Thema des Tages


Wiss. Kompakt
Antarktische Meereisbedeckung mit Rekordminimum im Dezember

Die Ausdehnung des antarktischen Meereises hat im Dezember ein neues 
Rekordminimum erreicht und steuert möglicherweise im aktuellen 
Südsommer auf die größte negative Anomalie zu, die jemals in der 
Satellitenära beobachtet wurde.

Die Arktis und die Antarktis sind geografische Gegensätze, nicht nur,
weil sie an entgegengesetzten Enden der Erdkugel liegen. Sie haben 
eine konträre Anordnung von Land und Meer. In der Antarktis umgibt 
der Südliche Ozean den kältesten Kontinent der Erde. Die Arktis, der 
kälteste und kleinste Ozean der Erde, ist von den Landmassen 
Eurasiens, Nordamerikas und Grönlands umgeben. Diese gegenteilige 
Anordnung von Land und Wasser trägt zu Unterschieden im Klima der 
einzelnen Polarregionen bei, die hauptsächlich auf differierende 
ozeanische und atmosphärische Zirkulationsmuster zurückzuführen sind.
Diese beiden Aspekte sind für die Entwicklung des Meereises von 
entscheidender Bedeutung. 
Das antarktische Meereis erreicht normalerweise im September oder 
Oktober sein Maximum und im Februar sein Minimum. Die kalten Gewässer
um die Antarktis ermöglichen im Winter eine rasche Meereisbildung. 
Bei seiner maximalen Ausdehnung im September beträgt die 
Meereisbedeckung im Allgemeinen zwischen 18 und 19 Millionen 
Quadratkilometer. Über den Sommer schrumpft die Fläche bis in den 
Februar auf etwa 3 Millionen Quadratkilometer. Diese jährliche 
Schwankung ist wesentlich größer als in der Arktis, wo die 
Konfiguration der umgebenden Kontinente die Eisbildung über längere 
Zeit begünstigt.

Die Ausdehnung des Meereises ist einer der wichtigsten Aspekte des 
polaren Klimasystems. Aus diesem Grund wurde ihm in den letzten 
Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Das liegt vor allem 
daran, dass die durchschnittliche Meereisfläche in der Arktis um etwa
4 % pro Jahrzehnt recht massiv und schnell abgenommen hat. Ein 
weiterer Fakt ist, dass der Meereisrückgang in der Arktis den 
Erwärmungstrend der Nordhemisphäre verstärkt, hauptsächlich aufgrund 
der Eis-Albedo-Rückkopplung. Ohne Eisbedeckung sinkt das 
Reflexionsvermögen des Bodens (Albedo), was zu einer höheren 
Absorption der einfallenden Sonnenstrahlung führt und dadurch 
wiederum zu einer verstärkten Erwärmung beiträgt.
Im Gegensatz zur Arktis zeigten die Meereisfläche und das 
Meereisvolumen um die Antarktis trotz der Erwärmung in den letzten 40
Jahren keinen signifikanten Trend auf. Insgesamt wies die Ausdehnung 
sogar eine leicht positive Zunahme auf mit im Durchschnitt etwa 1,7 %
pro Jahrzehnt. Allerdings gibt es hier eine Einschränkung, denn rund 
um die Antarktische Halbinsel verzeichneten einige Regionen einen 
Rückgang der Meereisbedeckung. Ab etwa 2015 jedoch ging die 
Eisausdehnung in allen antarktischen Gewässern recht abrupt und stark
zurück und erreichte 2017 erstmals ein Rekordtief. In den folgenden 
vier Jahren lag die Meereisausdehnung kontinuierlich unter dem 
Durchschnitt der Jahre 1981-2010.

Derzeit ist auf der Südhalbkugel Hochsommer und die Schmelzraten sind
am höchsten. Nach der rekordverdächtig niedrigen Meereisausdehnung 
Ende Februar 2022 mit unter zwei Millionen Quadratkilometer (siehe 
Thema des Tages vom 14.03.2022) verblieb die Meereisbedeckung über 
den Südwinter deutlich unter dem vieljährigen Mittel und war 
vergleichbar mit dem bisherigen Rekordminimum von 2017. Besonders 
auffällig jedoch war der Dezember, denn hier wurde ein 
außergewöhnlich starker Rückgang verzeichnet. Die erfasste 
Meereisbedeckung reduzierte sich dabei markant unter den Wert von 
2017 (siehe Abbildung 2). 

Die aktuelle Ausdehnung (Stand 03.01.2023) wird nach Auswertungen des
Alfred-Wegener-Institutes mit 4,23 Millionen Quadratkilometer 
angegeben (siehe Abbildung 3). Das National Snow and Ice Data Center 
in Boulder (Colorado, USA) kommt bei seinen Berechnungen mit 4,73 
Millionen Quadratkilometer noch auf einen etwas höheren Wert. 
Allerdings ändert es nichts an der Tatsache, dass es ein 
Rekordminimum zu dieser Jahreszeit ist. Insgesamt dominieren in allen
Sektoren um die Antarktis herum unterdurchschnittliche 
Konzentrationen. Besonders ausgeprägt ist die negative Anomalie der 
Meereisausdehnung entlang der Westantarktis in der Bellinghausen und 
der Amundsensee (siehe roter Rahmen Abbildung 3). Das 
zusammenhängende eisfreie Gebiet ist das größte seit Beginn der 
Satellitenaufzeichnungen, die seit 1978 kontinuierlich durchgeführt 
werden. Der starke Rückgang in allen Sektoren um die Antarktis lässt 
sich unter anderem auf in den Frühjahrs- und bisherigen Sommermonaten
vorherrschenden überdurchschnittlichen Temperaturen im südlichen 
Ozean und der Antarktischen Halbinsel erklären. 

Mit dieser großen negativen Anomalie Ende 2022/Anfang 2023 stellen 
sich nun die Fragen: "Wie wird sich das antarktische Meereis noch bis
zum Ende des Sommers entwickeln?" und "Wird ein neuer Negativrekord 
erreicht?" Konkrete Antworten auf diese Fragen wird man 
vorrausichtlich erst ab Ende Februar geben können.



M.Sc.-Met. Sebastian Altnau 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 04.01.2023

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