Thema des Tages

Satellitenmeteorologie (Teil 1) - Die 12 Augen der Wettersatelliten

Wettersatelliten sind ein essenzielles Hilfsmittel in der 
Wetteranalyse. Heute geben wir einen kurzen Einblick, was 
Wettersatelliten alles "sehen" können.

Wettersatelliten sind in der heutigen modernen Meteorologie nicht 
mehr wegzudenken. Sie liefern zum einen wichtige Beobachtungsdaten 
für Wettervorhersagemodelle, die für eine präzise numerische 
Wettervorhersage unerlässlich sind. Mit ihrem Blick aus dem Weltall 
auf unsere Erde leisten sie außerdem unschätzbare Dienste bei der 
Wetteranalyse und der Kürzestfristvorhersage. Unter letzterem 
versteht man die Vorhersage des Wetters der kommenden Stunden, für 
die man nicht zwangsläufig Vorhersagemodelle benötigt. Die Satelliten
machen alle 15 Minuten Aufnahmen von unserer Erde, die uns 
Meteorologen einen schnellen Überblick geben, wo sich beispielsweise 
aktuell in der Atmosphäre Wolken befinden. Auf einem Blick können wir
so Tiefdruckgebiete identifizieren, um die sich die Wolkenbänder 
schlängeln. Mittels zeitlicher Abfolge vergangener Bilder können wir 
sogar abschätzen, in welche Richtung sich die Wolken und die 
dazugehörigen Tiefs bewegen werden, ob sich die Wolken auflösen oder 
verdichten, wo in Kürze Gewitter entstehen könnten und vieles mehr.

Im heutigen Tagesthema zeigen wir, was Wettersatelliten alles sehen 
bzw. messen können. (Auf die der Satellitenmeteorologie zugrunde 
liegenden Strahlungstransporttheorie soll an dieser Stelle bewusst 
verzichtet werden, damit auch Leserinnen und Leser ohne Physikstudium
oder Physikleistungskurs nicht den Durchblick verlieren.) Das 
wichtigste Messgerät der der Wettersatelliten ist das sogenannte 
Radiometer, das die von der Erde zurückgesandte Strahlung misst. Ein 
Radiometer ist eine Art Multifunktions-Kamera, die weit mehr 
aufnehmen kann als unser menschliches Auge, nämlich die von der Erde 
abgegebene Strahlung im solaren (sichtbaren) und infraroten 
(thermischen) Spektralbereich.

Stellen Sie sich vor, Sie wären Alexander Gerst (deutscher Astronaut)
und blicken von der ISS auf die Erde. Was Sie sehen würden, ist ein 
Abbild unseres blauen Planeten im für das menschliche Auge sichtbaren
(solaren) Spektralbereich (Wellenlängen zwischen 380 und 780 
Nanometer). Unser Auge erkennt also eine ganze Bandbreite an 
Wellenlängen, die es unterschiedlichen Farben zuordnet. Die 
Radiometer der Wettersatelliten funktionieren nach einem ähnlichen 
Prinzip, nur bestehen sie nicht nur aus einem "Auge", sondern aus 
gleich zwölf Augen, den sogenannten Kanälen. Jeder der zwölf Kanäle 
empfängt einen bestimmten von der Erde emittierten 
Wellenlängenbereich. Die Kanäle messen dabei die Intensität der 
empfangenen Strahlung, ohne diese Farben zuzuordnen. So entstehen 
Schwarz-Weiß-Bilder, bei denen weiß eine hohe Strahlungsintensität 
und schwarz eine geringe Strahlungsintensität bedeutet. Drei der 
zwölf Kanäle empfangen ähnlich zum menschlichen Auge Strahlung im 
solaren (kurzwelligen) Bereich, aber mit einer jeweils kleineren 
Bandbreite als unser Auge. Weitere acht Kanäle empfangen Strahlung im
thermischen (langwelligen) Strahlungsbereich und damit Informationen,
die unser Auge nicht erfassen kann. Jeder dieser elf Kanäle sieht für
sich betrachtet zwar weniger als unser Auge, in der Kombination aller
Kanäle erfasst ein Radiometer aber weitaus mehr Informationen von der
Erde als der sehende Mensch. Das zwölfte Auge des Radiometers, der 
HRV-Kanal (High Resolution Visible), ist das Adlerauge unter den 
Kanälen, es sieht besonders scharf, also mit einer höheren Auflösung 
im gesamten sichtbaren Spektralbereich.

Jeder der einzelnen Kanäle liefert den Meteorologen ganz individuelle
Informationen. Die sichtbaren Kanäle geben uns beispielsweise 
Auskunft über die räumliche Verteilung und Dicke der Wolken, sowie 
dort, wo keine Wolken vorhanden sind, auch über die Beschaffenheit 
der Erdoberfläche (obere Abbildung, HRV-Kanal). Die Kanäle im 
thermischen Strahlungsbereich sind hingegen sensitiv für bestimmte 
Strahlungstemperaturen. Da die Temperatur in der Atmosphäre 
gewöhnlich mit der Höhe abnimmt, kann mithilfe der erfassten 
Strahlungstemperaturen an den Oberkanten von Wolken auf die 
Wolkenhöhe geschlossen werden. Somit kann unterschieden werden, ob es
sich um flache und tiefe Wolken, um hohe Schleierwolken oder um 
mächtige hochreichende Wolken handelt (untere Abbildung, 
IR8.7-Kanal). Einige der infraroten Kanäle messen zudem in den 
Absorptionsbereichen atmosphärischer Gase wie Ozon, Kohlenstoffdioxid
(CO2) oder Wasserdampf. So kann man die Ozonkonzentration in der 
Atmosphäre bestimmen oder erhält Auskunft darüber, in welchen 
Bereichen der Atmosphäre sich viel oder wenig Wasserdampf befindet. 
Zudem kann man noch eine Fülle weiterer Informationen aus den 
einzelnen Kanälen selbst oder aus einer Kombination verschiedener 
Kanäle gewinnen, was allerdings den Rahmen dieses Themas sprengen 
würde.

Im nächsten Teil dieser Reihe erfahren Sie, wie man mit einer 
geschickten Technik farbige Bilder erzeugen kann, die den 
Meteorologen weitere Möglichkeiten der Wetteranalyse bieten.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 27.01.2021

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