Thema des Tages

Windscherung: Gefahr für den Luftverkehr

Korrigierte Passage:



Turbulenzen während des Fluges - für jeden Reisenden unangenehm. 
Windscherungen während der Start- und Landephase eines Fluges können 
sogar eine ernste Gefahr darstellen. Was Windscherungen sind und 
welche Auswirkungen für die Luftfahrt hat, klären wir im heutigen 
Thema des Tages. 


 Unter dem Begriff Windscherung versteht man eine Änderung der 
Windgeschwindigkeit oder Windrichtung über eine relativ kurze Distanz
in der Atmosphäre. Je geringer die Distanz ist, über welche der 
Richtungs- oder Geschwindigkeitswechsel auftritt, desto stärker ist 
die Scherung. Für ein Luftfahrzeug sind insbesondere die Low-Level 
Windscherungen (also in niedrigen Höhen über dem Erdboden) 
entscheidend. Windscherungen sind regelmäßig mit Turbulenzen 
verbunden. Das führt im einfacheren Fall bloß zu einem unruhigen 
Flug, gegebenenfalls aber auch zu ernsten Problemen und Gefahren 
während der Start- und Landephase. So können bei einem in der Luft 
befindlichen Flugzeug Windscherungen und Turbulenzen zu strukturellen
Überlastungen führen und ein heftiges Durchsacken oder Hochsteigen 
des Flugzeugs bewirken. 

Low-Level Windscherungen beruhen auf Änderungen der vertikalen und 
horizontalen Komponente des räumlichen Windvektors (siehe 
www.dwd.de/lexikon), so dass man auch in horizontale und vertikale 
Windscherungen unterscheidet. Horizontale Windscherungen beeinflussen
ein Luftfahrzeug wesentlich stärker als vertikale, da es bei Start 
oder Landung horizontal eine größere Strecke zurücklegt als in 
vertikaler Richtung und deshalb viel schneller unter andere 
Windeinflüsse geraten kann.

Unter horizontaler Windscherung versteht man die Änderung der 
Windgeschwindigkeit und/oder -richtung in einem bestimmten 
horizontalen Abstand. Diese Scherungen treten beispielsweise häufig 
in der Umgebung von kräftigen Gewittern auf. Die aus einem Gewitter 
herabstürzende Kaltluft breitet sich dabei in Erdbodennähe horizontal
in allen Richtungen aus und kann starke Windböen verursachen. Die 
Gewitterböe ist umso heftiger, je größer der Temperaturunterschied 
zwischen der ausfallenden Kaltluft und der Umgebungsluft ausfällt. 
Oberhalb der Kaltluft strömt warme Luft aus der entgegengesetzten 
Richtung in die Gewitterzelle ein. Besonders gefährlich sind 
sogenannte "Downbursts", die je nach Heftigkeit bzw. zeitlicher und 
räumlicher Ausdehnung als Macro- oder Microburst bezeichnet werden. 
Microbursts können besonders starke horizontale Windscherungen 
verursachen. Beim Durchfliegen eines Microbursts zwischen 
Gewitterzelle und Landebahn kann eine totale Windrichtungsänderung 
stattfinden. Die plötzliche Verringerung des Gegenwindes bewirkt eine
Auftriebsabnahme, so dass das Flugzeug an Höhe verliert, wenn der 
Pilot nicht korrigierend eingreift. 

Horizontale Windscherungen entstehen ebenfalls durch Störungen und 
Verwirbelungen der bodennahen Luftströmung aufgrund örtlicher 
Hindernisse wie Gebirge oder Hügel aber auch durch große Gebäude wie 
beispielsweise Flugzeughangars. Darüber hinaus werden in der Umgebung
von Bodenfronten und deren zugehörigen räumlich breiter gefassten 
Frontalzonen (Luftmassengrenzen) teils starke horizontale 
Windscherungen beobachtet. Immer dann, wenn ein Flugzeug eine 
Frontalzone durchquert, wird es Scherungen antreffen. Geschieht dies 
bodennah und sind diese stark ausgeprägt, können die Scherungen eine 
mögliche Gefahr für das Luftfahrzeug bedeuten. Winterliche 
Warmfronten mit markanten Luftmassengegensätzen gelten dabei als 
besonders scherungsträchtig.

Im Bereich einer 2 - 4 km langen Start- und Landebahn sind 
horizontale Windrichtungs- und Geschwindigkeitsänderungen von mehr 
als 10 Knoten durchaus nicht ungewöhnlich. Horizontale Windscherungen
treten nicht alleine auf, sondern sie sind meist mit vertikaler 
Scherung und Turbulenz verbunden. 

Die Änderung der durchschnittlichen horizontalen Windgeschwindigkeit 
und -richtung mit der Höhe wird als vertikale Windscherung 
bezeichnet. Die Mehrzahl der Fälle mit starker vertikaler Low-Level 
Windscherung treten bei stabilen atmosphärischen Bedingungen auf. Das
bedeutet, dass starke vertikale Scherungen meist nachts und/oder in 
Verbindung mit markant ausgeprägten Inversionen oder sogenannten 
Low-Level Jets (ein vertikal eng begrenztes Windmaximum in bodennahen
Luftschichten) beobachtet wurden. 
Die vertikale Windscherung ist im Allgemeinen von geringerer 
Bedeutung, da die Scherungswerte üblicherweise nicht sehr groß 
werden.

Wie bereits eingangs erwähnt haben Windscherungen im Landeanflug oder
im Steigflug den stärksten Einfluss auf Luftfahrzeuge, da diese sich 
in beiden Fällen mit reduzierter Geschwindigkeit bewegen. In der 
Luftfahrt wird die Windscherung aufgrund des Gewinnes oder Verlustes 
der Fluggeschwindigkeit als negative und positive Windscherung 
bezeichnet. So kann eine negative Windscherung im Landeanflug 
unvermittelt einen Auftriebsverlust (eine Zunahme der 
Rückenwindkomponente oder Abnahme der Gegenwindkomponente) mit einem 
plötzlichen Abfall der Geschwindigkeit der anströmenden Luft 
bewirken, so dass ein sofortiges Durchstarten mit voller 
Triebwerksleistung erforderlich wird. Eine positive Windscherung 
hingegen stellt keine unmittelbare Gefahr für das Flugzeug dar, da 
ein zusätzlicher Auftrieb durch die Zunahme der Gegenwindkomponente 
oder Abnahme der Rückenwindkomponente erreicht wird. Gefährlich wird 
es jedoch, wenn nach einer positiven Windscherung die Leistung 
reduziert wird und es dann zu einer negativen Windscherung mit einem 
Wegfall der vorherigen zusätzlichen Gegenwindkomponente kommt. 
Windscherungen müssen daher rechtzeitig erkannt werden, um 
Flugunfälle zu vermeiden. 


M.Sc. Meteorologe Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 16.02.2020

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