Thema des Tages
Wetter aktuell
Düseneffekt vom Feinsten: Mistral und Cers
Cers und Mistral - zwei Windsysteme, die derzeit durch den äußersten
Süden Frankreichs fegen. Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.
Mit Blick auf die vergangenen ungewöhnlich milden Wochen kaum zu
glauben, aber tatsächlich wahr: Vor wenigen Tagen hat sich doch
tatsächlich das Wörtchen "Schnee" in unseren Vorsagetexten
eingefunden. Nun gut, ehrlicherweise muss man sagen, dass sich in
seinem direkten Umfeld auch stets die Gebietsbezeichnung "Alpen"
aufhielt, aber man ist ja beinahe schon froh, wenn einem auch das
Wetter Hinweise auf das Winterhalbjahr liefert und nicht nur
Spekulatius und Lebkuchen in den Supermarktregalen.
Am gestrigen Freitag und in der vergangenen Nacht hat es also in den
Alpen zum Teil auf unter 1000 m geschneit. Grund hierfür war
einerseits der Ausläufer eines Nordseetiefs, mit dem deutlich kühlere
Luft nach Deutschland einfloss, und zum anderen eine Tiefentwicklung
über dem Golf von Genua, das sehr feuchte Luft über die Alpen
"schaufelte". Dieses zuletzt genannte Tief hört auf den Namen OTTILIE
beziehungsweise im internationalen Raum auf EVA. Ihm gegenüber steht
Hoch BAHRUDIN, das von der Iberischen Halbinsel aus für eine
Wetterberuhigung bei uns in Deutschland am heutigen Samstag sorgt.
Alles andere als ruhiges Wetter bedeutet diese Druckkonstellation
dagegen für den Süden Frankreichs. Denn die sich zwischen BAHRUDIN
und OTTILIE eingestellte nordwestliche bis nördliche Strömung sorgt
dort für mächtig Wind. Cers und Mistral heißen die beiden
Windsysteme, die sich seit Donnerstag nach und nach ausgebildet
haben. Bei beiden handelt es sich um einen böigen und zumeist
trockenen Fallwind.
Dabei weht der Mistral aus nördlicher bis nordwestlicher Richtung in
das Rhônetal hinein und von dort in den angrenzenden Mittelmeerraum
wieder hinaus. Im Rhônetal, eingepfercht zwischen Zentralmassiv im
Westen und Alpen im Osten, erfährt der Wind quasi einen Düseneffekt,
durch den nicht selten Orkanböen auftreten. Ähnlich verhält es sich
beim Cers, bei dem sich der Wind aus Nordwesten kommend zwischen
Pyrenäen im Südwesten und Zentralmassiv im Nordosten durchquetschen
muss und dadurch ebenfalls mitunter enorm beschleunigt wird.
Gestern und auch schon vorgestern war zunächst einmal der Cers an der
Reihe, denn BAHRUDIN lag noch westlich der Iberischen Halbinsel,
sodass die Strömung zwischen dem Hoch und Tief OTTILIE noch zu wenig
Nordkomponente hatte, als dass sie durchs Rhônetal hätte durchpfeifen
können. Vor allem zwischen Toulouse und der französischen
Mittelmeerküste kam es dabei immer wieder zu Sturmböen und am Ostrand
der Pyrenäen (Raum Perpignan) wiederholt zu schweren Sturm- bis
Orkanböen zwischen 100 und 130 km/h.
Im Laufe der vergangenen Nacht verlagerte sich BAHRUDIN über die
Iberische Halbinsel, gleichzeitig zog OTTILIE etwas weiter südwärts
Richtung Korsika. Damit "sprang" nun auch das Rhônetal respektive der
Mistral an und es kam und kommt auch weiterhin südlich von Valence zu
Sturm- bis schweren Sturmböen zwischen 75 und 100 km/h.
Aber auch an der Côte d'Azur und im Großraum Marseille war der Wind
vor allem am Freitag und in der vergangenen Nacht nicht von
schlechten Eltern mit immer wieder auftretenden Sturm- bis
orkanartigen Böen zwischen 80 und 110 km/h (in Bec De L'Aigle,
südöstlich von Marseille, sogar 115 km/h). Noch eine Schippe drauf
packte der Mont Aigoual, ein 1567 m hoher Berg der Cevennen im
Südosten des Zentralmassivs. Auf seinem Gipfel wurden vergangene
Nacht stolze 144 km/h gemessen, also eine extreme Orkanböe.
Im Laufe des heutigen Tages und in der kommenden Nacht zum Sonntag
geht aber sowohl dem Cers, als auch dem Mistral allmählich die Puste
aus. Dann heißt es bei den Bewohnern der betroffenen Regionen
sicherlich: Durchatmen!
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.11.2022
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