europäischen Bereichen zu rechnen. Dabei basteln die letzten Modellläufe diverser Globalmodelle an einer erneut ungewöhnlich kräftigen positiven Geopotentialanomalie über Grönland, der Labradorsee und Baffin-Buch bis zur Hudson-Bucht. Dies spiegelt sich auch in einer breiten Anomalie des sog. Blockade-Index von NCEP (Anomalie von 1979 bis 2000) wider, die sich die Mittelfrist über Grönland ost-/nordostwärts erstreckt. Summa summarum deutet sich mit dieser Entwicklung ein stark mäandrierendes Strömungsmuster an, das sich kaum zonal verlagert. Ein Ast negativer Anomalie baut sich über dem Nordatlantik und ein zweiter, schwächerer über Nordwest- und Westeuropa auf bzw. regeneriert sich immer wieder neu. Der schwächere östliche Ast über Westeuropa droht durch die nördlich ansetzende positive Geopotentialanomalie in der Mittelfrist abzutropfen und wäre in der Folge am Südrand der Anomalie einer retrograden Verlagerung unterworfen. Dies wird in dieser Ausprägung von IFS nun zum ersten Mal gezeigt und ist zwar von der Gesamtschau her plausibel, allerdings herrschen noch großen Unsicherheiten – Unsicherheiten, die einen Abtropfprozess allgemein begleiten, aber auch Unsicherheiten, die innerhalb der Numerik durch solch eine anormale Geopotentialentwicklung hervorgerufen werden. Daher muss die Mittelfrist über und besonders ab der Wochenmitte mit einer Zunahme der
Unsicherheiten gerechnet werden. Wie in der Folge jedoch gezeigt wird mehren sich die Vorzeichen der hier
beschriebenen Entwicklung.
Zum Beginn der Mittelfrist, am Sonntag den 9. Juni, erstreckt sich eine positiv geneigte Rossby-Welle von Irland/England in Richtung Portugal und stützt stromab
einen umfangreichen Höhenkeil über Süd- und Mitteleuropa. „Positive Achsenneigung“ deutet auf einen ausgedehnten baroklinen Bereich entlang der Ost-/Südostperipherie des Troges hin, der nur durch kleinräumige Wellen/Bodentiefs in Schwingung gebracht wird. Durch die Fortdauer des Trogvorstoßes nach Süden und somit ein weiteres, geringes Aufsteilen der Höhenströmung und einer diffusen Bodentiefdruckrinne über Ostfrankreich und Süddeutschland (mit einem sich entwickelnden Bodentief?) wird im Tagesverlauf rückseitig einer sich strukturierenden und von den Alpen nordwärts driftenden Warmfront von Süden wärmere und labilere Luft besonders in den Süden Deutschlands geführt. Derweilen erwärmt sich im Norden die alternde und modifizierte mP/mPa Luftmasse weiter und die Temperaturkontraste der vor dem Mittelfristbeginn über Deutschland schleifenden Kaltfront verschwimmen zunehmend. Im Nordwesten bleibt es mit 20 bis 24 Grad noch am kühlsten, während sonst verbreitet 24 bis 28 Grad erwartet werden. Schauer und Gewitter sind bevorzugt im Süden mit der einfließenden feucht-labilen Luftmasse zu erwarten sowie allgemein über dem Bergland. Bleibt noch zu sagen, dass die Sonne häufig durch dichte WLA-Bewölkung abgeschirmt wird und besonders im Osten die besten Chancen hat für längere Zeit zu scheinen.

Zum Montag beginnt sich der Höhentrog allmählich aufzufüllen. Seine Achse reicht
unverändert von England bis nach Spanien, sodass Mitteleuropa unter einer Südwestströmung verbleibt, die zwar recht glatt angedeutet wird, aber das Potential für zahlreiche eingebettete Kurwellen besitzt. Gleichzeitig wird die Warmfront über Deutschland weiter nach Norden gelenkt und flankiert zusammen mit
einer von Frankreich nahenden und später schleifenden Kaltfront einen großräumigen Warmsektor über der Mitte und dem Süden Deutschlands. T850 hPa Temperaturwerte schwanken zwischen +7 Grad im Nordwesten und +16 Grad im Südosten. Die synoptische Ausgangslage spricht aus heutiger Sicht auf jeden Fall
für einen aktiven Gewittertag im Süden, der Mitte und dem Osten sowie zeitweise skalig auftretenden Regen im Nordwesten auf der „kalten“ Seite der Frontalzone. Daran ändert sich auch die Nacht zum Dienstag über wenig.

Am Dienstag „gräbt“ sich der Höhentrog über Westeuropa weiter bis nach Nordalgerien und erreicht eine eher neutrale Achsenneigung. Mit der fortdauernden Abschwächung fragmentiert der Trog regelrecht und es werden mehrere eigenständige und in den Trog eingebettete
Rotationszentren erwartet – keine Frage, die Unsicherheiten, in wie viele Zentren und deren Dominanz betreffend sind sehr groß. Da aber insgesamt die Trogstruktur noch intakt bleibt
fallen diese Unsicherheiten bezüglich der Wetterentwicklung in Deutschland vorerst gering aus. Durch die neutrale Neigung kann die Höhenströmung gar leicht
antizyklonale Konturen annehmen. Antizyklonal hin oder her,
niedertroposphärisch
weitet sich der Warmsektor mit der labilen Luftmasse auf fast ganz Deutschland aus mit T850 hPa Temperaturwerten von +8 Grad im Nordwesten und +19 Grad im äußersten Südosten. Daher ändert sich an der Wetterzweiteilung wenig. Im Nordwesten deutet sich eher eine stratiforme Niederschlagsepisode auf der kalten
Seite der Frontalzone an, während im Süden, der Mitte und dem Osten erneut teils
heftige Gewitter auftreten können, die unter „Verclusterung“ bis weit in die Nacht andauern.

Mittwoch und Donnerstag werden an dieser Stelle ob der der großen Diskrepanzen (siehe den Abschnitt mit den Ensembles) zusammengefasst. Mit dem retrograden Abtropfprozess und der umfangreichen und kräftigen WLA stromab würde sich ein Höhenkeil nach Mitteleuropa aufwölben und bei T850 hPa Temperaturwertne von +14 bis +19 Grad sowie einem sich auf die Orografie beschränkenden Gewitterrisiko für hochsommerlich heißes und recht stabiles Wetter sorgen. Knackpunkt wird der Abtropfprozess.

Bis zur Wochenmitte deutet sich ein mäßig temperierter Westen und Nordwesten mit
Höchstwerten von um 20 Grad an (je nach Niederschlag und
Sonnenscheindauer etwas
darüber oder darunter), während es im gesamten Osten und teils auch im Süden mit
bis zu 30 Grad schwül-warm bis heiß wird. In der Folge würden bei der synoptischen Konstellation und dem einsetzenden Hochdruckeinfluss die Höchstwerte abgesehen vom äußersten Norden deutschlandweit zwischen 28 und 33 Grad liegen, im Osten lokal sogar noch höher.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Mittelfrist über hält sich die Blockadelage und sorgt für eine nur geringe zonale Verschiebung der Tröge und Keile über West- und Mitteleuropa. Dabei beginnt ein umfangreicher Höhentrog über Westeuropa zur kommenden Wochenmitte in
Richtung Iberische Halbinsel abzutropfen. Allerdings bestehen sehr große Unterschiede, wie schnell und wohin der Höhentrog abtropft und wohin in der Folge das abgekoppelte Höhentief zieht. Bisher wurde eine Lage über Frankreich und England am Donnerstag angedeutet, im letzten IFS-Lauf wird der „cut-off“ jedoch retrograd nach Spanien geführt. Bezüglich der Gesamtentwicklung kann die neue Tendenz der retrograden Verlagerung als plausibel angesehen werden. Diese Entwicklung sollte auf jeden Fall weiter im Auge behalten werden und könnte in der Folge zu einer Keilaufwölbung und Wetterberuhigung über Deutschland führen. Die größte Diskrepanz zwischen den Modelllösungen ist dabei, wie massiv Warmluft
nach Deutschland geführt wird. Mit den früheren Läufen wäre Deutschland die Mittelfrist über in einen etwas kühleren und wechselhaften Westen (unter Einfluss des Höhentroges) und in einen schwül-warmen bis heißen Osten geteilt – allerdings dort mit erhöhter Gewittergefahr. Mit der neuen Tendenz würde sich auch im Westen zur Wochenmitte die schwül-warme Luftmasse besser durchsetzen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die weiteren Globalmodelle wie ICON und GFS sehen das Muster mit quasi-stationären Rossby-Wellen sehr ähnlich, unterscheiden sich jedoch im Detail beim Abbau des Troges und dem in der Folge stattfindenden Abtropfprozess.
Das Wichtigste zuerst: IFS hat sich mit seinem retrograden
Abtropfprozess auf die Linie von ICON und GFS gestellt und alle drei Modelle zeigen das Höhentief am Donnerstag über oder in direkter Nähe zu Nordspanien! Ansonsten kristallisieren sich Diskrepanzen heraus, wie schnell der Abtropfprozess von statten geht und wie steil die südwestliche bis südliche Strömung über Deutschland aufgerichtet ist. Grundsätzlich also nur geringe Unterschiede, die jedoch bei der Frage der Auslösung und Intensität (Überlappung
thermodynamischer und kinematischer Parameter) von Gewittern eine tragende Rolle
spielen. Tendenziell besteht in der vorhandenen Luftmasse bei allen Modelllösungen zum Wochenbeginn Unwetterpotential durch Gewitter mit Starkregen und Hagel.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Wenig überraschend zeigt sich bei der anormalen und aus numerischer Sicht komplex zu erfassenden Wetterlage eine hohe Clusterzahl.

Zum Beginn der Mittelfrist, am Sonntag, sind fünf Cluster vorhanden, die beinahe
alle klimatologischen Regime andeuten. Allerdings dürften hier Feinheiten der Positionierung von Keilen und Trögen über die klimatologische Einteilung entscheiden (u.a. ob positive oder negative NAO). Alle Cluster zeigen die sich über Grönland aufwölbenden positiven Geopotentialanomalie und den schwächeren, dafür aber stark
mäandrierenden Trog über Westeuropa mit einem sich aufwölbenden Keil über Mittel- und Osteuropa. Egal welchen Cluster man zur Rate zieht, Deutschland verbleibt in einer Südwestströmung und somit in einer aus rein synoptischer Sicht gewitteranfälligen Konstellation.

In der Folge wird die Clusteranzahl komplett ausgereizt, doch fahren sie mit einer durchweg einheitliche klimatologischen Einteilung „Blockade“ eine wiederum
sehr einheitliche Linie. Kontroll- und det. Lauf befinden sich alle im zweiten Cluster.
Was auffällt ist, dass die Numerik mit der anormalen Wetterlage große Probleme hat. In einzelnen Clustern wird die Skala der positiven Geopotentialabweichung fast gesprengt. Die Rossby-Wellen bleiben innerhalb der diversen Lösungen ebenfalls mehr oder weniger stationär. Die Diskrepanzen ergeben sich jedoch bei der Frage, wohin sich diese Anomalie über Grönland aufwölbt und wie weit sie sich u.U. zum Ende der Mittelfrist nach Südosten in Richtung Irland und Biskaya ausweitet. Der retrograde Abtropfprozess wird vom ersten, zweiten, vierten und fünften Cluster gestützt und weist somit einen deutlichen Memberüberhang auf. Der dritte Cluster zeigt abgekoppelt von der Anomalie über Grönland eine separate, zweite Anomalie vor Irland/England und würde Deutschland somit in eine
wechselhafte und kühle Nordwestrutsche befördern. Den sechsten Cluster beachten wir mal dank der sehr geringen Memberanzahl (zwei) aktuell nicht weiter.

Zusammengefasst ist und bleibt der Knackpunkt der mittelfristigen Entwicklung, wie schnell und wohin sich die Geopotentialanomalie über Grönland ausweitet und wie der sich auffüllende Trog über Westeuropa reagiert. Aktuell überwiegt die Mehrheit der Member, die eine retrograde Verlagerung nach Spanien andeuten, allerdings muss sich die Numerik erst einmal auf diese anormale Entwicklung einstellen, um diese Tendenz auch mit größerer Zuversicht bestätigen zu können.

Die Rauchfahnen spiegeln diese Entwicklung recht gut wider. Zum Wochenbeginn findet bei den T850 hPa Temperaturwerten eine rasche Spreizung statt, je nachdem, wie nachhaltig die warme Luftmasse im Zuge des Abtropfprozesses von Ost
nach West vorankommt. Je weiter man nach Osten schaut, desto enger findet jedoch
die Bündelung auf hohem Niveau statt (über +15 Grad in 850 hPa). Überall deuten Niederschläge mit teils sehr hohen Spitzen auf die konvektive Natur hin, wobei die Niederschläge besonders im Osten und Süden punktuell sehr kräftig ausfallen können. HRES und der
Ensemblekontrolllauf liegen bei den Temperaturwerten im oberen Bereich mit einer zum Großteil tieferen Memberschar, was vor allem auf die Lage und Ausprägung der Konvektion (z.B. Konvektionscluster) sowie deren Restbewölkung zurückzuführen sein dürfte. Mit mehr Sonnenschein sollten im Osten
durchweg schwül-warme bis heiße Höchstwerte erreicht werden. Im Nordwesten fällt
die Spreizung bei der T2m Vorhersage mit Höchstwerten um 20 Grad geringer aus und stützt die aktuell erwartete Lage auf der kalten Seite der Frontalzone mit teils skaligen Niederschlägen (letzteres erkennbar durch breitere Niederschlagspeaks mit geringer Amplitude und geringeren Maximalwerten).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Signifikante Wettererscheinungen im EFI:

GEWITTER/REGEN:
Besonders ab Montag schlägt der CAPE/Scherungsparamter im Süden und Osten deutlich an und schwächt sich erst am Mittwoch durch nachlassende Scherung etwas
ab (allerdings mit weiterhin vorhandenen SOT Spitzen). Dabei treibt besonders die Labilität diesen Wert in die Höhe, denn die Scherung dürfe insgesamt eher mäßiger Natur sein bzw. teils abseits der höchsten Labilität auftreten. Dies sind natürlich nur Tendenzen und abhängig von der finalen Geopotentialgeometrie.
Auf jeden Fall deuten sich in den Bereichen wiederholt kräftige Gewitter mit Unwetterpotential durch Starkregen und Hagel an.
Entsprechend werden auch beim Niederschlag im Süden und Osten erhöhte Werte angezeigt, was aber auf die bereits besprochene Konvektion zurückzuführen sein dürfte. Dasselbe gilt für weitere Ensembleverfahren anderer Modelle.
WÄRMEBELASTUNG/HITZE:
Weiterhin ist der EFI zurückhaltend mit einer anormalen klimat. Temperaturentwicklung, deutet jedoch im Osten ab Montag erhöhte Werte an. Keine Frage, die Unsicherheiten, wie heiß es wird sind noch groß und hängen von WLA-Bewölkung und Konvektionsbewölkung (teils in Clusterform) ab. Bei längerem Sonnenschein gibt die Luftmasse im äußersten Osten auf jeden Fall Höchstwerte um
30 Grad her – besonders ab Wochenmitte, sollte sich der angesprochene retrograde
Abtropfvorgang bewahrheiten. Mit großflächigen positiven Anomalien über Osteuropa fehlt jedoch nicht viel, um die Hitze aus Osten „anzuzapfen“.