SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.05.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Auch zu Beginn der neuen Woche noch kein richtiges Entkommen aus der kühlen und
wechselhaften Troglage. Zur Wochenmitte (Mittwoch beginnt der meteorologische
Sommer) dann aber doch wärmer.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland unter dem südlichen Teil eines
umfangreichen, fast schon als künstlerisch wertvoll zu bezeichnenden
Trogkomplexes. Künstlerisch wertvoll deswegen, weil die Konfiguration des Troges
bizarre Formen aufweist mit einem langgestreckten rinnenartigen Teil im
Nordosten (Westrussland bis Baltikum) und mehr durch kurzwellige Elemente
respektive abgeschlossene Höhentiefs geprägten Teil zwischen Skandinavien und
Mitteleuropa. Relevant für uns ist ein kleines Drehzentrum, das heute früh über
Westdeutschland ostwärts gestartet ist und inzwischen die östliche Mitte
erreicht hat. In den nächsten Stunden macht das kleine „Höhenei“ noch ein paar
Kilometer gut, um gegen Morgen schließlich irgendwo im Grenzbereich von
Brandenburg zu Vorpommern anzulanden. Mit dem Höhentief verlagert sich auch die
höhenkälteste Luft mit T500 um -27°C und damit die Zone höchster Labilität mehr
und mehr in die östlichen Landesteile. Allerdings gräbt die „ungünstige“
Tageszeit der anfänglich landesweit durchaus noch regen konvektiven Aktivität
zusehends das Wasser ab, weshalb die Schauer- und Gewitterneigung immer weiter
abnimmt.

Keine Regel ohne Ausnahme und die betrifft die Regionen vom östlichen SH über
Mecklenburg und HH bis hinunter ins nordöstliche NDS, wo es zu schauerartigen,
sich kaum verlagernden Regenfällen und anfänglichen Gewittern kommt. Antreiber
sind PVA auf der Nord-Nordwestflanke des Höhentiefs sowie ein sich unweit von
Fehmarn einkringelndes kleines Bodentief. Deterministisch werden lokal um 15
l/m², in den hochaufgelösten ICON-Modellen sogar über 20 l/m² innert 12 h
angeboten. ICON-D2-EPS signalisiert ebenfalls geringe Wahrscheinlichkeiten für
Starkregen > 20 l/m² innert 6 h. Wahrscheinlich wird es aber nicht für eine
präventive Warnung reichen. Ob im Nachtverlauf noch Gewitterwarnungen nötig sein
werden, ist zweifelhaft, auch wenn vereinzelte elektrische Entladungen nicht
gänzlich auszuschließen sind. Genauso fraglich ist, ob in den frühen
Morgenstunden von Tschechien und SW-Polen Schauer und einzelne Gewitter auf das
östliche Sachsen übergreifen, wie von ICON13 und ICON6_Nest in den Frühläufen
simuliert. Zwar wird diese Variante im neuesten Lauf von 12 UTC noch immer
angedeutet, die externen Vertreter spielen das Spielchen aber nicht so richtig
mit.

Darüber hinaus ist nur noch festzuhalten, dass bei weiter abnehmenden
Luftdruckgegensätzen der ohnehin alles andere als fidele Wind (Ausnahme
schleswig-holsteinische Nordseeküste, wo ein Bodentrog den Nordwestwind am Abend
noch mal kurzzeitig aufleben lässt) gänzlich in den Schlaf des Gerechten fällt,
was zwei wesentliche Konsequenzen hat. Dort, wo es für längere Zeit aufklart –
in der Südhälfte eher als im Norden -, bilden sich in der vom Regen
angefeuchteten Luft einige Nebelfelder. Dort, wo es ebenfalls für längere Zeit
aufklart, die Luft aber weniger feucht ist, geht die Lufttemperatur zumindest
lokal in Richtung Gefrierpunkt zurück. Am prädestiniertesten dafür sind enge
Mulden und Senken, wohingegen Frost in Bodennähe im Süden sicherlich häufiger
auftritt. Aber auch weiter nördlich kommt die Nacht alles andere als lau daher.
Zweistellige Tiefstwerte nahe 10°C gibt es allenfalls direkt am Meer bzw. knapp
hinterm Deich.

