Thema des Tages


Wissenschaft kompakt
Das Nachhallen der Stratosphäre

Nach dem Major-SSW (markante Stratosphärenerwärmung) vom 16.02.2023 
läuft derzeit die Finale Stratosphärenerwärmung ab, mit nachhaltigen 
Folgen für die troposphärische Zirkulation.
Das Echo des Major-SSW vom 16.02.2023 mit kompletter Windumkehr des 
zonal gemittelten zonalen Windes auf 60 Grad Nord und in 10 hPa 
(ca.31 km Höhe) hallte lange Zeit in der Troposphäre nach und trug im
Spätwinter/Frühjahr zur Aufrechterhaltung eines Blocking-Musters über
den nördlichen Breiten der Nordhemisphäre bei. 
Die troposphärischen Zirkulationsmuster ändern sich gerade erneut, 
bevorzugt in den mittleren und nördlichen Breiten der Nordhalbkugel. 
Einige der Veränderungen sind zumindest teilweise noch als 
Überbleibsel des Major-SSW von Mitte Februar und der damit 
einhergehenden nachhaltigen Störung der troposphärischen Zirkulation 
zu erklären (für zusätzliche Informationen siehe: 
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/2/23.html). 
Ein anderer Faktor ist die Finale Stratosphärenerwärmung (Final 
Warming des stratosphärischen Polarwirbels, SPV, um den 21.04.2023 
herum) mit dauerhaftem Umschwenken der zonal gemittelten zonalen 
Winde auf 60 Grad Nord und in 10 hPa auf Ostwinde und damit im 
Verlauf auch die saisonal bedingte, aber etwas verspätete 
(überwiegend strahlunsgbedingte) Auflösung des Polarwirbels in der 
mittleren und oberen Stratosphäre. Das etwas verspätete Final Warming
resultiert u.a. aus dem Major-SSW vom 16.02.2023 (hiernach insgesamt 
schwächere vertikale Wellenflüsse in die Stratosphäre) und führte 
bisher zu häufigere Lagen mit NAO bzw. AO negativ im Spätwinter und 
Frühjahr.
Die neuerliche Blockierung der hohen Breiten (Grönland-Blocking) in 
der kommenden Woche wird die Anomalien des Luftdrucks über Europa und
Nordamerika verändern, wobei die Temperaturen in weiten Teilen der 
mittleren und östlichen Vereinigten Staaten sowie über Teilen Nord- 
und teilweise auch Mitteleuropas niedriger als normal ausfallen 
dürften.
Mehr noch, der Blockierungstrend könnte auch im Mai noch nachhallen, 
da das Timing der Finalen Stratosphärenerwärmung (mit der 
troposphärischen Antwort AO-Index stark negativ, z.B. 
Grönland-Blocking) zusammenfällt mit der Umstellung auf die 
troposphärische Frühjahrszirkulation in den mittleren sowie 
allmählich auch in den hohen Breiten. Verbunden ist letzteres mit 
eher meridionalen Strömungsmustern und ebenso erhöhter 
Erhaltungsneigung (durch lange planetare Wellen), die sich durch 
deren große Amplitude teils bis ins Arktisumfeld ausbreiten und dort 
quasi-stationär liegenbleiben.
So könnten die oben genannten Faktoren die Andauer der beschriebenen 
Blockierungslagen insgesamt deutlich verlängern. Dieser Umstand ist 
auch der erweiterten Prognose des EZWMF-Modells für die wöchentlichen
Abweichungen der 2m - Temperatur für den Zeitraum 29.Mai bis 05. Juni
zu entnehmen. Demnach wird eine negative Temperaturabweichung über 
Nordeuropa, teils auch über Ost- und Mitteleuropa simuliert. Positive
Temperaturabweichungen sind dagegen über dem Nordatlantik und Teilen 
Grönlands zu verzeichnen. 
Anhand der aktuell weiterhin gestörten troposphärischen Zirkulation 
wird die Bedeutung von übergeordneten Faktoren (wie z.B. Zustand des 
Stratosphärischen Polarwirbels, SPV) für längerfristige Vorhersagen 
sehr anschaulich deutlich, die bis in den saisonalen 
Vorhersagebereich reichen können.


Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 23.04.2023

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