Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Das Wetter unseres Nachbarplaneten Venus
In den letzten Jahren war der Mars stetig in den Medien präsent, die
Venus hingegen hat weniger mediale Aufmerksamkeit. Dabei ist die
Venus in Bezug auf ihre Größe und Schwerkraft unserem Heimatplaneten
ähnlicher als der Mars, zudem ist sie näher an der Erde. Warum gibt
es dann keine Überlegungen bezüglich bemannten Venus-Missionen?
Zunächst sei zu erwähnen, dass die Umlaufzeit um die Sonne circa 225
Erdtagen entspricht, ein Venustag hingegen dauert circa 243 Erdtage.
Somit ist ein Jahr auf der Venus schneller vorbei als ein Tag. Hinzu
kommt, dass sie sich in die andere Richtung dreht als die Erde, die
Sonne geht also im Westen auf und im Osten unter.
Neben der Erde besitzt auch die Venus eine Atmosphäre, die
Zusammensetzung ist jedoch eine gänzlich andere. Während die
Erdatmosphäre ideale Bedingungen zum Leben bietet, gleicht die
Atmosphäre der Venus, die hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid (96.5%)
und Stickstoff (3.5%) besteht, einem extremen Treibhaus. Dies
spielgelt sich auch in der mittleren Temperatur wieder: die mittlere
Temperatur auf der Erde liegt bei 15°C, auf der Venus bei 464°C. Ohne
den Treibhauseffekt läge die mittlere Temperatur auf der Venus bei
-41°C.
Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung besitzt die Atmosphäre
der Venus eine etwa 50-mal größere Dichte als die Erdatmosphäre,
wodurch sich auch der Bodendruck unterscheidet. Der Bodendruck auf
der Venus entspricht dem Druck, der auf einem lastet, wenn man in
einer Tiefe von 910 Metern taucht (zum Vergleich, die tiefste Stelle
der Ostsee liegt bei etwa 460 Metern unter null). Damit liegt der
Atmosphärendruck an der Oberfläche der Venus bei 92 bar (das sind
92000 hPa).
Innerhalb der Venusatmosphäre gibt es eine 20 Kilometer dicke,
dauerhaft geschlossene Wolkendecke. Diese Wolkendecke sorgt dafür,
dass gerade einmal 2% des Sonnenlichts am Boden ankommen. Der Rest
des am Oberrand der Atmosphäre eintreffenden Sonnenlichts wird zu 76%
zurückreflektiert und zu 22% absorbiert. Die Erde hingegen
reflektiert im Mittel etwa 30% (in den Polargebieten etwas mehr, über
den Ozeanen weniger). Gäbe es die Wolkendecke auf der Venus nicht,
würde die Atmosphäre aufgrund ihrer Zusammensetzung noch mehr der
solaren Einstrahlung absorbieren und es durch den Treibhauseffekt
noch wärmer sein.
Wäre es möglich, ohne dabei zu sterben, auf der Oberfläche der Venus
zu stehen, könnte man denken, es sei windstill, allerhöchstens eine
leichte Brise wäre zu spüren. Wenn man die Windstärke dort auf die
Dichte der Erdatmosphäre umrechnet, entspräche der Wind einem mäßigen
Wind, also Beaufort 4.
Auch bei den großräumigen Atmosphärischen Prozessen gibt es bei Erde
und Venus ein paar Gemeinsamkeiten: Beide Planeten besitzen eine
schnelle Atmosphärenrotation, bei der Erde sind es die
Starkwindbänder (auch bekannt als Jetstreams), bei der Venus die
oberen Atmosphärenschichten. Neben der Venus und der Erde verfügt nur
der Jupitermond Titan über eine derart schnelle Atmosphärenrotation.
Eine weitere Gemeinsamkeit gibt es bei der großräumigen Zirkulation
innerhalb der Atmosphäre, denn genauso wie die Erde gibt es in der
Venusatmosphäre eine Hadley-Zelle.
An dieser Stelle lohnt sich ein Ausblick in die großräumige
Zirkulation unserer Erdatmosphäre. Durch unterschiedlich starke
Einstrahlung im Jahresverlauf und örtliche Unterschiede in der
Reflexion kommt es zu einer örtlichen Differenz der Strahlungsbilanz
und Energie. An den Polen entsteht eine negative Strahlungsbilanz und
am Äquator eine positive. Es liegt in der Natur der Physik, dass
Ungleichgewichte ständig ausglichen werden, so auch die
Strahlungsbilanzen und Energien. Um das zu erreichen gibt es die
globale Zirkulation.
In der Nähe des Äquators steigt feuchtwarme Luft auf, beim Aufstieg
kühlt sie sich ab. Weil kalte Luft weniger Feuchte aufnehmen kann als
warme, regnet es dort. Am Ort des Aufstiegs entsteht ein
Tiefdruckgebiet. Die aufsteigende Luft bewegt sich gen Norden, etwa
auf der Höhe der Azoren sinkt die trockene und kühle Luft wieder ab,
dabei erwärmt sie sich. Am Boden strömt die Luft wieder gen Äquator.
Durch die Erddrehung ist es keine perfekte Nord-Süd-Strömung, sondern
leicht nach Westen abgelenkt, die entstandene Luftströmung ist der
Nord-Ost-Passat. Damit ist die erste Zirkulationszelle komplett,
genannt wird sie Hadley-Zelle.
Wieder zurück zu den Azoren, dort strömt die Luft nicht nur nach
Süden, sondern auch nach Norden. Etwa bei Island steigt die Luft dort
wieder auf, über Island entsteht ein Tief ? das Islandtief. Von dort
strömt ein Teil der aufgestiegenen Luft wieder zurück nach Süden und
sinkt über den Azoren ab. Diese Zirkulation heißt Ferrel-Zelle, sie
beeinflusst maßgeblich das Wetter in den mittleren Breiten.
Der andere Teil der Luft über Island strömt nach Norden zu den Polen
und sinkt dort wieder ab, am Pol entsteht ein Hochdruckgebiet. In den
unteren Schichten strömt die Luft zurück nach Island. Diese dritte
Zirkulation ist die Polarzelle.
Die Erde besitzt dementsprechend drei Zirkulationszellen, die Venus
hingegen nur die Hadley-Zelle. Die Hadley-Zelle der Venus ist jedoch
um einiges größer, dort steigt die Luft am Äquator auf und sinkt erst
am Pol wieder ab. Der Antrieb dieser Zirkulation ist genauso wie auf
der Erde die Energiedifferenz.
Die Venus ähnelt also nicht nur in ihrer Größe und Schwerkraft der
Erde, sondern auch bei der Zirkulation gibt es Überschneidungen.
Zudem liegt sie in der habitablen Zone, also der Zone um die Sonne,
in der auf einem Planeten die Bedingungen für Leben gegeben sein
könnten. Wäre es auf der Venus um einiges kühler, wäre sie
wahrscheinlich der erdähnlichste Planet in unserem Sonnensystem, so
liegt der Erdähnlichkeitsindex (ESI) jedoch nur bei 0,44 (wobei der
ESI zwischen 0 (keine Ähnlichkeit) und 1 (100% ähnlich) liegt). Der
ESI berechnet sich aus der Dichte, dem Radius, der
Oberflächentemperatur und der kosmischen Geschwindigkeit
(Fluchtgeschwindigkeit um den Planeten zu verlassen, die Schwerkraft
fließt bei dieser Berechnung ein).
Der Grund dafür, dass nicht über bemannte Venus-Missionen gesprochen
wird ist schlichtweg die enorm hohe Oberflächentemperatur und die
Zusammensetzung der Atmosphäre ? beides würde wohl kein Mensch
überleben. Was die bemannte Raumfahrt angeht bleibt der Mars also
weiterhin interessanter.
Dipl.-Met. Marcel Schmid und Praktikantin Carolin Probst
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.10.2022
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