Thema des Tages

Berg- und Talwind: ein tagesperiodisches Windsystem

Eine Wanderung in den Bergen ist bei sonnigem Wetter nicht nur
landschaftlich reizvoll. Auch meteorologisch hat das Gebirge bei
Schönwetterphasen was zu bieten. Die Berg- und Talwind- Zirkulation
ist ein lokales Windsystem, das vom Tagesgang der Sonne abhängig ist.

Nachdem es in den vergangenen Tagen regional noch einmal für ein
spätwinterliches Intermezzo gereicht hat, zeigt der April nun zu
Wochenbeginn ein anderes Gesicht. Bei Hochdruckeinfluss und südlichem
Wind wird es bei deutlich milderen Luftmassen teils frühlingshaft
warm. So können nun auch in den Hochlagen der Mittelgebirge sowie bis
in die mittleren Lagen der Alpen Ski und Snowboard gegen Wanderschuhe
getauscht werden.

Wer sich bei sonnigem Wetter auf eine Wander- oder Bergtour begibt,
macht dabei sehr wahrscheinlich mit der Berg- und Talwind-
Zirkulation Bekanntschaft. Diese Zirkulation ist ein
tagesperiodisches Windsystem, welches bei ruhigen
Hochdruckwetterlagen im Gebirge entsteht und an die
Sonneneinstrahlung gekoppelt ist. Mit Tagesbeginn trifft zunächst auf
die nach Osten exponierten Berghänge die Sonnenstrahlung nahezu
senkrecht auf und es setzt eine starke Erwärmung des Bodens ein,
ähnlich einer Herdplatte. So erwärmt der Boden die hangnahe Luft.
Warme Luft dehnt sich aus, wird leichter und steigt auf. Die dünne
Warmluftschicht erfährt somit thermischen Auftrieb. Zunächst steigen
einzelne Warmluftblasen, im weiteren Vormittagsverlauf zunehmend
kontinuierlich größere Warmluftpakete auf. In der Folge entwickelt
sich ein beständiger Hangaufwind. Seine Geschwindigkeit beträgt in
der Regel etwa 2 bis 3 km/h.

Das lässt sich auch in einem simplen Modell mit einem idealisierten
Tal und einer Strahlungsquelle simulieren. In Abbildung 1
(https://t1p.de/91na9) ist die vertikale Windkomponente nach einer
Modelllaufzeit von sechs Stunden dargestellt. In der hangnahen
Atmosphäre hat sich erwartungsgemäß eine positive vertikale
Geschwindigkeit eingestellt. Die in Abbildung 2 den Hängen folgenden
Windvektoren charakterisieren ebenfalls die aufsteigende Luft. In der
Natur ist die Hangwindzirkulation selbstverständlich selten so
symmetrisch. So ist die Erwärmung des Bodens stark abhängig von der
Hangexposition, Gelände- oder Gesteinsform sowie dem Bewuchs.

Über dem Kammniveau trennt sich schließlich die Warmluft vom Berg und
wird zur Thermik und erfährt eine weitere vertikale Beschleunigung.
Mit steigender Höhe kühlt sich die Luft ab und wird relativ gesehen
feuchter. Wenn sie das Kondensationsniveau (mindestens 100 %
Luftfeuchte) erreicht, bilden sich meist um die Mittagszeit über den
Berggipfeln und -kämmen die ersten Quellwolken. Mitunter können sich
bei ausreichender Labilität auch Schauer oder Gewitter bilden. Diese
Labilität wird in unserem Modell durch die sich aufweitenden Linien
gleicher potentieller Temperatur (Isentropen) im Kammniveau
ausgedrückt.

Über den Tälern bleibt es hingegen oft wolkenlos, da über der Mitte
des Tals ausgleichend Luft absinken muss. Das zeigen auch die leicht
negativen vertikalen Geschwindigkeitswerte (hellgrün) in Abbildung 1
und die zur Talmitte zeigenden Windvektoren in Abbildung 2. Beim
Absinken erwärmt sich die Luft und wird somit relativ gesehen
trockener.

Ein Teil der an den Hängen aufsteigenden Luft muss aber zusätzlich
kompensiert werden, sodass sich ein vom Vorland taleinwärts
gerichteter Wind einstellt. Dieser wird oft aufgrund der Talform noch
verstärkt. Am Talende ist der vertikale Transport stärker ausgeprägt,
da das Luftvolumen dort in aller Regel geringer ist und somit mit
derselben zur Verfügung stehenden Energie (Sonneneinstrahlung)
stärker erwärmt wird als ein größeres Talvolumen am Taleingang oder
dem Vorland. In unserem einfachen Modell wird dieses Einströmen in
Abbildung 2 durch die gelblichen bis rötlichen Farben gekennzeichnet.
Die Luft strömt dementsprechend in die Querschnittsebene hinein in
das Tal. Am oberen Rand der Talatmosphäre bildet sich meist über der
Talmitte zum Ausgleich zu der am Boden taleinwärts nachströmenden
Luft ein talauswärts gerichteter Wind (negative Geschwindigkeitswerte
in Abbildung 2), der über dem Vorland des Tals in einem Absinken
endet.

Ab dem späten Nachmittag, spätestens aber sobald die Sonne
untergegangen ist, schlafen Hang- und Talwind ein und das System
startet in umgekehrter Richtung. Nachts kühlen sich die Berghänge und
die bodennahe Luft deutlich stärker und schneller ab als die Luft im
Tal. Die kühlere Luft ist schwerer und fließt daher die Berghänge
hinab ins Tal. Der spürbar kühle nächtliche Bergwind ist zumeist
etwas schwächer als der Talwind am Tage.

M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.04.2022

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