#DWD #Thema des Tages 2023-10-12: Die Smigielski-Mogil-Burt Vorhersagetechnik fütr außertropische Tiefdruckgebiete
Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Die Smigielski-Mogil-Burt Vorhersagetechnik für außertropische
Tiefdruckgebiete
Nicht nur in den Tropen, sondern auch in den Außertropen kann man
anhand von einzelnen Satellitenbildern die Intensität eines
außertropischen Tiefdruckgebietes abschätzen. Das heutige Thema des
Tages soll einen kleinen Einblick in diese Vorhersagetechnik
gewähren.
Im Thema des Tages vom 04.02.2023 wurde bereits eine
Vorhersagetechnik vorgestellt, mit der man anhand von
Satellitenbildern die Intensität tropischer Stürme ermitteln kann.
Dabei zeigte sich, dass diese Technik ihre Stärken und Schwächen hat,
jedoch bis heute trotz des Fortschritts in der Vorhersagetechnik
nicht aus dem operationellen Dienst wegzudenken ist.
Heute soll eine davon abgewandelte Technik vorgestellt werden, die
zwar in den Außertropen bei weitem nicht so häufig im operationellen
Dienst angewandt wird, wie die Dvorak Technik in tropischen Gefilden,
doch auch sie hat ihre Bewandtnis und Stärke. Der Fokus dieser
Technik liegt auf der Intensitätsbestimmung der uns bekannten
Herbststürme u.a. im Nordatlantik. Es handelt sich um die sogenannte
?Smigielski ? Mogil ? Burt Vorhersagetechnik, kurz: SMB Technik.
Sie wurde in den 80-iger Jahren entwickelt und somit zu der Zeit, wo
Herr Dvorak mit seiner Vorhersagetechnik beim Vorhersagedienst in
(sub)tropischen Bereichen immer mehr an Beachtung gewann. In der Tat
wurden einige Ansätze der Dvorak-Vorhersagetechnik mit eingebaut und
verschmolzen mit Beobachtungen u.a. von Junker und Haller. Diese
beiden Meteorologen versuchten bereits 1980 eine sinnvolle
Abschätzung des Bodendrucks an Hand von bestimmten Wolkenmustern im
Satellitenbild zu erstellen. Die SMB Technik kann daher als eine
Verschmelzung des Wissens von unterschiedlichen Meteorologen und
Vorhersagegebieten angesehen werden.
Der Nutzen dieser Technik liegt damals wie heute auf der Hand: die
Meere sind vergleichsweise datenarme Regionen mit Blick auf reale
Messungen. Natürlich werden mittlerweile alle Bereiche mehr oder
weniger häufig von Satellitenmessungen abgedeckt, die jedoch
ebenfalls ihre (Mess)Unschärfen haben. Viele dieser Messungen finden
zudem auf polarumlaufenden Satelliten statt, die einen
vergleichsweise kleinen Bereich mit sehr geringer zeitlicher
Auflösung abdecken. Schiffe, die Meldungen vom aktuellen Wetter
übermitteln könnten, meiden verständlicherweise die Regionen, wo es
für uns Meteorologen erst so richtig spannend und interessant wird
bzw. wo sich innerhalb der Numerik durch erhöhte Ungenauigkeiten
numerische Fehler entwickeln können. Die SMG Technik erlaubt es einem
Meteorologen mit vergleichsweise geringem Aufwand ggf. diese Lücken
zu überbrücken.
Nach der Durchsicht von Satellitenbildern von mehr als 60
Winterstürmen zwischen Oktober und April auf der Nordhemisphäre ergab
sich ein einheitlicher Ablauf, wo grob gesagt eine Zunahme
mehrschichtiger Bewölkung um ein Tiefzentrum (verstärkte
hochreichende Hebung) sowie eine zunehmende Krümmung dieser Bewölkung
für eine Intensivierung des Tiefdruckgebiets sprach. Verifiziert
wurde die Technik mithilfe jedmöglicher Daten, die in der Nähe oder
zentrumsnah ermittelt wurden (Bojen, Schiffsmeldungen, Landstationen
etc.). Anhand dieser Daten und physikalisch nachvollziehbaren
Extrapolationen konnte man sehr häufig die durch die SMB Technik
ermittelten Werte verifizieren bzw. falsifizieren. Um nicht die
Auswertung der SMB Technik zugunsten dieser Stationen zu verfälschen,
fand der Werteabgleich zwischen Messung und SMB Technik erst nach
deren Durchführung statt.
Die grobe Annahme in dieser Technik ist die, dass wenn sich ein
Tiefdruckgebiet entwickelt, sich dieses nach einem nachvollziehbaren
Muster bis zum Reifestadium weiterentwickelt. Dank dieser Annahme war
es nun auch möglich u.a. Entscheidungsbäume zu erstellen, die man in
der Folge an jedem außertropischen System anwenden konnte. Ein
solcher wurde mal eingefügt.
Ohne jetzt zu tief in die Handhabe dieser Technik einsteigen zu
wollen, so fällt auf, dass einer bestimmten Wolkenstruktur des
Tiefdruckgebietes ein entsprechender Luftdruckwert (mittig im Bild
und rot umrandet) zugeordnet wurde. Je besser der Wolkenwirbel
ausgeprägt ist, umso tiefer wird dessen Kerndruck angesetzt.
Auch hier ist das Hauptwerkzeug die sogenannte ?logarithmische
Spirale?, mit der bei der Dvorak-Technik das Ausmaß der gekrümmten
Konvektionsbänder für die Intensitätsbestimmung bei tropischen
Stürmen ermittelt wird. Wie bereits erwähnt, deutet die Krümmung der
Bewölkung auch bei den außertropischen Tiefdruckgebieten eine
Intensitätsänderung an. Je stärker gekrümmt, umso intensiver das
System, weshalb auch hier eine Verwendung diese Spirale möglich ist.
Je stärker das Tiefdruckgebiet ist, umso größer sind die Werte der
Vorticity (siehe Thema des Tages vom 11.09.2020) und umso besser
bilden sich bestimmte Wolkenstrukturen aus, die um das Zentrum des
Sturms angeordnet und repräsentativ für die Intensität des Tiefs
sind. Natürlich ist das nur ein Teil der Geschichte/SMB Technik, aber
bereits ausreichend, um sich an ein Beispiel heranzuwagen.
Schauen wir uns mal einen Wetterfall an, der vor wenigen Wochen im
September dieses Jahres auftrat. Am 27.09. entwickelte sich über dem
östlichen zentralen Nordatlantik ein kräftiges Sturmtief, das in der
Folge unter Abschwächung nach Irland zog und auf den Namen KILIAN
(int. AGNES) getauft wurde. Betrachten wir nun mal die von
unterschiedlichen Wetterdiensten durchgeführte Intensitätsabschätzung
zum 00Z Termin für diesen Tag, so wurden Werte von 968 hPa, 970 hPa
und 980 hPa analysiert. Kann hier die SMB Technik etwas Licht ins
Dunkle bringen, wer hier näher an der vermeintlichen Wahrheit lag?
Das Satellitenbild sollte helfen.
Im Bild links und in der Mitte ist das Wasserdampfbild abgebildet,
wobei das linke Bild die oberen Bereiche und das mittlere die
tieferen Bereiche der Troposphäre zeigt. Je roter/schwärzer, umso
trockener ist die Luftmasse. Rechts ist das RGB Wolken Tag und Nacht
Bild eingebaut. Je weißer die Farbe, umso hochreichender (vereister)
ist die Bewölkung.
Es ist eindrücklich zu erkennen, dass KILIAN zu diesem Zeitpunkt ein
veritables Sturmtief war, denn besonders im rechten Bild erkennt man
einen wunderschönen Wolkenkringel. Wenden wir nun die SMB Technik an.
Dazu setzen wir die logarithmische Spirale auf das Satellitenbild und
rotieren sie so lange, bis sie alle wichtigen Bereiche abdeckt.
Anschließend muss man nur noch die Zehntel der Spirale abzählen
zwischen dem Beginn des gekrümmten Wolkenkringels (in der
Meteorologie dank seines Aussehens als der ?Hammerkopf? bezeichnet)
und dem Bereich, wo sich die Spirale dem rückseitigen Ende des
baroklinen Bandes parallel nähert. In diesem Fall können wir auch die
Vorderseite des Bandes nehmen, dank seiner parallelen Ausrichtung.
Nun erhalten wir einen Wert von 7.5 Zehntel und wenn man das mit dem
Entscheidungsbaum abgleicht (rechts oben) kommen wir auf rund 970 hPa
(abzüglich 1 oder 2 hPa, da der Kommakopf weiter anwächst und sich
dem 8 Zehntel nähert). Von daher ist eine Intensitätsabschätzung von
rund 970 hPa sehr plausibel und wurde gegen 11 Uhr MESZ von der Boje
K2 mit etwas unter 970 hPa bestätigt (zu dem Zeitpunkt bereits wieder
auffüllend).
Wofür ist diese Technik heutzutage also noch gut? Zunächst muss man
im Hinterkopf behalten, dass die Technik trotz ihrer Stärken nur eine
Näherung darstellt und in einigen Fällen auch versagen kann (wenn
z.B. eine Tiefdruckentwicklung nicht nach einem typischen Schema
abläuft). Im besten Fall kann man sein Ergebnis mit realen Messwerten
vergleichen und ggf. den abgeschätzten Wert anpassen. Die Stärke
dieser Technik, auch in der heutigen, technisch beinahe schon
überfrachteten Zeit, ist aber vor allem in der einfachen Handhabung
zu finden, denn mit nur einem Bild und dem Wissen der bisherigen
Entwicklung lassen sich recht schnell gute Intensitätsabschätzungen
erzielen. Selbst heute kann man dann z.B. abschätzen, inwieweit die
Realität im Satellitenbild mit der numerischen Interpretation
übereinstimmt und inwieweit den numerischen Vorhersagen zu trauen
ist. Vor allem für marine Vorhersagen/Schiffsberatungen in datenarmen
Bereichen ist diese Vorhersagetechnik von daher sicherlich von
Interesse, insbesondere wenn auf den Schiffen nur eine begrenzte
Datenübermittlung möglich ist.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.10.2023
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