Thema des Tages
Wetter aktuell
Diagonale Zweiteilung
Die Witterung in Deutschland ist aktuell bestimmt durch sich kaum
oder nur langsam verändernde Luftmassen- und Druckunterschiede. Mehr
dazu im heutigen Thema des Tages.
Haupttext
Aufmerksamen Leserinnen und Lesern des Textes "Deutschlandwetter"
wird heute sowie an den vergangenen Tagen eventuell aufgefallen sein,
dass die bei uns üblichen, meteorologisch sinnvollen
Gebietszusammenfassungen nur dezenten Veränderungen unterworfen
waren. Häufig orientierte sich der Verfasser an einer Unterscheidung
zwischen den meteorologischen Vorgängen in der Südwest- bzw. der
Nordosthälfte. Diese diagonale Zweiteilung des Wetters in Deutschland
ist auch am heutigen Sonntag ziemlich passend und kann auch
meteorologisch erklärt werden.
Blickt man auf die aktuelle Bodenwetterkarte fällt einem sofort das
weiterhin umfangreiche Hoch mit Schwerpunkt über dem östlichen
Ostseeraum und dem Baltikum ins Auge. Dieses wurde auf den Namen TINA
getauft und beeinflusst zum Teil das Wetter in Deutschland.
Allerdings kann TINA keinen direkten Kontakt zum Randbereich des
Azorenhochs aufbauen, denn vom Vereinigten Königreich bis nach
Italien erstreckt sich eine flache Tiefdruckzone. Damit kann schon
mal festgehalten werden, dass Deutschland im Übergangsbereich dieser
beider Druckgebilde liegt.
Doch nicht nur die Druckverteilung bestimmt das Wettergeschehen,
sondern auch die vorhandene Luftmasse will ein gewichtiges Wörtchen
mitreden. Nun kann man diese zwar in erster Näherung allein durch die
Lufttemperatur (2 m) klassifizieren, doch das ist in den meisten
Fällen nur die halbe Miete und könnte einen auf den falschen Pfad
führen. Denn neben der Temperatur definiert auch die Luftfeuchtigkeit
den Charakter einer Luftmasse.
Zur Analyse der Luftfeuchtigkeit haben sich in der Historie eine
relativ große Anzahl an Kenngrößen etabliert, deren umfassenden
Erklärungen den Rahmen eines "Thema des Tages" sprengen würden.
Jedenfalls sollte aber der sogenannte "Taupunkt" genannt werden.
Dieser gehört zu den Luftfeuchteparametern und kann für allerhand
Zwecke herangezogen werden. Er bezeichnet jene Temperatur, auf die
ein ungesättigtes Luftpaket bei gleichbleibendem Druck über einer
ebenen, chemisch reinen Wasserfläche (Eisfläche beim Reifpunkt)
abgekühlt werden muss, um zur Sättigung zu gelangen. Im
Sättigungszustand beträgt die relative Luftfeuchtigkeit 100 Prozent.
Bei weiterer Abkühlung tritt Kondensation ein. Der Taupunkt wird an
den Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes im Gegensatz zur
Lufttemperatur nicht direkt gemessen, sondern aus der Temperatur und
der relativen Luftfeuchtigkeit mit Hilfe empirischer Formeln
berechnet.
In Abbildung (b) ist sehr schön zu erkennen, dass in großen Teilen
der Nordosthälfte Deutschlands am Sonntagnachmittag einstellige
Taupunktstemperaturen vorherrschen, während diese entlang des Rheins
sowie im Südwesten auf Werte von annähernd 15 Grad ansteigen. In
Verbindung mit den vorhergesagten Lufttemperaturen (10 bis 15 Grad im
Nordosten und über 20 Grad im Südwesten, siehe Abbildung(a)) kann
daher abgeleitet werden, dass im Nordosten eine trockene und weniger
warme, in der Südwesthälfte dagegen eine warmfeuchte Luftmasse
wetterbestimmend ist.
In einem weiteren Schritt können noch diverse abgeleitete
Temperaturen zur Diagnose und Prognose herangezogen werden. Eine
davon ist die sogenannte äquivalentpotentielle Temperatur. Diese ist
jene Temperatur, die feuchte Luft annähme, wenn der gesamte darin
enthaltene Wasserdampf bei konstantem Druck vollständig kondensieren,
die dabei freigesetzte Kondensationswärme ausschließlich dem
Luftpaket zugeführt und es anschließend trockenadiabatisch auf 1000
hPa gebracht würde. Damit kann mit diesem Parameter der Energiegehalt
der Luftmasse abgeschätzt werden und eignet sich daher gut als
Basisfeld bei der Frontenbestimmung, der natürlich eine
Luftmassenanalyse vorausgeht. In Abbildung (c) sieht man eindrücklich
die geringeren Werte im Nordosten und die höheren in der
Südwesthälfte mit einem Übergangsbereich zwischen der Nordsee und dem
westlichen Erzgebirge.
In der energiereicheren Luftmasse und durch den schwachen
Tiefdruckeinfluss im Südwesten entwickeln sich daher am heutigen
Nachmittag dort vermehrt Schauer und Gewitter, die überwiegend stark
mit Sturmböen, Starkregen und kleinem Hagel ausfallen können. Durch
die geringe Zuggeschwindigkeit der Gewitter ist aber örtlich auch
heftiger Starkregen möglich (Unwetter). In der Nacht klingen die
Gewitter langsam ab und gehen teils in schauerartigen Regen über. Der
in der energieärmeren Luftmasse befindliche Nordosten bekommt dagegen
davon überhaupt nichts mit.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.05.2023
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