Thema des Tages

Verfrühter „Martinssommer“?

Das Jahr des „Sommers“ zeigt weiter kaum Schwächen! Auch zum Jahresausklang haben die sommerlichen Begriffe wie Spätsommer, Altweibersommer, goldener Oktober oder nun der Martinssommer Hochkonjunktur. Typische Kälteeinbrüche sind selten und kurz. Stattdessen dominieren bei deutlich überdurchschnittlicher
Sonnenscheindauer zweistellige Höchstwerte.

Verantwortlich für die außergewöhnlich stabilen Witterungsbedingungen sind nahezu gleichbleibende bzw. rasch wiederkehrende
Luftdruckmuster. In diesem Jahr stehen die sogenannten blockierenden Wetterlagen ganz hoch im Kurs. Kräftige Hochdruckgebiete hinderten atlantische Tiefdruckgebiete daran Europa auf direktem Weg ostwärts zu überqueren. Da der hohe Luftdruck dabei meist über oder östlich von Deutschland lag und der tiefe Luftdruck, westlich strömte die Luft entsprechend der Drehbewegung der Druckgebilde überwiegend aus den warmen Regionen Südeuropas ins Land. War der Hochdruckeinfluss auch noch sehr stark ausgeprägt, konnte zudem auch die Sonne länger scheinen. Schon am 20. Oktober wurde dies im Thema des Tages mit dem Titel „Der Sommer im Herbst“ analysiert. Der einzige Hinweis, dass wir uns nun langsam dem Winter nähern, liefert das abnehmende Tageslicht und die Bildung von zähen Nebel- und Hochnebelfeldern bei Aufklaren in den länger werdenden Nächten.

Auch derzeit beherrscht ruhiges und teils sehr mildes Herbstwetter Deutschland. Temperaturen bis 20 Grad und nach Auflösung der Nebelfelder viel Sonnenschein werden im November häufig mit dem sogenannten „Martinssommer“ erklärt. Aus kalendarischer Sicht wäre er in diesem Jahr aber etwas früh dran. Dies lässt den Schluss zu, dass entweder auch in der kommenden Woche wieder milde und sonnige Herbsttage anstehen oder dass der Martinssommer in diesem Jahr einfach etwas verfrüht Einzug gehalten hat. Eine genaue Abgrenzung ist bei dem anhaltenden „Sommer im Herbst“ aber auch schwierig. Die mittelfristigen Wettersimulationen, die ab dem Wochenende einen eher unbeständigen und windigen Wettercharakter zeigen, sprechen aber für den zu frühen „Martin“.

Auch im letzten Jahr stiegen die Höchstwerte bei viel Sonnenschein in der ersten Novemberhälfte vor allem im Südwesten auf Werte zwischen 14 und 19 Grad an und ließen ein Frühlingsfeeling aufkommen. Der Martinssommer wurde also seinem Ruf auch im Jahre 2017 gerecht.

Völlig außergewöhnlich ist eine Wärmeperiode vor allem Mitte November jedoch nicht, schon die Bauernregeln geben Hinweise auf diese überdurchschnittlichen Temperaturen. Im Volksmund wird eine typische Schönwetterperiode aufgrund stabiler Hochdrucklagen gegen Ende der ersten Novemberdekade vor allem in der Schweiz und Süddeutschland als „Martinssommer“ oder „Martini-Sommer“ bezeichnet. Dort ermöglicht die Wärmeperiode in den Weinbaugebieten eine Novemberlese. Aus
meteorologischer Sicht gehören diese Tage zu den stetigen
Singularitäten. Mittlerweile wird der Ausdruck „Martini-Sommer“ im gesamten deutschsprachigen Raum angewendet.

Der Glaube an diese sogenannten Lostage geht auf Gebräuche des Altertums zurück, die später von der christlichen Kirche übernommen wurden. Im Mittelalter wurden diese Termine und andere Bauernregeln meist mündlich u.a. in „Bauernpraktiken“ sowie in
landwirtschaftlichen Kalendern überliefert. Im Falle des
„Martini-Sommers“ ereignete sich der Legende nach dieses
Wetterphänomen erstmals beim Tod des heiligen Martin im französischen Tours. Der Bischof starb unerwartet während eines Besuches im Kloster, das er gegründet hatte. Bei der Überführung seines Leichnams auf der Loire in die Stadt sorgte ein plötzlicher Wärmeeinbruch dafür, dass die Ufer neu ergrünten und Obstbäume zu blühen begannen. Dieser Vorgang wurde damals als vermeintliches Wunder angesehen. Der „Martinssommer“ ist demnach eine Zeit mit einigen warmen Tagen kurz vor der dunklen Winterzeit.

Dem Volksmund nach währt der „Martinssommer“ jedoch nicht lange. Ob dies auch in diesem Jahr zutrifft, muss abgewartet werden. Wie beschrieben zeigen die Wettersimulationen ab dem Wochenende eine Umstellung zu eher windigem und unbeständigem Wetter. Wie nachhaltig diese ist und ob eine blockierende Lage mit milden und trocken Wetterbedingungen mittel- bzw. langfristig erneut Einzug hält, werden die nächsten Tage zeigen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.11.2018

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