Thema des Tages 

Der digitale Zwilling 

In den nächsten Jahren soll ein hochpräzises, digitales Erdmodell 
entwickelt werden und die Erde damit quasi ein virtuelles Abbild 
ihrer selbst bekommen. Was hat es mit dieser EU-Initiative auf sich? 

Um bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, hat die Europäische 
Union mit dem „Green Deal“ und der „Digital Strategy“ zwei große 
Programme gestartet. Eine Schlüsselkomponente ist dabei die 
Initiative „Destination Earth“, deren Startschuss Ende letzten Jahres 
fiel und bis zu zehn Jahre laufen soll. Ziel von „Destination Earth“ 
ist es, ein hochpräzises digitales Modell der Erde zu entwickeln, das 
in der Lage ist, alle Prozesse zu simulieren, die auf unserer Erde 
heute und in der Zukunft ablaufen. Die Erde soll also quasi ein 
virtuelles Abbild ihrer selbst bekommen: einen digitalen Zwilling. 

Der Zwilling soll Antworten liefern auf die große Frage, wie sich 
Klimaveränderungen und Extremereignisse auf unsere Welt auswirken. Er 
soll es der Politik und Wirtschaft in Deutschland und Europa 
ermöglichen, die Zukunft vorausschauend zu planen. Mit dem digitalen 
Zwilling soll ein Informationssystem entstehen, das Szenarien 
entwickelt und testet. 

Szenarien kennt der ein oder andere wahrscheinlich auch schon von 
Wetter- und Klimavorhersagen und stellt sich vielleicht die Frage: 
Worin liegt denn dann der Unterschied zu den aktuellen 
Computermodellen? Bisher wurden in der Wetter- und Klimamodellierung 
unterschiedliche Ansätze verfolgt: Während Klimamodelle eine sehr 
breite Palette physikalischer Prozesse abbilden, vernachlässigen sie 
typischerweise kleinräumige Prozesse und lokale Gegebenheiten, die 
jedoch für die Wettervorhersagen unerlässlich sind. Wettermodelle 
hingehen konzentrieren sich auf diese wenigen, kleinräumigen 
Prozesse, lassen dafür aber wichtige klimarelevante physikalische 
Vorgänge unberücksichtigt. Der digitale Zwilling wird beide Bereiche 
zusammenführen und hochauflösende Simulationen ermöglichen, die es so 
bisher noch nicht gab. 

Um dieses hochpräzise Modell unseres Planeten zu entwickeln, ist die 
Nutzung einer unvorstellbar großen Datenmenge, nicht nur aus den 
Bereichen Klima und Meteorologie, sondern auch aus dem Bereich des 
menschlichen Verhaltens notwendig. Schrittweise sollen einzelne 
digitale Zwillinge entwickelt und später kombiniert werden, um so 
letztendlich ein einziges hochkomplexes Modell des Erdsystems zu 
erhalten. Der Betrieb eines digitalen Zwillings wird schätzungsweise 
ein System mit ca. 20.000 GPU (Graphics Processing Unit) erfordern. 

„Destination Earth“ wird von der Europäischen Kommission in enger 
Kooperation mit den Mitgliedsstaaten sowie wissenschaftlichen und 
technischen Experten koordiniert. Treibende Kräfte sind die ESA 
(Europäische Weltraumorganisation), EUMETSAT (Europäische 
Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten) und das 
ECMWF (Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage), die 
die Initiative über die nächsten 7-10 Jahre implementieren. 

Die Daten sollen später frei zugänglich und leicht nutzbar sein, 
nicht nur für Behörden, sondern auch für Unternehmen. 
Anwendungsbeispiele gibt es viele: „Wenn man in Holland 
beispielsweise einen zwei Meter hohen Deich plant, kann ich die Daten 
in meinem digitalen Zwilling durchspielen und überprüfen, ob der 
Deich aller Voraussicht nach auch im Jahr 2050 vor zu erwartenden 
Extremereignissen schützt“, sagt Peter Bauer, stellvertretender 
Direktor für Forschung am ECMWF und Mitinitiator von Destination 
Earth. Auch Stadtplaner könnten simulieren, wie sich 
Grundwasserstände verändern; Rückversicherer die Risiken durch 
Extremwetter abschätzen oder Landwirte eine Bewässerungsstrategie 
entwickeln. Auch für die strategische Planung von Frischwasser- und 
Lebensmittelversorgung soll der digitale Zwilling genutzt werden. 

Das Herz von Destination Earth wird eine cloud-basierte 
Modellierungs- und Simulationsplattform sein. Über diese erhalten 
verschiedene Benutzergruppen der wissenschaftlichen und privaten 
Gemeinschaft Zugang zu den Daten, zur HPC (High Performance 
Computing)-Infrastruktur, zu Apps, Software und KI (Künstliche 
Intelligenz). 

Wie sehen nun die konkreten Schritte der nächsten Jahre aus? Ziel ist 
es, bis 2024 die Entwicklung der Open-Core-Digitalplattform und der 
ersten beiden digitalen Zwillinge (zu extremen Naturereignissen und 
Anpassung an den Klimawandel) abzuschließen. Bis 2027 sollen weitere 
digitale Zwillinge, wie z.B. der digitale Zwilling des Ozeans, 
integriert werden, um branchenspezifische Anwendungsfälle zu 
bedienen. Bis 2030 soll es dann durch die Zusammenführung der 
digitalen Zwillinge eine vollständige digitale Nachbildung der Erde 
geben. 

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann und Kolleg:innen der Stabstelle 
„Internationale Angelegenheiten“ 
Deutscher Wetterdienst 
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 04.03.2022 

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

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