Montag … zieht das Höhentief – wir nennen es der Einfachheit halber die #1 –
langsam über die Pommersche Bucht auf die Ostsee hinaus. Gleichzeitig erreicht
ein weiteres Höhentief – die #2 – von der Norwegischen See kommend Schottland.
Getrennt werden die beiden „Eier“ durch einen flachen Rücken bzw. Höhenkeil, der
sich von Westen her immer näher an den Vorhersageraum heranschiebt.
Vorderseitiges Absinken bewirkt eine Stabilisierung und Abtrocknung der zusehend
alternden maritimen Polarluft. Entsprechend bleibt es in weiten Teilen West- und
Südwestdeutschlands weitgehend trocken, wohingegen im Nordwesten aufgrund etwas
höherer Feuchte einzelne Schauer möglich sind. Die meisten Sonnenstunden treten
im Süden (BaWü, weite Teile Bayerns abzüglich des äußersten Südostens) auf, wo
die Quellungen unterhalb der Absinkinversion bei 750 bis 700 hPa am wenigsten
dicht ausfallen.

Die wetteraktivste Zone verläuft morgen etwa von Oberfranken über die östlichen
Landesteile bis zur Ostsee und von dort noch etwas weiter nach Westen
ausgreifend (SH, HH, nordöstliches NDS). Quasi im Schlepptau der #1 ist die
immer noch kühle Luftmasse (T850 um oder nur wenig über 0°C) labil und auch
feucht genug, um etwas CAPE zu generieren. Diese Labilitätsenergie wiederum kann
mit Hilfe des Tagesgangs in Schauer und einzelne Gewitter umgesetzt werden.
Außerdem hält sich im Vierländereck SH, MV, NDS und HH noch für längere Zeit der
schauerartige Regen aus der Nacht, bei dem gebietsweise weiter 5 bis 10, lokal
um oder etwas über 15 l/m² über den Tag hinweg zusammenkommen können. Ansonsten
besteht bei sehr langsam ziehenden Zellen trotz des limitierten
Wasserdampfgehalts (PPW etwa 15 bis 18 mm) lokale Starkregengefahr, was von
ICON-D2-EPS z.B. in Vorpommern und im Erzgebirge auch angezeigt wird
(stellenweise 30-50% Wahrscheinlichkeit). Die anderen Begleiterscheinungen wie
kleiner Hagel oder steife Böen 7 Bft treten dem gegenüber in den Hintergrund,
sind aber gerade in dieser Jahreszeit mit dem hohen Sonnenstand nicht
kategorisch auszuschließen.

Noch ein Satz zu den Druckverhältnissen, die morgen derart flach ausfallen, dass
in den Mittags- und Nachmittagsanalysen wahrscheinlich keine einzige
Hauptisobare erscheint. Das kleine Tief füllt sich auf seinem Weg entlang der
deutschen Ostseeküste auf über 1010 hPa auf und sonst reicht die Spanne gerade
mal von 1011 bis 1014 hPa. Dass angesichts solcher Verhältnisse windmäßig so gut
wie nichts geht, ist evident. Während im Norden die Temperatur nur sehr
schleppend aus dem Quark kommt (13 bis 16°C), zeigen sich im Süden zaghafte
Aufwärtstendenzen mit bis zu 21°C im südlichen Oberrheingraben sowie am
Hochrhein.

In der Nacht zum Dienstag wandert der Keil langsam über Deutschland hinweg
ostwärts. Dabei macht er gemeinsame Sache mit dem Tagesgang, was den anfänglich
noch auftretenden Regenfällen und Gewittern nicht gut bekommt. Mit anderen
Worten, Schauer und Gewitter lassen rasch nach, am längsten halten sie sich noch
in Ostseenähe. Hinter dem Keil setzt im Süden und Südwesten WLA ein, mit der
nach vorherigen Auflockerungen hohe und mittelhohe Bewölkung herangeschafft
wird. Nicht ausgeschlossen, dass am frühen Morgen hier und da ein paar wenige
Tropfen fallen. Ansonsten kann sich bei längerem Aufklaren wieder Nebel bilden
und im Osten sowie in ungünstigen Mittelgebirgslagen ist leichter Frost in
Bodennähe möglich.

