Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Im "Auge" des Tornados
Wie sieht es eigentlich im Inneren eines Tornados aus? Gibt es dort
ebenfalls ein windstilles, wolkenfreies Auge wie beispielsweise in
einem Hurrikan? Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.
Sicherlich haben Sie schon einmal etwas über den Katastrophenfilm
"Twister" aus dem Jahre 1996 gehört oder vielleicht auch schon
(mehrfach) gesehen? Am Ende des Films kommt es zum großen "Showdown",
als sich Bill (Bill Paxton) und Jo (Helen Hunt) im Inneren eines
ausgewachsenen Tornados befinden und beim Blick nach oben den blauen
Himmel sehen können. Nun stellt man sich vielleicht die Frage, ob das
eigentlich wirklich so ist. Schnell kommen einem dabei wohl Bilder
eines Hurrikans mit einem wolkenfreien und windstillen Auge in seinem
Zentrum in den Kopf. Ist das bei einem Tornado vielleicht auch so?
Bevor wir der Sache auf den Grund gehen und um Verwechslungen und
Missverständnisse zu vermeiden, sei folgendes gesagt: Hurrikans
beziehungsweise tropische Wirbelstürme und Tornados sind zwei völlig
verschiedene Wetterphänomene, die quasi nichts miteinander zu tun
haben. "Quasi" deshalb, da tropische Wirbelstürme Tornados auslösen
können. Für ein extremes Beispiel dazu sorgte Hurrikan Milton Anfang
Oktober letzten Jahres. Er verursachte in Florida einen
Tornadoausbruch mit sage und schreibe 45 bestätigten Tornados an
einem Tag (entspricht etwa der mittleren Tornadoanzahl in Deutschland
in einem Jahr).
Bild 1 - zentriert
Tropische Wirbelstürme sind weitaus größer und langlebiger als
Tornados. Während erstere einen Durchmesser von weit über 1000 km
haben und über mehrere Tage bestehen können, messen Letztere in der
Regel einen Durchmesser von "nur" einigen hundert Metern und dauern
häufig weniger als eine Stunde. Tornados entstehen an der Unterseite
einer Schauer- oder Gewitterwolke. Bei tropischen Wirbelstürmen
handelt es sich grob gesagt um die Ansammlung von Gewittertürmen, die
aufgrund der Corioliskraft beginnen, sich um ein gemeinsames Zentrum
zu drehen.
Bild 2 - zentriert
Soweit erst einmal zu den Grundlagen. Springen wir nun direkt ins
Innere eines Tornados!
Videos aus dem Inneren eines Tornados bzw. von Leuten, die sich in
ihrem Auto von einem Tornado überrollen lassen (nicht nachmachen!!!),
gibt es durchaus einige im weltweiten Web. Ein besonderes Exemplar
dazu hat Reed Timmer zu bieten, einer der weltweit bekanntesten
Sturmjäger und Tornadoforscher (Link zum Video:
https://www.youtube.com/watch?v=T3yF5-OsijM). Mit seinem extra auf
die extremen Bedingungen im Umfeld eines Tornados ausgerichteten
Autos, dem "Dominator", stellte er sich mit seiner Crew direkt in die
Zugbahn eines Tornados. Es handelte sich um einen Tornado bei
Spalding, Nebraska, einem, wie sich später herausstellte EF3-Tornado,
was Windgeschwindigkeiten zwischen 218 und 265 km/h entspricht. Mehr
zu Tornadoskalen finden Sie zum Beispiel im Thema des Tages vom
11.04.2024
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2024/4/11.html).
Bild 3 - zentriert
Dank der am Dominator angebrachten Messinstrumente konnten zahlreiche
Daten aus dem Inneren des Tornados gewonnen werden. Während der
Windmesser durch den Tornado leider beschädigt wurde, lieferte die
Auswertung der Druckdaten eindrucksvolle Ergebnisse. Demnach sank der
Luftdruck bei Überquerung des Tornados vorrübergehend um knapp 55
hPa! Direkt nach Durchgang des Tornados stieg der Druck innerhalb von
nur 0,75 Sekunden um 23 hPa an! Diese extremen Druckänderungen sind
letztlich die Erklärung für die enormen Windgeschwindigkeiten.
Was man in dem Video noch sieht: Während der Wind anfangs noch von
hinten kommt, dreht er rasch nach rechts, ehe er mit Durchgang des
Hauptwirbels plötzlich direkt von vorne zuschlägt. Während des
letztgenannten Richtungswechsels kann man tatsächlich eine
kurzzeitige Windabnahme erkennen. Hierbei aber von Windstille zu
sprechen, wäre schon eher vermessen. Innerhalb eines Tornados werden
zudem auch immer wieder sogenannte Mikrowirbel beobachtet, die dort
hin und her sausen und für die höchsten Windgeschwindigkeiten eines
Tornados verantwortlich sind.
Von einem wolkenarmen Auge ist nicht einmal ansatzweise etwas zu
sehen - aber wie auch? Ein Tornado entsteht, wie oben bereits
beschrieben, unterhalb einer Schauer- oder Gewitterwolke oder anders
ausgedrückt: Über einem Tornado ist enorm viel Wolke! Während ein
Tornado meist mehrere 100 m hoch ist, kann die darüber befindliche
Wolke über 10 km hoch in den Himmel ragen.
Die zu Beginn des Textes beschriebene Szene am Ende von "Twister" ist
also absoluter Nonsens. Dem Kultstatus dieses Films tut das aber
natürlich kein Abbruch 😉
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.05.2025
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