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Thema des Tages
El-Niño – „ein Christkind“ beeinflusst wohl wieder das Weltklima
Nachdem es bis in den Frühling diesen Jahres hinein bei negativen Anomalien der Oberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik keine Signale für ein neues El-Niño-Ereignis gab, steht das
„Christkind“(spanisch: El-Niño) nun pünktlich zum Ende des Jahres vor der Tür. Im Laufe des Jahres stiegen die Wassertemperaturen im Vergleich zum vieljährigen Mittel in den für El-Niño bekannten Pazifikregionen stetig an und erreichten nun Ende November positive Abweichungen von über einem Grad (vgl. Graphik 1).
Ein wesentlicher Grund für das El-Niño-Phänomen sind schwächelnde Passatwinde. Der Passat ist dabei ein mäßig starker und beständiger Wind im Bereich der Tropen oder teilweise auch der Subtropen (bis etwa 30° nördlicher oder südlicher geographischer Breite), der rund um den Erdball auftritt und häufig küstenparallel an den Westküsten der Kontinente weht. Allgemein unterscheidet man zwischen dem Nordost-Passat auf der Nordhalbkugel und dem Südost-Passat auf der Südhalbkugel (vgl. Graphik 2).
Da die Oberflächenströmungen der Meere im Wesentlichen durch Wind angetrieben werden, sind im tropischen und subtropischen Ozean in erster Linie die beschriebenen Passatwinde für Meeresströmungen verantwortlich. Dabei gibt der Wind durch die Reibung einen Impuls (Bewegungsgröße, Stärke einer bewegten Masse) an das Wasser der oberflächennahen Schichten des Ozeans ab. Das Wasser wird
entsprechend mit der Windrichtung „gezogen“. Durch die Erdrotation wirkt auf bewegte Flüssigkeiten oder Gegenstände jedoch eine ablenkende Kraft, die sogenannte Corioliskraft (vgl. unter
www.dwd.de/lexikon, Stichwort „Corioliskraft“. Mit der Tiefe nimmt die Abweichung der Wasserströmung von der herrschenden Windrichtung stetig zu, bis der Windimpuls seine Antriebskraft komplett verliert und das Wasser steht. Über die gesamte Tiefe gemittelt kommt es daher zu dem Effekt, dass sich das Wasser nicht in Windrichtung, sondern in eine Richtung senkrecht zum Wind bewegt. Bei einem nördlichen Wind auf der Nordhalbkugel ergibt sich somit ein Nettowassertransport nach Osten.
Durch diesen sogenannten „Ekman-Transport“ wird im Normalfall das küstennahe relativ warme Oberflächenwasser westwärts von den Küsten weg auf den Ozean getrieben. Da durch die Kontinente von Osten kein Wasser nachströmen kann, quillt aus Massenerhaltungsgründen kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser auf und ersetzt somit das
abtransportierte warme Wasser an der Oberfläche.
Schwächeln nun die Passatwinde wird weniger warmes Oberflächenwasser von den Küsten Südamerikas ostwärts Richtung Australien und Indonesien transportiert, sodass das kalte Tiefenwasser kaum oder gar nicht aufquillt. Dadurch befindet sich das wärmste Wasser nicht mehr über Südostasien, sondern weiter östlich in Richtung der Westküste Südamerikas. Der Weg für ein El-Niño-Ereignis ist frei.
Als Maß für die Bewertung und Vorhersage der
„El-Niño-Southern-Oscillation (ENSO)“ wird beispielsweise der sogenannte „Ozean Niño Index (ONI)“ verwendet, der auf den mittleren dreimonatigen Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen in der Niño3.4 Region (170° W bis 120° W, 5° S bis 5° N) basiert (vgl. Graphik 1). Als Referenz dienen verbesserte und homogene historische Analysen der Oberflächenwassertemperatur für den 30-jährigen Zeitraum zwischen 1981 und 2010. Ein El-Niño-Ereignis ist dabei durch einen positiven ONI größer oder gleich 0,5 Grad definiert. Bei einem La Niña-Ereignis liegen ONI-Werte kleiner oder gleich -0,5 Grad vor. Für die Monate August, September und Oktober 2018 wurde für die Niño3.4 Region als aktueller ONI-Wert eine positive Abweichung der
Oberflächenwassertemperatur von 0,4 Grad festgestellt.
Laut den Modellprognosen ist damit der Startschuss für ein neues El-Niño-Ereignis gegeben. Demnach soll sich der ONI im Mittel über alle Modellläufe (gesamtes Ensemble) bis ins Frühjahr hinein auf einen Wert um 1 Grad einpendeln, aber auch in der Folge bei leichter Abschwächung signifikant positiv bleiben (vgl. Graphik 3). Selbst für die Monate Juli, August und September des Jahres 2019 werden noch positive Wassertemperaturabweichungen über 0.5 Grad vorhergesagt. Entsprechend liegt die Wahrscheinlichkeit von El-Niño-Bedingungen im tropischen Pazifik bis ins Frühjahr 2019 um 80%, ab April etwa noch um 50% (vgl. Graphik 4). Insgesamt kann man nach derzeitigem Stand von einem „normalen“ und nicht von einem überdurchschnittlich stark ausgeprägten El-Niño-Ereignis ausgehen.
Da El-Niño ein großräumiges meteorologisches Phänomen im äquatorialen Pazifik ist und somit einen wesentlichen Einfluss auf die zentralen Zirkulationssysteme hat, können dem „Christkind“ nahezu weltweit meteorologische Auswirkungen zugeschrieben werden. Der Nachweis wird über statistische Untersuchungen geführt und hat bislang deutliche Auswirkungen vor allem für den nördlichen Pazifik und Nordamerika bestätigt. Weniger deutliche Wechselwirkungen sind zwischen ENSO und dem Nordatlantik sowie Europa bekannt.
Meist kommt es bei einem El-Niño-Ereignis über dem Pazifik und an der Westküste Südamerikas zu starken Niederschlägen. Im Gegenzug dazu herrscht im westlichen äquatorialen Pazifik, wo normalerweise reichliche Niederschläge fallen, außergewöhnliche Trockenheit. Auch in Südostasien und Australien bleibt es als Folge des „Christkindes“ verhältnismäßig trocken und warm, sodass häufig Dürren auftreten. Als Fernfolge von El-Niño überwiegen z.B. im Bereich des Amazonas, wo normalerweise typisch tropisch-feuchte Verhältnisse herrschen, nun längere trockene Phasen. Auch in Südafrika ist das „Christkind“ durch eine überdurchschnittlich warme und sehr trockene Witterung spürbar. Im südlichen Teil von Nordamerika zieht die El-Niño-Phase dagegen meist ein feuchtes und kühles und im Nordwesten ein
überdurchschnittlich warmes Wetter nach sich (vgl. Graphik 5).
Ob und in welcher Größenordnung sich das anstehende El-Niño-Ereignis auf das Wetter in Deutschland auswirkt, ist nicht abzusehen.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.11.2018
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