Dienstag … verlässt uns der Höhenkeil in Richtung Ostsee und Polen. Dahinter
weiter das Höhentief #2 über Schottland seine Fühler in Form eines Troges bis
nach Norddeutschland aus. Südlich davon nimmt die west-südwestliche, zyklonal
konturierte Höhenströmung allmählich zu, wobei kurzwellige Anteile von West nach
Ost durchgeschleust werden. Das Bodendruckfeld bleibt hingegen extrem
gradientschwach, so dass der Bodenwind keine nennenswerte Rolle spielt. Dafür
geht es zum Ende des meteorologischen Frühlings temperaturmäßig bergauf,
insbesondere im Süden, wo T850 auf 6 bis 10°C ansteigt. In Verbindung mit teils
längerem Sonnenschein bedeutet das Tagesmaxima von bis zu 23°C, aber auch sonst
sind mit 16 bis 20°C zaghafte Lichtblicke erkennbar. Lediglich direkt am Meer
bleibt es noch etwas frischer.

Wettermäßig gestaltet sich der Tag recht diffizil. Grundsätzlich lässt sich
konstatieren, dass die alternde Luftmasse noch immer labil genug ist, um gute
Voraussetzungen für konvektive Umlagerungen zu gewährleisten. Das große Aber
kommt aber gleich hinterher und skizziert die unterschiedlichen
Feuchteverhältnisse innerhalb des Vorhersageraums. Damit erklärt sich auch,
warum die Numerik eine vergleichsweise heterogene Verteilung von CAPE anbietet
und die Prognose entsprechend mit Unsicherheiten behaftet ist. Herausarbeiten
lässt sich derzeit ein Minimum konvektiver Aktivität im Nordosten und Südwesten
des Landes, durch einen leicht föhnigen Einschlag aber auch an den Alpen und im
Vorland. Dort könnte allerdings schauerartig verstärkter Regen aus der Schweiz
und dem Vorarlberg übergreifen. Ansonsten entwickeln sich erneut Schauer und
einzelne Gewitter, bei denen die Starkregengefahr aufgrund nunmehr höherer
Verlagerungsgeschwindigkeiten der Zellen gegenüber den Vortagen abnimmt.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der Kern des „schottischen“ Höhentiefs zur
westlichen Nordsee. Es hat mittlerweile eine stark elliptische Form angenommen,
deren große Halbachse bis hinüber zur westlichen Ostsee reicht. Südlich davon
stellt sich eine (aal)glatte Westströmung ein, aus der sich keine nennenswerten
Hebungsantriebe ableiten lassen. Einzig etwas WLA ist wirksam, die
wahrscheinlich aber nicht ausreicht, größere Niederschläge zu generieren.
Allerdings nehmen die Modellunterschiede diesbezüglich zu, so dass das letzte
Wort noch nicht gesprochen ist. Für durchziehende Schichtbewölkung wird es schon
reichen, wenn auch nicht flächendeckend über ganz Deutschland verteilt. Bei
letztlich unterschiedlichen Bewölkungsverhältnissen wird es zwar nicht mehr ganz
so frisch wie in den Vornächten, aber immer noch frisch genug (meist unter 10°C
Minimum). Die Gefahr von Luftfrost oder leichtem Frost in Bodennähe sollte aber
gebannt sein.

Mittwoch … verlagert sich das Höhentief #2 langsam gen Jütland. Auf seiner
Südflanke dreht die Höhenströmung leicht zurück auf West-Südwest und auch der
weiterhin nur schwache bodennahe Wind bekommt mehr und mehr eine südliche bis
südwestliche Komponente. Damit gelangt immer wärmere Luft vor allem in den Süden
und die Mitte, während sich im Norden noch Reste der gealterten maritimen
Polarluft halten (T850 am Mittag bei 3°C über der Deutschen Bucht und bis zu
12°C im höheren Alpenvorland => Höchstwerte von 19 bis 25°C, nur ganz im Norden
noch etwas weniger).

Wettermäßig kristallisieren sich drei Zonen heraus: erstens im Norden (Nähe zum
Höhentief) Schauer und kurze Gewitter, zweitens im äußersten Süden aus der
Schweiz und den Alpen heraus schauerartige Regenfälle mit eingelagerten
Gewittern (zonale Luftmassengrenze??) und drittens ein mittiger Streifen mit
kompensatorischem Absinken (=> heiter bis wolkig und meist trocken). Details
dazu in den nächsten Übersichten…

Modellvergleich und -einschätzung

Die großen Muster werden sehr ähnlich simuliert. In den Details knirscht es
hingegen noch etwas, insbesondere ab Dienstag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann