Thema des Tages

Die „Zwiebelringe“ des Niederschlagsradars

Im Winterhalbjahr kann man des Öfteren ringförmige Strukturen auf
Radarbildern erkennen? Was es damit auf sich hat, erfahren Sie im
heutigen Tagesthema.

In den letzten zwei Wochen dominierte häufig nasskaltes Winterwetter
mit wiederholten Schneefällen in den Mittelgebirgen, während in den
Niederungen ein Mix aus Regen, Schneeregen und Schnee für
„Schmuddelwetter“ sorgte. Bei solchen Wetterlagen erscheinen auf
Radarbildern, die Sie u.a. über unsere WarnWetter-App erhalten, nicht
selten unterschiedlich große mysteriöse Ringe. Keine Angst – Aliens
haben nicht die Macht über unser Wetter übernommen und die Radare
sind auch nicht kaputt! Es handelt sich bei den „Zwiebelringen“ um
den sogenannten „Brightband-Effekt“, der im Winterhalbjahr häufiger
zu sehen ist.

Um die Erklärung dieser merkwürdigen Ringe zu verstehen, muss man
wissen, wie ein Niederschlagsradar funktioniert. Kurz und vereinfacht
zusammengefasst besitzt ein Radar einen Sender und einen Empfänger.
Der Sender sendet einen gebündelten Strahl aus elektromagnetischen
Wellen aus. Treffen diese auf ein Niederschlagsteilchen, wird ein
geringer Anteil des Strahls reflektiert und gelangt zurück zum
Empfänger des Radars. Es handelt sich also um keine direkte
Messmethode von Niederschlag (z.B. Regentopf, der den Regen
auffängt), sondern um eine indirekte Methode. Deshalb wird auf dem
Radarbild auch nicht die Niederschlagsintensität (z.B. mm/h), sondern
die Reflektivität (dBZ), also die Stärke des zurückgestreuten
Radarsignals, angegeben. Um auf die Intensität des Niederschlags zu
schließen, nimmt man an, dass diese mit steigender Reflektivität
zunimmt. Und je länger es dauert, bis die ausgesendete Welle am
Empfänger ankommt, desto weiter ist der Niederschlag vom Radar
entfernt. Aus diesen beiden Informationen erhält man ein
zweidimensionales Radarbild, das die Intensität und Verteilung des
Niederschlags zeigt.

Damit Hochhäuser oder Bergketten den Radarstrahl nicht reflektieren,
wird dieser nicht exakt horizontal, sondern mit einem kleinen
Neigungswinkel nach oben ausgesandt (beim DWD je nach Lage 0,1 bis
1,9°). Das Radar misst also nicht den tatsächlich am Boden
ankommenden Niederschlag. Je weiter man sich nämlich vom Radar
entfernt, desto höher befindet sich der Radarstrahl über dem
Erdboden. Das Radar detektiert demnach je nach Entfernung zum Radar
den Niederschlag in einigen Hundert Metern bis wenigen Kilometern
über dem Erdboden.

Nun kommt noch ein kniffliges Detail dazu und damit kommen wir zurück
zu unseren Zwiebelringen. Die Reflektivität hängt nämlich nicht nur
von der Niederschlagsintensität, sondern auch von deren Phase ab.
Regentropfen liefern ein stärkeres Rückstreusignal als filigrane
Schneekristalle. Die mit Abstand stärkste Reflektivität besitzen aber
schmelzende Eiskristalle, also Schneeregen (siehe Skizze).

Das dargestellte Radarbild stammt vom Niederschlagsradar bei Essen.
Weit vom Radar entfernt (z.B. bei Köln) befindet sich der Radarstrahl
bereits so hoch über dem Erdboden, dass er Schneekristalle
detektiert. In der Nähe des Radars wird der Strahl hingegen von
Regentropfen weiter unten in der Wolke reflektiert. Im ringförmigen
orangefarbenen Bereich mit den stärksten Reflektivitäten befindet
sich der Radarstrahl genau in der Höhe, in der der fallende Schnee zu
Regen schmilzt. Diese Schmelzschicht wird als „Brightband“
bezeichnet. Die hohen Reflektivitäten sind also nicht – wie man
vermuten könnte – auf besonders starken Niederschlag zurückzuführen,
sondern auf die starke Reflexion von schmelzenden Eiskristallen.

Durch geschickte Korrekturverfahren kann der Brightband-Effekt in der
Regel herausgefiltert werden, sodass er auf dem finalen Radarbild
nicht mehr vorkommt. Dabei helfen die großzügigen Überlappungen der
Bereiche, die jedes einzelne der 17 Radare des DWD-Radarverbunds mit
ihrer horizontalen Reichweite von 150 km erfassen. Liegt die
Schneefallgrenze nur wenige 100 m über dem Erdboden, ist dies
allerdings nicht mehr möglich. Daher treten diese Ringe vor allem im
Winterhalbjahr auf.

Übrigens: Die auf den ersten Blick störende oder irreführende
ringförmige Struktur hat auch was Positives – man kann damit die
Schneefallgrenze abschätzen. Wird der Ring mit der Zeit kleiner,
deutet dies auf eine absinkende Schneefallgrenze hin. Ist das
Brightband nur noch als Fleck um das Radar zu sehen, ist davon
auszugehen, dass auch bei Ihnen der Regen bald in Schneeregen oder
Schnee übergehen sollte, sofern Sie sich auf gleichem Höhenniveau wie
das Radar befinden.

In den nächsten Wochen und Monaten wird man noch häufiger
„Zwiebelringe“ auf Radarbildern sehen, immer dann, wenn es in den
Niederungen regnet und in mittleren oder höheren Mittelgebirgslagen
schneit. Seien Sie sich sicher, auch dann ist alles natürlich und
erklärlich – Außerirdische haben damit nichts zu tun

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.12.2021

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