SXEU31 DWAV 141800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 14.04.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Bayer o4 Leverkusen kurz vor Deutscher Meisterschaft – 3:0 vs. Werder nach 70
min. Und das Wetter? Juppiejee, nee, YUPADEE, unsympathisches Nordseetief mit
fetter Kaltfrontpassage am Montag und reichlich Polarluft nachfolgend.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland unterhalb der sehr gut ausgeprägten,
leicht antizyklonal konturierten Frontalzone, in die über dem Norden ein
kräftiger Jet mit rund 130 Kt Maximum auf 300 hPa eingelagert ist. Derweil hat
ausgehend von Grönland und der Irminger See über dem nahen Atlantik eine
veritable Austrogung eingesetzt, unter der sich das flippige 990iger-Tief
YUPADEE (also der Name ist flippig, nicht das Tief) befindet. Sowohl vom Tief
als auch vom Trog wird noch zu schreiben sein und zwar mehr, als manchem lieb
ist.

Zunächst aber noch mal zurück in unsere Gefilde, wo sich heute etwa über der
nördlichen Mitte (die genaue Position war nicht ganz einfach zu detektieren und
hat den geschätzten Kollegen von der Analyse einiges Grübeln gekostet)
eingefunden hat. Für mehr als ein durchbrochenes Wolkenband hat es nicht
gereicht, Wetter war und ist auch noch so gut wie gar nicht dran. Dafür konnte
die Kaltfront – nomen est omen – thermisch ganz gut punkten: Während am frühen
Nachmittag die Temperatur im Süden teilweise die 25°C-Marke geknackt hatte
(gealterte Warmluft cS, T850 bis zu 13°C), krebste man im äußersten Norden trotz
Sonnenschein (Sonne-Wolken-Mix) bei gerade mal 10 bis 13°C herum (frisch
eingeflossene subpolare Meeresluft mPs, T850 bis zu -3°C).

In den nächsten Stunden nun wird die Kaltfront aktiviert, was im Wesentlichen
einem kleinen Randtrog geschuldet ist, der aus dem atlantischen Haupttrog
herausläuft und eigentlich nur anhand eines IPV-Maximums so richtig erkennbar
ist. An der Front bildet sich eine flache Rinne oder Welle, wie man will, an der
zunächst in der westlichen, nach Mitternacht vermehrt auch in der östlichen
Mitte überwiegend leichte Regenfälle (meist unter 5 l/m² innert weniger Stunden)
generiert werden. Im präfrontalen Süden wird die potenziell instabile Warmluft
soweit mit Wasserdampf angereichert, dass abgesetzt von der stabilen
Grundschicht ein gewisses Quantum an MU-CAPE zur Verfügung steht (ELM Elevated
Mixed Layer). Mit Unterstützung einer im 925-hPa-Niveau gut erkennbaren
Richtungskonvergenz des Windes könnten die Hebungsimpulse aus der Mitte auch im
Süden ausreichen, um zumindest Schauer, voraussichtlich aber auch einzelne
Gewitter ins Leben zu rufen. Da es sich um abgehobene Konvektion handelt,
dürften die zunächst rund um die Donau, später dann weiter südlich auftretenden
Gewitter „gelber“ Natur sein mit Böen 7 Bft.

Im postfrontalen Norden bleibt leichter Zwischenhocheinfluss wirksam, der die
letzten Windzuckungen an der Küste in die Schranken weist und zudem für
aufgelockerte Bewölkungsverhältnisse sorgt. Dabei bleibt es meist trocken, wenn
man von einigen wenigen Schauern an der Nordsee absieht. Bemerkenswert einmal
mehr das Süd-Nord-Gefälle der Tiefsttemperatur: Während es im Norden
gebietsweise auf etwas unter 5°C abkühlt (lokalen Bodenfrost inklusive),
verbleibt das Thermometer im Süden vielfach im zweistelligen Bereich zwischen 14
und 10°C.

Montag … wird ein Wetterwechsel eingeleitet, der es in sich hat und keine
Wünsche offenlässt. Bei vielen, wahrscheinlich sogar den meisten wird sich die
Begeisterung in Grenzen halten. Anhänger synoptisch interessanter und brisanter
Abläufe kommen hingegen auf ihre Kosten. Der Versuch einer objektiven
Chronologie der Ereignisse.

Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Austrogung über Westeuropa weitere
Fortschritte macht. Dabei zieht das bereits genannte, inzwischen bis weit in die
mittlere Troposphäre reichende Tief YUPADEE östlich an Schottland vorbei (12
UTC) zur nördlichen Nordsee und später in die Deutsche Bucht (Nacht zum
Dienstag). Zwar beginnt es sich allmählich aufzufüllen, doch sollten wir uns
dadurch nicht täuschen lassen. Zäumen wir das Pferd von hinten auf und starten
im Süden, wo sich die Kaltfront von der südlichen Mitte her immer mehr der Donau
sowie dem nördlichen Alpenvorland nähert. Südlich davon halten sich noch Reste
der Warmluft, in der trotz limitierter Labilität wenige 100 J/kg CAPE zur
Verfügung stehen. Die nötige Hebung könnte zum einen durch den o.e., nach Osten
abziehenden Randtrog, zum anderen unter dem rechten Eingang des ebenfalls nach
Osten wandernden Jets bewerkstelligt werden. Bei günstigen Scherungsbedingungen
hauptsächlich durch Geschwindigkeit gibt es durchaus Hinweise auf organisierte
Gewitter, evtl. bis hin zu vereinzelten Superzellen. Neben größeren Hagel wären
auch (schwere) Sturmböen9-10 Bft möglich, während Starkregen bei PPWs um 20 l/m²
und Zug eher eine untergeordnete Rolle spielt.

Die zweite konvektive Baustelle neben dem Süden könnte sich am Nachmittag und
Abend im Osten auftun, wobei hier die Signaldichte seitens der Numerik um
einiges dünner ausfällt als im Süden. Vorderseitig der nächsten Kaltfront, auf
die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, wird in gemäßigter Luftmasse etwas
CAPE generiert, welches sich in einem sehr guten Scherungsumfeld inkl.
Richtungsscherung (Rückdrehen des bodennahen Windes auf Süd bis Südost)
befindet. Ob das allerdings ausreicht, um neben einigen Schauern auch einzelne
Gewitter zu produzieren, ist fraglich.

Das Hauptaugenmerk richtet sich eindeutig auf die Kaltfront des Tiefs YUPADEE,
die am Nachmittag von der Nordsee und den Niederlanden auf Nordwestdeutschland
übergreift, um am Abend (18 UTC) etwa eine gebogene Linie
Ostholstein-Harz-Kraichgau zu erreichen. Die Front, die dem unmittelbar
nachfolgendem Höhentrog vorgeschaltet ist, hat fast alles was eine Kaltfront
braucht, um nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen: thermische Gegensätze mit
nachfolgender Höhenkaltluft, sehr gute Scherung, Low-Level-Windmaximum, Support
aus der Höhe (PVA-Maximum, linker Ausgang des neuen Jets) und, und, und. Das
einzige, woran es etwas mangelt, ist ausreichend Labilität und Feuchte an der
Front, was auch das CAPE limitiert. Von daher sind aufgrund der kräftigen Hebung
einzelne Gewitter zwar nicht ausgeschlossen (inkl. Graupel und Böen 9-10 Bft),
spielen bei Frontdurchgang aber nicht die erste Geige.

Quasi alle Modelle simulieren ein bogenförmiges Radarmaximum, in dem es neben
schauerartig verstärkten Regenfällen (inkl. kurzzeitigem Platzregen und
Einlagerungen von Graupel oder kleinem Hagel) zu heftigem Wind respektive Sturm
kommt. Stürmische Böen und Sturmböen 8-9 Bft sind obligatorisch, schwere
Sturmböen 10 Bft aufgrund 925-hPa-Winden bis zu 50 Kt sowie der guten
Organisation zumindest lokal sehr gut möglich, wobei der Wind von Südwest auf
West dreht. In exponierten Hochlagen des Berglands stehen vermehrt Böen 9-10
Bft, im süddeutschen Bergland mit Durchgang des Höhenwindmaximums sogar
orkanartige Böen 11 Bft auf dem Zettel. Summa summarum also eine imposante
Kaltfrontpassage, wie man sie nicht alle Tage erlebt.

