Thema des Tages

"Seegfrörne" - Als der Bodensee zufror 

58 Jahre ist es her, dass Menschen den Bodensee auf einer dicken 
Eisdecke überqueren konnten. Wie kam es, dass der Bodensee zufror? Im
heutigen Thema des Tages beleuchten wir die damalige Wetterlage.

Der bodenseealemannische Ausdruck "Seegfrörne" beschreibt das 
Phänomen, wenn der gesamte Bodensee (Untersee, Seerhein und Obersee) 
zufriert, sodass die Eisdecke Menschen tragen kann. Der Obersee, der 
größte Teil des Bodensees, hat eine Fläche von 473 km² (etwa halb so 
groß wie Berlin), ist bis zu 251 Meter tief, es gibt eine Fahrrinne 
für Fähren und der See wird vom Rhein durchflossen. Da ist es nicht 
verwunderlich, dass es relativ selten zu einer Seegfrörnen kommt. 
Dafür müssen etliche meteorologische Faktoren zusammenpassen. Im 
Winter 1962/1963 passte vieles und der gesamte Bodensee war von einer
dicken Eisschicht bedeckt. Zuvor war dies 1880 der Fall. 

Damit der komplette Bodensee zufriert, sollte der vorhergehende 
Sommer eher kühl sein und der Winter recht früh beginnen. Wie in der 
beigefügten Grafik beispielhaft für die Stadt Konstanz am Bodensee zu
sehen, gab es von April 1962 bis zum Winter nur drei Monate, in denen
die Tagesmitteltemperatur eine positive Abweichung zum langjährigen 
Mittel* aufwies. Zudem war es von November 1962 bis März 1963 
deutlich kälter als üblich. Speziell in den Wintermonaten Dezember 
bis Februar wurden teils bis zu -5,4 Grad Abweichung registriert. 

Dies ist natürlich der Großwetterlage zuzuschreiben, welche im 
Folgenden kurz beschrieben wird: Schon Anfang Dezember 1962 lag 
Deutschland unter kräftigem Hochdruckeinfluss mit einfließender 
Kaltluft aus Osteuropa. Am Bodensee gab es mehrere Tage am Stück 
Dauerfrost, bis sich ab dem 9. Dezember für etwa zwei Wochen in einer
vornehmlich südwestlichen Strömung milde Luft durchsetzte. In der 
letzten Dezemberdekade verstärkte sich dann ein Hoch über 
Skandinavien, verschob seinen Schwerpunkt zum nördlichen Mitteleuropa
und sorgte mit einer östlichen Strömung über Weihnachten bis kurz vor
den Jahreswechsel für teils strengen Dauerfrost in Teilen der Mitte 
und dem Süden Deutschlands. Auch am Bodensee lagen die Höchstwerte(!)
an den Weihnachtsfeiertagen 1962 um -10 Grad. Im Anschluss brachte 
schwacher Tiefdruckeinfluss Schneefälle, sodass zum Jahresende im 
ganzen Land eine Neuschneedecke zu verzeichnen war. 

Zu Beginn des neuen Jahres 1963 wurde unter Tiefdruckeinfluss milde 
Luft aus dem Mittelmeerraum in den Süden Deutschlands geführt. 
Vorübergehend stiegen die Temperaturen am Bodensee auf +6 Grad. In 
der zweiten Januardekade drang dann jedoch arktische Kaltluft bis 
nach Südeuropa vor. Vom 10. bis 22. Januar herrschte fast überall in 
Deutschland Dauerfrost, teils mit Höchstwerten im zweistelligen 
Minusbereich! Am Bodensee kletterte das Quecksilber sogar erst Anfang
Februar wieder nachhaltig über die Nullgradmarke. Vier Wochen lang 
lag die Höchsttemperatur in Konstanz am Bodensee unter 0 Grad mit 
einem Mittelwert von -5,2 Grad. In fast allen Nächten in diesem 
Zeitraum gab es strengen Frost. Das waren ideale Bedingungen für das 
Gefrieren eines Sees, wenn er auch noch so groß und tief ist, wie der
Bodensee. 

Im Januar 1963 wurden deutschlandweit etliche Allzeitrekorde für das 
tiefste Minimum aufgestellt. Als Beispiel sei die bayerische Station 
Aldersbach-Kriestorf (340 m ü. NN) genannt. Dort wurden in der Nacht 
zum 17.01.1963 eisigkalte -33,5 Grad gemessen, die bis heute das 
dortige tiefste Minimum darstellen. Der Wert in Aldersbach-Kriestorf 
steht damit an vierter Position der jemals in Deutschland gemessenen 
tiefsten Minima. Geringere Tiefstwerte gab es nur noch an drei 
anderen Stationen, dies jedoch im Winter 1956, darunter 
Deutschneudorf-Brüderwiese und Marienberg in Sachsen mit -35,5 Grad 
am 1. Februar 1956. 

Nach der langen Dauerfrostphase setzte sich Mitte Februar 1963 
wiederum mildere Luft in Deutschland durch, die zu Temperaturen um 
den Gefrierpunkt führte. Allerdings herrschte in den Nächten 
weiterhin Frost, Ende Februar bis Anfang März sogar im zweistelligen 
Minusbereich. So war es vom 7. Februar bis etwa 10. März möglich, den
Bodensee auf mehreren Routen per Fuß, Schlittschuh, zu Pferd, via 
Fahrrad oder Auto zu überqueren. Anfang März konnten sogar 
Segelflieger und Sportflugzeuge auf dem zugefrorenen Bodensee landen.
Am 12. Februar 1963 fand die berühmte Eisprozession statt, die seit 
1573 bei jeder Seegfrörnen stattfindet, solange das Eis große 
Menschenmengen tragen kann. Dabei wird die Büste des Heiligen 
Johannes von Hagnau am Nordufer auf deutscher Seite über den 
gefrorenen See ins schweizerische Münsterlingen getragen. Erst bei 
der nächsten Seegfrörnen wird die Büste dann zurückgebracht. 

Die Seegfrörne 1963 endeten Anfang/Mitte März aufgrund warmer 
Föhnstürme. Das Eis wurde zusammengeschoben und türmte sich zu 
meterhohen Bergen auf. Es dauerte jedoch noch Wochen, bis der 
Bodensee wieder komplett eisfrei war. 

Dem Zufrieren des Sees sind noch weitere Faktoren zuträglich, wie ein
niedriger Wasserstand, fehlender Sonnenschein und geringe 
Windgeschwindigkeiten. Hinsichtlich Wasserstand und 
Windgeschwindigkeit können an dieser Stelle keine Aussagen getroffen 
werden. Fehlenden Sonnenschein gab es in den Wintermonaten 1962/1963 
am Bodensee allerdings nicht. Die Sonnenscheindauer wurde von 
Dezember bis Februar im Vergleich zum langjährigen Mittel sogar 
jeweils deutlich übertroffen. Die Seegfrörne im Winter 1962/1963 sind
demzufolge am ehesten dem Zustrom von Kaltluft und in der Folge den 
niedrigen Temperaturen zuzuschreiben. 


*Referenzperiode 1961-1990


Dipl.-Met. Julia Fruntke 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 18.03.2021

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