Thema des Tages
Nach dem Sturm kehrt Ruhe ein
Der Sturm vom gestrigen Donnerstag ist vorüber - Zeit für eine
Bilanz. Außerdem werfen wir einen kurzen Blick auf das Wetter der
kommenden Tage, das sich in deutlich ruhigerem Fahrwasser bewegt.
Am gestrigen Donnerstag hielt uns der erste ausgewachsene Herbststurm
des Jahres ganz schön in Atem. Ursache war ein kräftiges Sturmtief,
das sich von Mittwochabend bis Donnerstagmittag rasch von Cornwall
über die Ostfrischen Inseln nach Südschweden verlagerte. Durch die
starken Druckunterschiede an der Südwestseite des Tiefs entstand ein
ausgeprägtes Sturmfeld, das quer über die Mitte Deutschlands von West
nach Ost durchzog. Der Sturm ging bereits am frühen Morgen im Westen
los, am Mittag erreichten die stärksten Böen dann den Osten
Deutschlands. Fast das gesamte Bundesgebiet wurde ordentlich
durchgepustet, eine satirische Online-Platform rief mit Augenzwinkern
sogar Personen mit Segelohren dazu auf, das Haus nicht zu verlassen.
Nur am unmittelbaren Alpenrand und teils auch im norddeutschen
Binnenland ging es etwas ruhiger zu. Im windgeschützten
Garmisch-Partenkirchen wehte meist nur ein laues Lüftchen, mit 41
km/h erreichte die stärkste Windböe des Tages gerade einmal Beaufort
6 (starke Böe). Aber auch Itzehoe im sonst so winderprobten
Schleswig-Holstein kam mit 47 km/h nicht über Windstärke 6 hinaus.
Im großen Rest des Landes blies allerdings über mehrere Stunden
hinweg ein starker Südwestwind, sodass Leute mit Langhaarfrisuren
wohl trotz Anwendung von "Drei Wetter Taft" zerzauste Haare bekamen.
Das Diagramm in beigefügter Abbildung bezieht sich auf die maximal
gemessenen Böen an DWD-Wetterstationen am gestrigen Donnerstag. Über
80% der Stationen meldeten Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten von
mindesten 75 km/h, wobei an 38% der Wetterstationen Sturmböen
(Beaufort 9, 75-88 km/h) und an weiteren 28% sogar schwere Sturmböen
(Beaufort 10, 89-102 km/h) gemessen wurden. Das sind durchaus
beachtliche Werte für einen Sturm zu dieser Jahreszeit.
Doch damit war noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht (von
denen in Deutschland wohl auch ein paar zum Opfer fielen). Immerhin
rund 11% der Windmasten des DWD-Messnetzes registrierten als
Windspitzen sogar orkanartige Böen (Beaufort 11, 103-117km/h). Das
betraf bei weitem nicht nur die exponierten Lagen der Mittelgebirge.
Vor allem in einem breiten Streifen über der Mitte Deutschlands,
ausgehend vom Saarland und dem südlichen Rheinland-Pfalz über
Südhessen und Unterfranken bis nach Thüringen, das südliche
Sachsen-Anhalt und Sachsen traten schwere Sturmböen und orkanartige
Böen vermehrt bis ins Flachland auf (siehe Karte in der Abbildung).
So wurden in Trier-Petrisberg 116km/h, in Würzburg 113km/h und in
Chemnitz 109km/h gemessen, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber
auch abseits dieses Hauptsturmfelds kam es vereinzelt zu orkanartigen
Böen wie in Wuppertal mit 117km/h.
Immerhin an knapp 4% der DWD-Stationen wurden sogar Orkanböen
(Beaufort 12, >118km/h) aufgezeichnet, wobei sich diese mit Ausnahme
von Dresden-Klotzsche (119km/h) auf die Kammlagen der Mittelgebirge
beschränkten. Spitzenreiter waren hierbei wie so oft der Feldberg im
Schwarzwald mit 166km/h und der Brocken mit 151km/h.
Der beachtliche Herbststurm blieb natürlich nicht folgenlos. Große
Äste oder ganze Bäume fielen zu Boden und es türmte sich das
herabgewehte Herbstlaub am Boden. Straßen waren durch Bäume,
umgerissene Straßenschilder und Baugerüste blockiert, teils kippte
der Sturm sogar fahrende LKWs um. In manchen Orten fiel zeitweise der
Strom aus und auch das obligatorische Bahnchaos lies in einigen
Regionen nicht lange auf sich warten.
Nun ist der Sturm aber erstmal vorbei und die Atmosphäre gönnt sich
eine gewisse Ruhephase. Am heutigen Freitag weht zwar in der
Nordosthälfte nochmals ein ruppiger Wind mit stürmischen Böen, bei
kräftigen Schauern sind vereinzelt auch schwere Sturmböen nicht
ausgeschlossen. Ab dem Wochenende ist es damit aber vorbei. Hoch
"Quedlinburga" macht sich auf den Weg nach Mitteleuropa. Sie scheint
eine recht ruhige und etwas verträumte Zeitgenössin zu sein. Auf der
einen Seite sorgt sie für viel Sonnenschein am Wochenende
(insbesondere am Sonntag), andererseits aber auch für morgendliche
Nebelfelder in den Niederungen, die sich jedoch am Vormittag meist
auflösen sollten. Zum Beginn der neuen Woche verabschiedet sich
"Quedlinburga" zwar schon wieder aus Deutschland und zieht weiter
nach Osteuropa. Trotzdem geht es in der kommenden Woche
wettertechnisch ruhig weiter. Es stellt sich nämlich eine
antizyklonale Westlage ein. Wir gelangen damit wieder in eine
westliche Strömung, die recht milde Meeresluft zu uns führt. Der
Süden profitiert dabei vom nach Norden verschobenen Azorenhoch,
welches über eine Hochdruckbrücke Kontakt mit "Quedlinburga"
aufnimmt. Somit kommt zeitweise die Sonne zum Vorschein und Regen ist
Mangelware. Der Norden kommt bei dieser Wetterlage meist nicht so gut
weg. Dort ziehen immer wieder schwache Frontensysteme mit
Wolkenfeldern und zeitweiligem Regen durch. Wind ist aber nur ganz im
Norden und insbesondere an den Küsten ein Thema. Der nächste Sturm
lässt also erst einmal auf sich warten.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.10.2021
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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