Zwei Dinge noch zum Abschluss. Bevor Wind und Sturm frontbedingt so richtig in
Stimmung kommen, wird im Laufe des Vormittags zunächst im Westen und Nordwesten,
später zunehmend auch in der Mitte und im Süden gradientbedingt „vorgeglüht“ mit
Böen 7 bis 8 Bft aus Südwest. Und thermisch geht es freilich bergab, wobei der
Norden heute ja schon vorgewarnt wurde. Dort liegen die Höchstwerte auf
ähnlichem Niveau wie heute (10 bis 14°C). Im Süden und Südosten, wo heute noch
mal ein Sommertag abgefeiert werden konnte, reicht es kaum noch für 20°C, wobei
das erst der Anfang vom Ende ist.

In der Nacht zum Dienstag splittet sich das Tief: Der Hauptteil zieht via
Deutsche Bucht Richtung Westfriesland. Gleichzeitig bildet sich an der
okkludierenden Kaltfront ein kleines Teiltief, das via Rügen vor die
nordwestpolnische Ostseeküste zieht. Unter dem Strich resultiert daraus eine
schmale Rinne, die beide Tiefkerne miteinander verbindet. Für die Kaltfront hat
das zur Folge, dass es im Nordosten und im Süden etwas länger dauert, bis die
Passage endgültig erfolgt ist. Entsprechend regnet es dort für längere Zeit und
in Vorpommern schrammen wir durch das Eindrehen am Sekundärkern auf Basis der
ICONen (Nest und D2) von 12 UTC sogar knapp an einer Dauerregenwarnung vorbei
(um 25 l/m² innert 12 h). Bis zum Morgen sollte die Sache aber erledigt und das
ganze Land mit hochreichender Kaltluft polaren Ursprungs (mP; T850 um -4°C, T500
-30 bis -34°C) geflutet sein.

Nach kurzer postfrontaler Subsidenz entwickeln sich in der Kaltluft trotz
ungünstiger Tageszeit insbesondere im Westen und Nordwesten sowie in Teilen der
Mitte Schauer oder auch einzelne Graupelgewitter (Nordsee). Je nach Intensität
der Schauer sinkt die Schneefallgrenze bis in mittlere Lagen der Mittelgebirge
(vielleicht bis zu 400 m herab). Die Schneegrenze (also ab wo tatsächlich auch
ein wenig liegenbleibt) dürfte sich aber auf die höchsten Lagen beschränken,
wobei die Neuschneeakkumulation ohnehin nicht besonders üppig ausfallen dürfte.
Schnee wird auch in den Alpen zum Thema, wo die Schneefallgrenze in den
frontalen Niederschlägen durch kontinuierliche KLA bis zum Morgen auf etwa 1000
bis 800 m sinkt. Oberhalb 1000 bis 1200 m sind durchaus 5 bis 10 cm, im Allgäu
vielleicht noch ein paar Zentimeter mehr Neuschnee drin.

Thema Wind respektive Sturm. Mit Frontpassage muss vor allem im Süden und
Südosten sowie in der Mitte mit ähnlichen Begleiterscheinungen gerechnet werden
wie zuvor weiter west-nordwestlich. Im höheren südlichen Bergland sind mit
Durchgang eines Low-Level-Maximums sogar orkanartige Böen 11 Bft möglich. Nach
Nordosten hin deutet sich nicht zuletzt wegen der bevorstehenden
Gradientaufweichung weniger Wind an. Postfrontal deutet sich ein leidlicher
Gradient an, der immer mal wieder mit konvektiver Unterstützung die eine oder
andere 7er-Böe, im höheren Bergland auch etwas mehr generiert.

Frost beschränkt sich wegen Wind und Wolken auf die Hochlagen der Mittelgebirge.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Dienstag … Es gelten die Ausführungen der Frühübersicht: Troglage, dabei sehr
wechselhaft mit schauerartigen Niederschlägen, kühl und vor allem in der
Südhälfte windig bis stürmisch.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann