Thema des Tages

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Künstliche Intelligenz in der Wettervorhersage: Was kann GraphCast?

Die Künstliche Intelligenz (KI) hält immer mehr Einzug in die
Wettervorhersage, und aktuell sorgt GraphCast, ein
KI-Wettervorhersageverfahren, für Aufsehen. Laut einiger Berichte
soll GraphCast das Wetter genauer vorhersagen als je zuvor. Stellt
sich die Frage: Werden konventionelle Wettermodelle und Meteorologen
bald überflüssig? Was kann dieses KI-System, und wo liegen seine
Grenzen?

Numerische Wettermodelle arbeiten auf Grundlage physikalischer
Gleichungen, die die Atmosphäre beschreiben. Nach Erfassung des
Anfangszustandes der Atmosphäre, bei dem sämtliche Beobachtungsdaten
in das Wettermodell einfließen, werden die Gleichungen mithilfe von
Supercomputern in die Zukunft projiziert, um den zukünftigen
Wetterzustand zu ermitteln. Das derzeit beste Vorhersagemodell ist
das Integrated Forecast System (IFS), das am Europäischen Zentrum für
Mittelfristvorhersage (ECMWF) betrieben wird.

Künstliche Intelligenz-basierte Vorhersagemodelle wie GraphCast,
entwickelt von Google DeepMind, arbeiten anders. Sie berechnen keine
physikalischen Gleichungen, sondern basieren auf sogenanntem „Machine
Learning“, bei dem das Modell mithilfe eines programmierten
neuronalen Netzes Wetterentwicklungen aus historischen Wetterlagen
lernt. Um das System zu trainieren, wurden Daten aus der Zeit von
1979 bis 2017 aus einer Wetterdatenbank des ECMWF verwendet.
KI-Modelle erfordern deutlich weniger Rechenzeit als numerische
Wettermodelle. Statt mehrerer Stunden benötigt GraphCast weniger als
eine Minute für eine 10-Tagesvorhersage und kann sogar auf einem
gewöhnlichen Computer laufen. Doch wie steht es um die Qualität der
Vorhersage?

Dies wurde in einer Studie getestet, in der GraphCast gegen den
Hauptlauf des besten Modells IFS, HRES, antrat. Es stellte sich
heraus, dass GraphCast in den meisten Fällen dem HRES überlegen war
und in 90 % der Fälle verschiedene Parameter wie Wind, Temperatur und
Luftdruck in verschiedenen Höhen in einer 10-Tagesvorhersage genauer
vorhersagen konnte. Auch bei Extremwetterlagen wie Hitzewellen,
Hurrikans oder atmosphärischen Flüssen schnitt GraphCast besser ab,
obwohl es nicht speziell darauf trainiert wurde. Also doch die beste
Wettervorhersage aller Zeiten?

Hier muss man einschränken und genau betrachten, was verglichen
wurde. Der HRES hat eine Auflösung von 8×8 km, während GraphCast ein
Gitter von etwa 28×28 km besitzt. Die Modelle wurden auf dem gröberen
GraphCast Gitter verglichen, wodurch feinere Phänomene wie Gewitter
oder kleinräumige Wetterveränderungen nicht richtig erfasst werden
können. Lokalmodelle mit höherer Auflösung wie das ICON-D2 mit 2,1 km
könnten hier im Vorteil sein. Allerdings könnte man KI-Modelle auch
mit einer höheren Auflösung betreiben. Doch wie sieht es im
mittelfristigen Zeitraum aus?

Im Rahmen des Themas des Tages vom 14.11.2023 „Chaos in der
Wettervorhersage“ wurde deutlich, dass Meteorologen bei
Mittelfristvorhersagen und unsicheren Lagen auf sogenannte Ensembles
zurückgreifen. Hierbei wird ein Wettermodell, in diesem Fall das IFS,
mehrmals mit leicht variierten Anfangsbedingungen berechnet. Dies
berücksichtigt die Tatsache, dass das Wetter ein chaotischer Prozess
ist und leichte Abweichungen in den Anfangsbedingungen im Laufe der
Zeit zu erheblichen Unterschieden führen können. Obwohl GraphCast
besser abschneidet als jeder dieser Einzelläufe, bleibt es gegenüber
einem Ensemble-Mittel unterlegen. Das beschriebene Ensemble
ermöglicht statistische Aussagen über die Unsicherheit einer
Wetterlage und die Vorhersagbarkeit im Allgemeinen, was GraphCast
nicht leisten kann. Eine Studie zeigte, dass im Gegensatz zur
numerischen Wettervorhersage die Unterschiede in einem KI-Ensemble zu
langsam anwachsen. Obwohl KI-Modelle in der Muster- und
Verhaltenserkennung von Systemen exzellent sind, können sie das
grundlegende chaotische Prinzip der Wettervorhersage, auch als
„Schmetterlingseffekt“ bekannt, nicht reproduzieren. Somit vermitteln
KI-Modelle den Eindruck, dass die Wettervorhersage grenzenlos ist.
Zusätzlich „verschmiert“ GraphCast die Vorhersage bei unsicheren
Wetterlagen.

Zurückblickend auf unser Beispiel vom Thema des Tages am 14.11.
„Chaos beim Wetter“: Damals war die Vorhersage bezüglich der Passage
eines möglichen Sturmtiefs über Süddeutschland äußerst unsicher. In
Abbildung 1 werden der Bodendruck und die Windgeschwindigkeit in etwa
1500 m Höhe dargestellt. Links oben befindet sich die
3-Tagesvorhersage des HRES-Laufs, rechts oben der entsprechende
GraphCast-Lauf. Unten sind die Analysen für Donnerstag um 18 Uhr
(links) und Freitag um 00 Uhr (rechts) zu sehen. Letztendlich traf
das Sturmtief etwa 6 Stunden früher ein, jedoch nahezu so, wie es vom
HRES vorhergesagt wurde und brachte tatsächlich einen schweren Sturm
in Südwestdeutschland und in der Schweiz. Im Vergleich dazu war der
Sturm in GraphCast in diesem Beispiel zu schwach ausgeprägt.

Bezüglich der Vorhersage von Wetterextremen muss man ebenfalls von
Fall zu Fall differenzieren. Zum Beispiel wurde die explosive
Entwicklung des Hurrikans Otis weder vom HRES noch von GraphCast
zuverlässig erfasst. Dennoch lässt sich festhalten, dass KI-Modelle
wie GraphCast einen Meilenstein in der modernen Wettervorhersage
darstellen. Sie sparen erheblich an Rechenzeit und somit Kosten, sind
zu herkömmlichen Einzelläufen von Modellen konkurrenzfähig und können
sogar an spezifische Kundenanfragen angepasst werden. Der nächste
Schritt könnte die Verbindung von KI-Modellen mit herkömmlichen
Modellen sein. Alles in allem werden KI-Modelle weder die
herkömmliche numerische Wettervorhersage noch den Meteorologen
ersetzen, sondern können eher als zusätzliches, sehr gutes
Handwerkszeug betrachtet werden, mit dem der Meteorologe seine Arbeit
verfeinern kann.

(Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im
Internet unter www.dwd.de/tagesthema.)

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.11.2023

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