Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Der Winter rückt näher...
Gerade rechtzeitig sind die aktuellen Jahreszeitvorhersagen
einschlägiger globaler Klimamodelle erschienen. Inwieweit die
Aussagekraft nun höher liegt, wird weiter unten kurz angerissen.
Bereits im September haben wir uns etwas näher mit
Jahreszeitenvorhersagen befasst, konkret wurde das Klimamodell des
DWD kurz vorgestellt (siehe https://bit.ly/3MCz3zv).
Im heutigen Tagesthema soll die aktuelle Jahreszeitenvorhersage
(Stand 01.10.2022) beleuchtet werden, dabei wird nun das Klimamodell
des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen
(ECMWF) in Reading als Diskussionsgrundlage verwendet. Zur
Einstimmung folgen nochmals allgemeine Bemerkungen zur
Langfristvorhersage, die neben anderen Faktoren beim Klimamodell IFS
(Integrated Forecast System) des ECMWF Berücksichtigung finden.
Langfristige Vorhersagen liefern Informationen über die zu
erwartenden atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen, gemittelt
über Zeiträume von ein bis drei Monaten. Wie die Vorhersagen für die
(erweiterte) Mittelfrist werden auch die Langfristvorhersagen mit dem
gekoppelten Ozean-Atmosphären-Modell des IFS erstellt. Langfristige
Vorhersagen stützen sich auf Aspekte der allgemeinen Variabilität des
Erdsystems, die lange Zeiträume (Monate bis Jahre) umfassen und
lediglich bis zu einem gewissen Grad vorhersagbar sind. Ein
wesentlicher Aspekt hierbei ist der ENSO-Zyklus (El Nino Southern
Oscillation). Obwohl ENSO ein gekoppeltes Ozean-Atmosphären-Phänomen
darstellt, das sich auf den tropischen Pazifik konzentriert,
erstreckt sich der Einfluss der Schwankungen dieser Zirkulation
direkt oder indirekt nahezu über die ganze Welt.
Langfristige Vorhersagen orientieren sich oft an derartigen
Telekonnektionen - wiederkehrende und länger anhaltende großräumige
Muster von Druck- und Zirkulationsanomalien, die sich über große
geografische Gebiete erstrecken und somit die die Entwicklung
allgemeiner Wettermuster beeinflussen. Ein Schlüsselwort, das häufig
mit der Langfristprognose in Verbindung gebracht wird, ist
"Anomalien". Diese Triebkräfte langfristiger Wettermuster können zum
Beispiel zu über- oder unterdurchschnittlichen Temperaturen und
stärkeren Niederschlägen oder Trockenheit führen.
Eine der wichtigsten Triebkräfte für das Wetter auf der Nordhalbkugel
im Winter ist der Stratosphärische Polarwirbel (SPV). Dieses sich
schnell drehende umfassende Tiefdruckgebiet, das sich in den
Wintermonaten entwickelt, wenn sich die arktische Polarregion bei
Polarnacht stark abkühlt, kann mitunter Aufschluss darüber geben, ob
West- und Mitteleuropa in den kommenden Wochen eine eher stürmische
und nasse Periode erleben wird oder ob sich möglicherweise auch
trockeneres, kälteres Wetter entwickeln könnte.
Der SPV steht ebenso in Verbindung mit diversen Telekonnektionen.
Eine der wichtigsten Telekonnektionen für den Nordatlantik und die
Britischen Inseln ist die NAO (Nordatlantische Oszillation), die in
den Wintermonaten auch direkt mit dem Stratosphärischen Polarwirbel
in Verbindung gebracht werden kann. Wenn der Polarwirbel gut
organisiert und stark ausgeprägt ist, dann dominiert ein positives
NAO-Muster. Dies führt in der Regel zu einer Langfristprognose, die
von nassen und windigen, ja sogar zeitweise stürmischen
Wetterperioden über dem Atlantik geprägt ist.
Wenn es jedoch Anzeichen dafür gibt, dass der SPV gestört oder
schwächer als normal ausfällt, damit die NAO möglicherweise im Winter
einen stärker negativen Trend einnimmt, erhöht sich das Risiko von
insgesamt kälterem und möglicherweise trockenerem Winterwetter.
Die aktuelle Vorhersage für den Zustand des Stratosphärischen
Polarwirbels (SPV), ausgedrückt über den zonal gemittelten zonalen
Wind in 10 hPa (in über 30 km Höhe) und auf 60 Grad Nord gemittelt
des IFS vom ECMWF sieht nun über die Wintermonate hinweg weiterhin
einen weitgehend normal ausgeprägten SPV mit westlichen Winden in
diesem Bereich (nähere Erläuterungen unter https://bit.ly/3MCz3zv sowie
hier https://bit.ly/3T8VxKI ).
Nichtsdestotrotz sagt uns auch diese saisonale Vorhersage nach wie
vor nicht viel über den kommenden Winter aus, von daher sollte sich
der interessierte Leser noch etwas gedulden. Es schadet trotzdem
nichts, gewisse Randbedingungen im Hinterkopf zu behalten.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.10.2022
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon