Thema des Tages
Wissenschaft Kompakt
Frühling in den Startlöchern
Zwar steht mit dem Tief YIGIT an diesem Wochenende noch einmal ein
bisschen Winterwetter ins Haus, die Spatzen pfeifen es aber schon von
den Dächern: Der Frühling steht kurz bevor. Wann beginnt dieser?
Die oft zweistelligen Temperaturen der vergangenen Tage, viel
Sonnenschein und eine pro Tag 3 bis 4 Minuten zunehmende Tageslänge
ließen und lassen bei vielen schon Frühlingsgefühle aufkommen. Zwar
klopft mit Tief YIGIT an diesem Wochenende noch einmal der Winter an,
letztlich ist der Frühling aber nicht mehr lange aufzuhalten. Wann
der Frühling eigentlich beginnt, darauf gibt es prinzipiell vier
Antworten.
Antwort 1 ist trivial und wird von den Meteorologen geliefert. Für
diese beginnt die neue Jahreszeit am kommenden Mittwoch, also am 1.
März 2023 um 0 Uhr UTC und dauert wie alle anderen Jahreszeiten genau
drei Monate.
Antwort 2 kommt aus der Astronomie. Der astronomische (auch
kalendarische) Frühlingsanfang ist der Bevölkerung am geläufigsten
und richtet sich nach dem Sonnenstand. Da die Erde zur Sonne geneigt
ist, "wandert" der Punkt, an dem die Sonne mittags senkrecht auf die
Erde scheint, im Laufe des Jahres durch die Umrundung der Erde um die
Sonne von Süden nach Norden und umgekehrt. Steht die Sonne nun genau
über dem Äquator senkrecht ("Äquinox" oder "Tag- und Nachtgleiche"),
dann ist entweder Frühlings- oder Herbstanfang. In diesem Jahr wird
das am Montag, dem 20. März 2023 um 22:25 Uhr MEZ sein.
Warum aber haben Meteorologen einen anderen Frühlingsbeginn
festgelegt als den astronomischen? Diese Einteilung wurde vor Beginn
des Computerzeitalters im 20. Jahrhundert getroffen, da sich ganze
Monate statistisch einfacher auswerten lassen. Darüber hinaus stellte
man im Laufe der Zeit aber auch fest, dass die meteorologischen
Jahreszeiten die klimatische Situation der Jahreszeiten besser
widerspiegeln als die astronomischen.
Antwort 3 wiederum ist in der Natur zu finden. In der Phänologie
werden die im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Wachstums- und
Entwicklungserscheinungen der Pflanzen betrachtet und in Phasen
eingeteilt. Nach der phänologischen Uhr gibt es im Frühling drei
Phasen: Vor-, Erst- und Vollfrühling. Ihren jeweiligen Beginn kann
man durch sogenannte Leit- bzw. Ersatzphasen ermitteln. Als Leitphase
für den Vorfrühling dient dabei der Blütenbeginn der Hasel, für den
Erstfrühling der Blütenbeginn der Forsythie und für den Vollfrühling
der Blütenbeginn der Apfelbäume. Für die jeweiligen Phasen konnte aus
Beobachtungen in den letzten Jahren ein mittleres Eintrittsdatum
gefunden werden. Demnach beginnt der Vorfrühling durchschnittlich am
10. Februar, der Erstfrühling am 25. März und der Vollfrühling am 26.
April.
In diesem Jahr hat die Natur aufgrund des wieder einmal zu milden
Winters erneut einen weiten Vorsprung. So begann der Vorfrühling
bereits am 17. Januar (!) und damit satte 24 Tage vor dem
vieljährigen Mittel. Diesen Vorsprung hat die Natur aufgrund der
anhaltend milden Witterung seitdem auch gehalten. So wird der Beginn
der Forsythienblüte bei einem Meldeaufkommen von allerdings bisher
nur 6 % aktuell ebenfalls etwa 24 Tage vor dem mittleren
Eintrittsdatum erwartet. Hochgerechnet auf den Erstfrühling würde
dieser bei vollem Meldeaufkommen von 100% also passend zum
meteorologischen Frühlingsanfang am 1. März beginnen (weitere
Informationen und aktuelle Daten zum Thema Phänologie finden Sie
unter www.dwd.de/phaenologie).
Antwort 4 auf die eingangs gestellter Frage lässt sich aus
statistischen Betrachtungen finden. Dazu hat der Autor dieses Textes
(recht willkürlich) einen ?statistischen Frühlingsbeginn? definiert,
wobei an drei aufeinanderfolgenden Tagen mindestens an zwei Tagen
eine Höchsttemperatur von über 15 Grad erreicht werden soll und es
dabei vorherrschend trocken und heiter sein soll. Schaut man sich die
vergangenen 18 Jahre an, so begann der Frühling diesen Kriterien nach
im Norden (repräsentiert durch Hamburg) durchschnittlich am 29. März
und im Süden (vertreten durch München) am 14. März.
Von drei Tagen mit solch frühlingshaftem Geschehen sind wir durch die
kommende Abkühlung vorerst wieder ein gutes Stück entfernt, zudem
droht auch eine kalte erste Märzhälfte (siehe das Thema des Tages vom
gestrigen Donnerstag, 23.02.2023: Die Auswirkungen der
Stratosphärenerwärmung). Früher oder später wird er aber kommen, der
Frühling, versprochen!
Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.02.2023
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