Thema des Tages
Eispanzer gegen Kälte
Nach "Februarwärme" und "Märzsommer" nun Aprilwetter mit Spätfrösten
- die Natur liegt unterm Strich voll im Soll. Die Talsohle bei den
Temperaturen ist nun aber erreicht und es geht wieder aufwärts.
Auch in der vergangenen Nacht sank das Thermometer vielerorts wieder
in den Frostbereich ab. Gerade in klaren, windschwachen Nächten wie
aktuell kann die Restwärme vom Boden ausgehend ungehindert in höhere
Luftschichten entweichen und unmittelbar in Bodennähe wird es dadurch
am kältesten. Die vom Stationsmessnetz des DWD's eingefangene
Tiefsttemperatur in 2 Metern Höhe lag in der vergangenen Nacht bei
-6,6 Grad an der Station Nürnberg-Netzstall. In Landshut wurden in 5
cm über dem Erdboden sogar an die -10 Grad gemessen. In den
Vornächten sah es nicht viel anders aus.
Wie die Übersicht aus dem gestrigen Thema des Tages eindrucksvoll
zeigt, sind Spätfröste im Frühjahr keine Seltenheit. Die Wetterlagen
zeigen dabei durchweg ähnliche Muster: Kaltluftausbrüche aus dem
Nordmeer, wobei die Meereskaltluft bei uns von Westen bodennah rasch
unter Hochdruckeinfluss gerät. Fertig ist ein gefährlicher Mix, der
die oben beschriebenen Strahlungsnächte in einer trocken-kalten
Luftmasse (niedrige Taupunkte) begünstigt. Das treibt so einigen
Landwirten und Hobbygärtnern die Schweißperlen auf die Stirn - gerade
wenn die Natur wie in diesem Jahr nach mehr als 20 Grad im Februar
bereits große Fortschritte gemacht hat. Dennoch muss man festhalten,
dass wir uns - phänologisch betrachtet - noch inmitten des
Erstfrühlings befinden und damit ziemlich genau im langjährigen
Mittel der Phänologischen Uhr (siehe auch Thema des Tages vom
05.04.2021). Der Erstfrühling zeichnet sich dadurch aus, dass die
strahlend gelben Blüten der Forsythie erstmals zum Vorschein kommen.
Etwas später folgen Buschwindröschen, Ahorn und Kirsche nach und bei
Rosskastanie, Birke und Johannisbeere entfalten sich die ersten
Blätter. Die Natur liegt aktuell sozusagen voll im Plan, wohingegen
sie zum selben Zeitpunkt des vergangenen Jahres bereits an der
Schwelle zum Vollfrühling stand. 2020 war die Flora im Vergleich
somit knapp 2 Wochen weiter.
Wie groß ist nun der Kältestress - sprich die Belastung der Pflanzen
bei den aktuellen nächtlichen Temperaturen? Das hängt natürlich stark
von der Herkunft ab. Exotische Pflanzen tropischer Herkunft können
bereits bei +10 Grad erhebliche Schäden nehmen - euphorische Käufer
bei über 20 Grad Ende Februar werden da nun bitter bestraft. Häufig
gibt es aber auch winterharte (kälteresistente) Unterarten wie
beispielsweise die Japanische Faserbanane. Viele Kohlarten und Salate
sind hingegen winterhart und Fröste verleihen sogar erst einen
süßlichen Geschmack. Um Grünkohl und Rosenkohl muss man sich bis -10
Grad keine Sorgen machen, Wirsing und Radicchio halten sogar strengen
Frost bis -15 Grad aus. Vollkommen unempfindlich sind Pastinaken und
Schwarzwurzeln, wobei das Ernten erfolgen sollte, bevor die Böden
nach langen Frostperioden mehrere Zentimeter tief gefroren sind.
Sonst muss der Presslufthammer her.
Grundsätzlich sollte man folgende Faustregeln im Hinterkopf haben:
- Je kleiner und jünger die Pflanze, desto empfindlicher ist sie.
- Vor allem die Wurzeln müssen vor Frost und Kälte geschützt werden.
- Laubabwerfende Pflanzen sind frosttoleranter als immergrüne
Pflanzen.
Gerade für die Blüten an den Obstbäumen (wie derzeit die Kirsche)
gilt:
- Keine Triebe: selbst strenge Fröste kein Problem
- Geschlossene Knospen: unter minus 5 Grad wird's kritisch
- Erste Blütenblätter zu sehen: leichter Frost liegt im
Toleranzbereich
- Offene Blüten: erste Schäden bereits unter 0 Grad
Daher schützen derzeit viele Obstbauern die Blütenbestände wieder
durch die sogenannte "Frostschutzberegnung". Dabei wird kurz vor
Eintreten des Frostes durch die Sprengung mit feinen Tröpfchen ein
Wasserfilm um die Blüten gelegt. Gefriert dieses, wird durch den
Übergang des Aggregatzustandes von flüssig in fest Wärme freigesetzt,
die die Temperatur im Eispanzer konstant bei 0 Grad hält. Auf diese
Weise nehmen Knospen und Blüten keinen Schaden.
Die gute Nachricht zum Schluss. Es geht in den kommenden Tagen mit
den Temperaturen zögernd etwas aufwärts - vor allem nachts. Das liegt
zum einen an vielen Wolken, die von Osten nach Deutschland
geschaufelt werden und zum anderen wird der Zustrom der Polarluft aus
Norden abgeschnitten und die Strömung dreht auf Ost. So kann sich die
Luftmasse über uns langsam erwärmen, so dass wir zum Wochenende
allmählich wieder auf die 15 Grad Marke zusteuern. Nach
"Februarwärme" und "Märzsommer" sind wir allerdings auch
mittelfristig weit von einer "Aprilhitze" entfernt. Aber auch wenn
spätestens im Mai sicherlich ein paar wärmere Tage auf uns warten
werden, sind die Eisheiligen Mitte Mai auch immer für ein nochmaliges
Spätfrostintermezzo gut.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.04.2021
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