Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Kármánsche Wirbelstraßen
Mit dem Blick aus dem All auf unsere Erde eröffnen sich immer wieder
faszinierende Wolkenformen, die fast den Anschein von Kunstwerken
erwecken. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten Kármánschen
Wirbelstraßen, die im heutigen Thema des Tages betrachtet werden.
Wettersatelliten blicken kontinuierlich von oben auf unsere Erde und
liefern uns beeindruckende Bilder von der Verteilung und Struktur der
Wolken sowie von großräumigen Strömungsmustern wie beispielsweise die
gigantischen Wolkenspiralen von Tiefdruckgebieten. Gerade die
sogenannten polarumlaufenden Satelliten ermöglichen uns besonders
hochaufgelöste Aufnahmen und nehmen bei ihren Überflügen mitunter
faszinierende Wolkenformationen auf. Sie umkreisen die Erde in nur
etwa 850 Kilometern Höhe auf sonnensynchronen polarumlaufenden Bahnen
(siehe auch Thema des Tages vom 19.03.2021).
Richtet man sein Augenmerk zum Beispiel auf die Kanarischen Inseln,
kann man nicht selten besonders stilvolle und symmetrisch angeordnete
Wolkenwirbel südwestlich der Inselgruppe entdecken (Abb. 1+2). Die
Rede ist von sogenannten "Kármánschen Wirbelstraßen". Diese werden
nicht nur in der Meteorologie beschrieben, sondern sind ein bekanntes
Phänomen der Strömungsmechanik. Die Strömungsmuster wurden nach dem
ungarischen Ingenieur und Mathematiker Théodore von Kármán
(1881-1963) benannt, der sie erstmals 1910 entdeckte und ein Jahr
später veröffentlichte. Grundsätzlich können Kármánsche Wirbelstraßen
in allen flüssigen und gasförmigen Stoffen (Fluiden) auftreten, also
beispielsweise auch im Wasser oder eben in der aus Luft und
Wasserdampf bestehenden Atmosphäre der Erde. Diese Wirbelschleppen
formieren sich unter bestimmen Voraussetzungen beim Umströmen eines
Hindernisses auf der stromabgewandten Seite.
Das Verhalten des Fluids beim Umströmen des Hindernisses hängt neben
den Fließeigenschaften (Viskosität) des Fluids von der Größe und Form
des Hindernisses sowie von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Bei einer
geringen Geschwindigkeit kommt es zunächst noch zu keinerlei
Verwirbelungen (laminare Strömung). Ab einer bestimmten
Geschwindigkeit bilden sich hinter dem umströmten Hindernis zunächst
ortsfeste Wirbel. Diese kann man zum Beispiel häufig an
Brückenpfeilern in Flüssen beobachten. Mit etwas Geschick können Sie
diese auch selbst erzeugen, wenn Sie einen Finger oder ein Lineal mit
der passenden Geschwindigkeit durch eine gefüllte Badewanne auf einer
geraden Linie bewegen. Bei noch höherer Geschwindigkeit lösen sich
schließlich die Wirbel vom Hindernis ab und driften in
Strömungsrichtung. Immer wenn sich ein Wirbel abgelöst hat, bildet
sich ein neuer Wirbel mit entgegengesetztem Drehsinn. Die sich
ablösenden Wirbel reihen sich hintereinander und so entsteht ein
regelmäßiges Muster aus zwei versetzten Reihen mit gegenläufigen
Wirbeln.
In der Atmosphäre können Kármánsche Wirbelstraßen im Kleinen hinter
Flugzeugen oder im Großen hinter Inseln beobachtet werden, die hoch
aus dem Meer ragen. Damit wären wir wieder bei den Kanarischen
Inseln. Die zu Spanien gehörenden Kanaren sind eine Inselgruppe
vulkanischen Ursprungs westlich von Marokko zwischen dem 27. und 29.
nördlichen Breitegrad. Als Hindernisse dienen ihre hohen Vulkankegel
wie beispielsweise der 3718 m hohe Pico del Teide auf Teneriffa, der
höchste Berg Spaniens. Aufgrund der südlichen Lage werden die Kanaren
vom Nordostpassat beeinflusst, der nicht selten genau die richtige
Strömungsgeschwindigkeit besitzt, um im Windschatten der Vulkankegel
südwestlich der Inseln beeindruckende und teils bis zu 1000 Kilometer
lange Wirbelstraßen erzeugt. Sie werden aber erst durch die
charakteristischen Wolkenfelder sichtbar, die durch die Turbulenzen
der Wirbel ihre stilvolle Form erhalten. Im Luv der Vulkankegel
entsteht zudem häufig eine Art Bugwelle ähnlich die eines fahrenden
Schiffs (Abb. 2). Sie hält die nähere Umgebung der Inseln von der mit
den Passatwinden mitgeführten dichten Stratokumulus-Bewölkung
(nordöstlich der Kanaren) fern und beschert somit den dortigen Inseln
sonniges Wetter.
Neben den Kanaren gibt es noch weitere Inseln und Inselketten, die
Kármánsche Wirbelstraßen entstehen lassen. Beispiele hierfür sind
Guadeloupe vor der Westküste Mexikos mit dem 1298 m hohen Monte
Augusta, die Insel Jeju südlich von Südkorea (Abb. 3) mit dem 1950 m
hohen Berg Hallasan oder die chilenischen Juan-Fernández-Inseln im
südöstlichen Pazifik.
Falls Sie Interesse an diesen Wolkenmustern gefunden haben, brauchen
Sie nur ein Archiv der Satellitenbilder von polumlaufenden Satelliten
durchsuchen, online frei verfügbar z.B. auf der Homepage
"https://worldview.earthdata.nasa.gov/". Sie werden bei oben
genannten Inseln rasch fündig werden.
Diesen Artikel, eventuell im Text erwähnte Bilder und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema
Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon