Thema des Tages

Gewitterpotentialvorhersage

Was eine Gewittervorhersage kann und wie sie zustande kommt wird 
heute im Thema des Tages erläutert.

Der eine oder andere mag sich verwundert die Augen reiben: Gestern 
(Samstagfrüh) noch Nachtfrost, heute (Sonntag) bereits die ersten 
Hitzetage im Südwesten des Landes. Der Sommer kommt quasi über Nacht.
Allerdings ist das Hochsommerintermezzo vor allem im Westen nur von 
kurzer Dauer und das Thema (Schwer)gewitter rückt allmählich in den 
Fokus. Zeit also einen kurzen Blick darauf zu werfen, wie man 
Gewitter überhaupt vorhersagt.

Schonmal vorab: Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist niemand in der 
Lage im Vorfeld genau zu sagen, ob an einem bestimmten Ort Gewitter 
auftreten oder nicht, von Glückstreffern mal abgesehen. Zwar bietet 
das Wettermodell eine scheinbar exakte Prognose der Gewitter an, 
schaut man sich aber ein anderes Modell an, so liegen die 
prognostizierten Gewitter in aller Regel an einem anderen Ort.
Was machen wir Meteorologen dann überhaupt? Wir können die Regionen 
bestimmen, wo es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Gewitter gibt 
und Aussagen darüber treffen, mit welchen Begleiterscheinungen Sie im
Falle des Auftretens rechnen müssen (Hagelgröße, Niederschlagsmenge, 
Windstärke). Kurzum: Es geht um eine Potentialabschätzung, während 
konkrete Gewitterwarnungen erst kurz vor dem Ereignis herausgegeben 
werden können. 
Falls jemand immer noch nicht verstehen kann, warum wir trotz 
Superrechnern noch nicht am Vortag eine detaillierte Aussage treffen 
können, den bitte ich ein Topf Wasser zum Kochen zu bringen und 
vorherzusagen, wo die erste Luftblase aufsteigen wird. Sie wissen 
zwar, dass das Wasser zu kochen beginnt und Luftbläschen aufsteigen, 
Sie wissen aber nicht wo diese genau zu sehen sein werden.

Der Kochtopf ist in diesem Zusammenhang ein guter bildlicher 
Vergleich. Genau darum geht es nämlich: Wie kocht sich die Atmosphäre
ein Gewitter? Dafür braucht es natürlich Zutaten. Im Falle von 
Gewittern liest sich das Rezept folgendermaßen: Wir benötigen 
1.Labilität, 2.Feuchte und 3.Hebung. Den meisten sind diese Zutaten 
wahrscheinlich eher fremd. Daher schauen wir uns diese mal etwas 
genauer an.

Was ist Labilität? Dafür ist es zunächst wichtig zu wissen, dass 
wärmere Luft eine geringere Dichte hat als kalte Luft. Folglich kann 
ein warmes Luftpaket so lange aufsteigen, bis es kälter wird als 
seine Umgebungsluft. Beim Aufsteigen kühlt sich das Luftpaket ab. 
Damit es weiter aufsteigen kann ist es also wichtig, dass auch die 
Umgebungsluft sich möglichst rasch mit der Höhe abkühlt. Für die 
Beurteilung der Labilität schauen wir uns also an, wie stark die 
Temperaturabnahme mit der Höhe ist. Klassischerweise schauen wir 
dabei auf die Temperaturdifferenz zwischen 2 und 4 km Höhe. Je größer
diese ist, desto größer fällt die Zutat Labilität aus.

Was ist Feuchte? Damit sich Wolken, Niederschlag und Gewitter bilden 
braucht man Feuchtigkeit. Das liegt auf der Hand. Für Gewitter 
schauen wir uns ganz speziell die Feuchte in Bodennähe an. Genauer 
gesagt schauen wir, wieviel Wasserdampf im Gasgemisch Luft enthalten 
ist. Je mehr Feuchtigkeit es gibt, desto besser ist es für die 
Gewitterentwicklung. Daneben ist es aber auch wichtig, dass weiter 
oben in der Atmosphäre ausreichend Feuchte vorhanden ist. Ist es zu 
trocken, beginnen die Wolken wieder zu verdunsten und das Gewitter 
ist Geschichte, ehe es sich richtig entwickeln kann.

Was ist Hebung? Labilität und Feuchte sind ein guter Anfang, damit 
sich aber Gewitter durchgreifend und nachhaltig entwickeln können, 
braucht es einen (erzwungenen) Hebungsimpuls. Dafür gibt es 
verschiedene Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist die Orographie. Im 
Tagesverlauf können sich die Gebirgshänge bei Sonnenschein stark 
erwärmen, sodass die Luft zum Aufsteigen gezwungen wird. Das ist der 
Klassiker bei Luftmassengewittern, wo vor allem im Bergland Gewitter 
auftreten. Eine andere Möglichkeit sind Fronten, also Regionen, wo 
kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen. Bei einer Kaltfront 
schiebt sich zum Beispiel kalte (schwere) Luft wie ein Keil unter die
vorgelagerte Warmluft und zwingt sie aufzusteigen. Eine dritte Option
ist eine sogenannte (Wind)konvergenz. Dabei kommt der Wind am Boden 
aus unterschiedlichen Richtungen. Das zum Beispiel der Fall, wenn der
Wind in Ostdeutschland aus östlichen Richtungen weht und dann weiter 
westlich auf West dreht. Dort wo Luft zusammenströmt, muss sie 
irgendwohin ausweichen. Was bleibt also? Die Luft muss nach oben 
steigen und das Resultat ist Hebung.

Okay, nun kennt man die drei Zutaten. Um zu beurteilen wo es Gewitter
gibt, müssen wir also schauen, wo über Deutschland alle drei Zutaten 
im Kochtopf zusammenkommen. Das sind dann die Regionen, wo wir eine 
erhöhte Wahrscheinlichkeit für Gewitter vorhersagen.

Was aber ist eine gute Suppe ohne Salz? Genau, lasch und fad. Ebenso 
ist es bei den Gewittern. Wenn die Würze fehlt, machen die Gewitter 
nicht viel her. Das Gewürz entscheidet darüber wie stark die Gewitter
werden und wie groß beispielsweise der zu erwartende Hagel sein wird 
oder wie stark der Wind ausfällt. Das Salz ist in unserem Fall die 
vertikale Windscherung. Wir schauen zum Beispiel, wie sich der Wind 
in Richtung und Stärke zwischen Boden und etwa 6 km Höhe verändert. 
Je stärker der Wind zunimmt und die Richtung mit der Höhe ändert, 
desto größer ist das Potential für kräftige Gewitter bis in den 
Unwetterbereich.

Das ist nun in aller Kürze und stark vereinfacht das Rezept für die 
Gewittersuppe. Diese brodelt in Teilen Deutschlands auch in den 
nächsten Tagen. Während es heute noch schwierig wird für Gewitter im 
Westen oder Nordwesten, schauen die Zutaten morgen in einem Streifen 
von Bayern bis nach Mecklenburg-Vorpommern schon deutlich besser aus.
Es wird aber wohl bei einigen wenigen Gewitter bleiben, die dann aber
aufgrund ordentlich Salz in der Suppe kräftig ausfallen können. Der 
Höhepunkt der Gewitterentwicklung steht dann am Dienstag von der 
Schwäbischen Alb bis in die ostdeutschen Bundesländer an, ehe sich 
das Hochsommerintermezzo endgültig auch aus dem Osten verabschiedet.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 09.05.2021

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon