Thema des Tages
Schritt für Schritt...
... zur besseren Vorhersage. Das Europäische Zentrum für
mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) hat eine neue Version seines
Vorhersagemodells in Betrieb genommen. Da bietet sich ein Detailblick
an.
Seit vielen Jahren liefert das ECMWF globale Wettervorhersagen
mittels eines eigenen globalen Wettermodells.
Diese sind auch fester Bestandteil beim Deutschen Wetterdienst, wo
die Vorhersagemeteorologen neben dem hauseigenen ICON-Modell auch auf
die ECMWF-Vorhersagen zurückgreifen.
In erster Linie sind dabei die Vorhersagen für den Kurz- und
Mittelfristbereich, das heißt für die nächsten sieben Tage, relevant.
Die Besonderheit der ECMWF-Vorhersagen sind dabei die sogenannten
Ensemble-Rechnungen, von denen pro Lauf 50 Stück durchgeführt werden.
Dies erlaubt neben der deterministischen Vorhersage auch Aussagen
über die Unsicherheit der Vorhersage und die Wahrscheinlichkeit für
den Eintritt eines Ereignisses.
Zusätzlich bietet das ECMWF auch Vorhersagen auf der langfristigen
und saisonalen Skala an.
Neben den operationellen Vorhersagen ist außerdem Forschung im
numerischen und mathematischen Bereich ein Schwerpunkt am ECMWF.
Die dort gewonnenen Erkenntnisse fließen dabei auch regelmäßig in die
Wettervorhersagemodelle ein.
Am 12. Oktober 2021 ist nun eine neue Version des
ECMWF-Vorhersagemodells mit der Bezeichnung "Cycle 47r3" in den
operationellen Betrieb gegangen.
Eine zentrale Änderung gegenüber der Vorgängerversion ist die gesamte
Überarbeitung der physikalischen Prozesse, in denen Feuchte eine
Rolle spielt.
Dies betrifft eine Menge von Variablen, die für die Vorhersage
wesentlich sind, angefangen von Bewölkung und Niederschlag
beziehungsweise Niederschlagstyp bis hin zu konvektiven Prozessen
(Gewitterbildung) und dem Auftreten sowie der Stärke von Windböen am
Boden.
Eine zentrale Änderung betrifft dabei vor allem die Berechnung des
CAPE (Convective Available Potential Energy).
Wie sich zeigte, war diese in den Vorgängerversionen fehlerhaft und
wurde nun entsprechend korrigiert.
Damit einhergehend sollte eine Verbesserung bei der Vorhersage von
Schauern und Gewittern zu erwarten sein.
Außerdem zeigte sich oft eine Überzeichnung der Geschwindigkeit von
Windböen, gerade in Windfeldern von Tiefdruckgebieten.
Erfahrungsgemäß wurden hier vom Modell gerne Böen gezeigt, die oft
eine Windstärke zu hoch waren.
Mit der neuen Feuchtephysik im Modell dürfte sich dieser Fehler
verringern.
Neben der neuen Feuchtephysik gibt es aber auch noch weitere
Änderungen.
Unter anderem fließen jetzt noch mehr Satellitenbeobachtungen ein.
Die größte Neuerung dabei ist die Tatsache, dass es nun gelungen ist,
auch bewölkte Gebiete zu beobachten und in die Vorhersage zu
integrieren.
Das war vorher nur schwer möglich, da die Algorithmen zur Ableitung
von atmosphärischen Größen aus Satellitenbeobachtungen bei
Vorhandensein von Bewölkung bis dato qualitativ nicht gut genug
waren, um in die Vorhersage einzufließen.
Dies ist insbesondere für die Beobachtung und Vorhersage von
tropischen Sturmsystemen relevant, da diese fast ausschließlich nur
mit Mitteln der Fernerkundung beobachtet werden können.
Somit dürfte sich auch in diesem Bereich die Qualität der Vorhersage
verbessern.
Für den Deutschen Wetterdienst ist dies insofern relevant, als dass
den Vorhersagemeteorologen unter anderem die Aufgabe des Monitorings
und Berichtens von Tropenstürmen zufällt, um über dadurch verursachte
internationale Krisenlagen informieren zu können.
Darüber hinaus gab es mit der neuen Modellversion noch viele kleinere
Verbesserungen, die sich im Alltag zunächst zwar nicht spürbar
bemerkbar machen, aber insgeheim auch für qualitative Verbesserungen
der Vorhersage sorgen.
So ein Vorhersagemodell ist ein Gerät mit hunderttausenden
Stellschrauben.
Das heißt, dass die Entwicklung in diesem Bereich noch lange nicht zu
Ende sein wird, und man sich auch in Zukunft auf weitere, neue
Entwicklungsfortschritte freuen darf, die immer wieder neue
Vorhersagehorizonte erschließen.
Ein solcher Fortschritt wird bereits mit der nächsten Version "48r1"
erfolgen. Dann soll die aktuelle Auflösung des Modells für
Ensemblerechnungen von 18 km auf etwa 9-11 km deutlich erhöht werden
und erstmals auf einem neuen Hochleistungsrechner in Bologna
(Italien) laufen.
M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.10.2021
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
Diesen Artikel und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema
Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon