Thema des Tages
Gibt es dieses Jahr ein "Revival" des typischen mitteleuropäischen
Sommers?
Unbeständiges und teils windiges, zu Schauern und Gewittern neigendes
Wetter und Temperaturen gerade mal um die Sommerschwelle von 25 Grad.
Ist dies der typische Sommer? Die Sommermonate der letzten Jahre
waren vielmehr von Hitzewellen und Trockenperioden geprägt. Doch
eigentlich ist das derzeitige Wetter völlig normal!
Was ist ein typischer mitteleuropäischer Sommer? Die letzten Jahre
ließen an diesem zunehmenden Zweifel aufkommen. Hitze und Trockenheit
bestimmten die Wetterküche. Doch zumindest der Start in den Sommer
2020 zeigt einen Rückfall in alte Strukturen. Bis in die erweiterte
Mittelfrist hinein ist, ganz nach den Regeln des Siebenschläfers,
mäßig warmes bis warmes und wiederholt unbeständiges Wetter Trumpf.
Entsprechend chaotisch sieht auch die Wetterkarte aus. In der
Wetterküche sind demnach viele Köche am Start, die den Brei
hoffentlich nicht zu sehr verderben. Schauen wir mal.
Am heutigen Dienstag ist da das Hoch VALENTIN, dass sich über
Südfrankreich befindet. Allerdings ist das Reich von VALENTIN
keineswegs üppig und auch nicht sicher. Von allen Seiten versuchen
kleine, eigentlich recht schwache Tiefs Einfluss zu nehmen und sein
Machtgebiet anzuknabbern. Ab und an gelingt es Hoch VALENTIN aber
sogar, Richtung Süddeutschland vorzustoßen und somit auch das Wetter
hierzulande in Teilen zu bestimmen. So kann heute z.B. südlich der
Donau und in Ostbayern bei absinkender Luft aus größeren Höhen und
entsprechender Tendenz zu Wolkenauflösung die Sonne länger scheinen.
Damit verbunden können dann auch die Temperaturen auf Werte um die 25
Grad ansteigen.
In nördliche Richtung kommt das Hoch VALENTIN aber nicht voran. Dort
sind mehrere Tiefs als "Big Player" am Werke. Allein die Tiefs SYLVIA
I und II herrschen über eine große Tiefdruckzone, die Skandinavien
und das Nordmeer umfasst. Zusammen mit dem Hoch VALENTIN sorgen sie
derzeit für eine westliche Grundströmung, die Atlantikluft bis nach
Deutschland transportiert. Diese ist feucht und auch nicht sehr warm,
sodass die Temperaturen in der Nordhälfte Deutschlands am heutigen
Dienstag teils deutlich unter der Sommermarke von 25 Grad liegen. An
der See fühlen sich die Werte um 17 Grad bei mitunter stürmischem
Wind noch kälter an. Zudem sorgen Prozesse in höheren Luftschichten
dafür, dass die Luft mehr oder weniger stark in die Höhe steigt und
Niederschläge generiert. Als Folge ziehen vom Emsland bis nach
Mecklenburg-Vorpommern immer wieder Regenschauer durch. Somit ist im
Küstenumfeld also eher April- als Sommerwetter angesagt.
Auch die kommenden Tage versprechen keine Beruhigung in der
Wetterküche. Zu den aktuellen Köchen stößt dann auch noch das Tief
THEKLA, welches sich derzeit bei Irland befindet und mit der
kräftigen Westströmung gen Osten gesteuert wird. Dieses soll uns, im
wahrsten Sinne des Wortes, den Mittwoch und auch den Donnerstag
verregnen oder auch verhageln. Zunächst zieht eine Warmfront über die
Nordhälfte des Landes hinweg und sorgt ab der Nacht zum Mittwoch für
teils kräftige und länger anhaltende Niederschläge, die sich von NRW
und dem Emsland ostwärts bis nach Brandenburg ausbreiten. Im direkten
Küstenumfeld kommt die wärmere Luft jedoch nicht an. Dort sind weiter
Regenschauer und einzelne Kaltluftgewitter unterwegs. Abgekoppelt von
den Geschehnissen rund um den Frontenzug ist der Süden des Landes.
Dort hält sich schwacher hochreichender Hochdruckeinfluss, der
südlich des Mains viel Sonnenschein bringt. Sonne und einfließende
warme Luft lassen dann auch die Temperaturen klettern. Etwa südlich
der Linie Eifel-Berlin steht am morgigen Mittwoch ein Sommertag an,
der sich im Süden gebietsweise bis in den Hitzebereich von Werten
über 30 Grad aufschwingen kann. Weiter nördlich wird es zwar auch
etwas wärmer, allerdings dämpfen die Wolken und der Niederschlag die
Klettertour nachhaltig, sodass dort meist nur 21 bis 25 Grad erreicht
werden.
Ab dem Mittwochabend und in der Nacht zum Donnerstag schiebt sich
schließlich die folgende Kaltfront ins Land und drängt die Warmluft
wieder zurück. Im Grenzbereich sowie auch in der Warmluft im Süden
kann es dann richtig krachen. Teils schwere Gewitter mit (heftigem)
Starkregen, Hagel und (schwere) Sturmböen sind nach aktuellen
Berechnungen möglich. Am Donnerstag liegt das Hauptkampfgebiet dann
zunächst zwischen Ober- sowie Hochrhein und der Neiße, zieht jedoch
allmählich nach Österreich und Tschechien ab. Allerdings wäre es ja
zu langweilig, wäre das Wetter damit beschrieben. Denn das Tief
THEKLA hat noch nicht genug und schickt eine zweite Kaltfront von
Norden ins Land. An dieser geht es ebenfalls, allerdings in
abgeschwächter Form, hoch her. Schauer und Gewitter prägen also auch
im Norden das Donnerstagsbild. Und wo ist die Sonne? Größere
Auflockerungen gibt es wohl nur im Zwischenbereich von NRW und
Rheinland-Pfalz bis nach Nordbrandenburg.
In den Folgetagen kann sich voraussichtlich Zwischenhocheinfluss
breitmachen. Das Azorenhoch startet dann nämlich einen Versuch, auch
in West- bzw. Mitteleuropa sesshaft zu werden. Allenfalls die
Küstengebiete sowie Teile des Nordens bekommen davon nur wenig mit
und verbleiben teilweise im Einfluss durchziehender Tiefausläufer.
Auch im Alpenraum brodelt es weiter. Ab und an können die Quellwolken
mit Schauern und Gewittern über den Alpennordkamm hinweg auf die
deutsche Seite schwappen. Aber auch dazwischen führt die
eingeflossene kühle und feuchte Atlantikluft nicht überall für eitel
Sonnenschein. Wiederholt ziehen Wolkenfelder durch, die aber am
Freitag und Samstag kaum Regen bringen. Ab Sonntag könnte es dann
wieder zunehmend unbeständiger werden.
Bis dahin gibt es aber in der Wetterküche noch mehrere Schicht- und
somit Kochwechsel. Was schließlich ab Sonntag genau auf der
Speisekarte steht, ist derzeit noch nicht gesichert zu sagen.
Allerdings deutet sich auch zur neuen Woche eher unbeständiges und
mäßig warmes bis warmes Sommerwetter an. Hitzewellen und
Trockenperioden scheinen derzeit in Deutschland weit entfernt. Sollte
sich dieses Jahr doch mal wieder ein typischer Sommer der mittleren
Breiten durchsetzen? Vielleicht folgt auf einen relativ normalen Juni
(in Deutschlandsicht, regional gibt es durchaus auch signifikante
Abweichungen) gegeben falls ein relativ normaler Juli?
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.06.2020
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