Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
IPCC-Bericht: Anleitung für eine lebenswerte Zukunft
Der Weltklimarat hat in dieser Woche einen zusammenfassenden
Lagebericht zur globalen Erwärmung veröffentlicht. Was sind die
Hauptaussagen?
Hunderte führende Wissenschaftler aus aller Welt haben über mehrere
Jahre hinweg die Ergebnisse von zehntausenden, bereits begutachteten
Studien gesichtet, diskutiert und bewertet. In drei Arbeitsgruppen
des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC), kurz
Weltklimarat, arbeiten diese Wissenschaftler zusammen und kommen
dabei aus verschiedenen Bereichen, wie z.B. Klima- und
Meeresforschung, Statistik, Ökonomie und Gesundheit. Dabei fasst die
1. Arbeitsgruppe den wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den
naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammen. Die 2.
Arbeitsgruppe schaut auf die Folgen der Erderwärmung und wie Natur
und Gesellschaft sich anpassen können und die 3. Arbeitsgruppe zeigt,
wie die Erderwärmung begrenzt werden kann.
Die drei Arbeitsgruppen haben ihre Ergebnisse bereits im August 2021,
sowie im Februar und April 2022 vorgestellt. Am Montag (20. März)
erschien nun der Synthesebericht, also die Zusammenfassung der
Teilberichte aus der sechsten Berichtsperiode ("AR6 Synthesis
Report").
Ein Überblick über die wesentlichen Ergebnisse:
- Die globale Durchschnittstemperatur hat bereits um etwa 1,1 °C im
Vergleich zum vorindustriellen Niveau zugenommen. Dabei ist die
Erwärmung nicht überall auf der Welt gleich - einige Regionen wie die
Arktis und Afrika erwärmen sich schneller als andere.
- Die zunehmende Erderwärmung führt zu stärkeren Hitzewellen,
häufigeren und intensiveren extremen Wetterereignissen sowie zu einem
Anstieg des Meeresspiegels und zunehmender Ozeanversauerung.
- Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben,
sind unverhältnismäßig stark betroffen: Fast die Hälfte der
Weltbevölkerung lebt in Regionen, die durch den Klimawandel besonders
gefährdet sind, wie Afrika südlich der Sahara, Teile von Asien sowie
Zentral- und Südamerika. Einige Gegenden werden irgendwann nahezu
unbewohnbar sein - z.B. wegen Hitze und Trockenheit oder im Falle von
Inseln und Küstenregionen durch Überflutungen (so wäre im Jahr 2060
mit +4 °C Erwärmung die halbe Erde nahezu unbewohnbar). Der
Klimawandel führt also auch zu einer Verschärfung von bestehenden
sozialen Ungleichheiten, Konflikten und Migration.
- Den Klimawandel zu begrenzen ist möglich, erfordert aber eine
sofortige und tiefgreifende Reduzierung der Treibhausgasemissionen in
allen Sektoren und eine drastische Veränderung unserer Lebensweise.
Mit den aktuellen Maßnahmen steuern wir auf eine Erwärmung von 3,2 °C
im Jahr 2100 zu. Um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, muss
die Weltgemeinschaft bis 2030 die Emissionen um die Hälfte senken und
selbst für das 2-Grad-Ziel müssen die Emissionen global sehr schnell
fallen.
- Jedes zehntel Grad macht einen Unterschied: Mit jeder noch so
kleinen Zunahme der globalen Erwärmung steigen die Risiken und die
Auswirkungen von abrupten und irreversiblen Veränderungen im
Klimasystem; einschließlich der Veränderungen, die durch das
Erreichen von Kipppunkten ausgelöst werden.
- Klimatische und nicht-klimatische Risiken werden sich zunehmend
gegenseitig beeinflussen und zu kaskadenartigen Risiken führen, die
komplexer und schwieriger zu beherrschen sind. (Beispiel: starke
Hitze beeinträchtigt u.a. Schienen- und Straßenverkehr, was
Lieferketten beeinflusst, was sich wiederum auf die wirtschaftliche
Produktion und Verteilung von Gütern auswirkt. Gleichzeitig ist bei
einer starken Hitzebelastung in manchen Berufen auch die
Arbeitsproduktivität beeinträchtigt.)
- Klimaschutz kostet, aber die Klimakrise kostet mehr: Der
wirtschaftliche Nutzen bei Erreichen des 2-Grad-Ziels liegt in den
meisten Studien höher als die Investitionen, die für Klimaschutz
nötig sind (dabei sind noch nicht einmal die Schäden eingerechnet,
die durch den Klimawandel verursacht werden). Allein die Vorteile für
die menschliche Gesundheit durch saubere Luft könnten die
Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen mindestens ausgleichen. Je
wärmer die Welt allerdings wird, desto mühsamer und teurer wird es,
sich anzupassen.
- Viele der Lösungen sind bereits vorhanden (wie Sonne, Wind, Erhalt
von Ökosystemen z.B. durch Aufforstung, etc.), bei denen wir gleich
in mehrfacher Hinsicht profitieren würden: sie bieten gesundheitliche
und ökonomische Vorteile (erneuerbare Energien sind sogar schon heute
günstiger als Energien aus fossilen Brennstoffen), und könnten sogar
zu mehr Gerechtigkeit beitragen und die Energieabhängigkeit von
totalitären Staaten reduzieren.
- Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte Zukunft für alle gesichert
werden kann, schließt sich rapide. Die Auswirkungen für die nächsten
Generationen hängen von unserem jetzigen Handeln und den
Entscheidungen ab, die wir in diesem Jahrzehnt treffen.
Vor dem Hintergrund des letzten Punktes rief auch UN-Generalsekretär
António Guterres bei der Vorstellung des Berichts zum Handeln auf:
"Die Klima-Zeitbombe tickt. Aber der heutige IPCC-Bericht ist ein
Leitfaden zur Entschärfung der Klima-Zeitbombe. Er ist ein
Überlebensleitfaden für die Menschheit."
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.03.2023
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