Thema des Tages
Wo kommt denn der Wind her?
Plötzlich auffrischender Wind an einem sonnigen Sommertag. Woher das
kommt, erfahren Sie im heutigen Tagesthema.
Ist Ihnen das auch schonmal passiert? Es ist ein herrlicher
Sommertag, die Sonne scheint, allenfalls am fernen Horizont lassen
sich ein paar Wolkenfelder erkennen. Doch plötzlich nimmt der Wind
kräftig zu, es wird regelrecht stürmisch. Das sorgt sicherlich
oftmals für Verwunderung. Woher dieses Phänomen kommt und wie man
dieses auch in den Regenradarbildern erkennen und bewarnen kann,
darum geht es im heutigen Tagesthema.
Natürlich kommt der auffrischende Wind nicht aus dem Nichts.
Grundsätzlich hat Wind verschiedene Ursachen, die immer darauf zurück
zu führen sind, dass die Natur bestrebt ist sich entwickelnde
Gegensätze auszugleichen. Ganz klassisch kennt man dies zwischen
Hoch- und Tiefdruckgebieten. Die fehlende Luft in Tiefdruckgebieten
und der Überschuss in Hochs muss ausgeglichen werden und diese Rolle
übernimmt der Wind. Daran gekoppelt ist aber auch die Temperatur.
Gibt es Temperaturunterschiede, zum Beispiel zwischen den Polen und
den mittleren Breiten, dann versucht die Natur diese auszugleichen.
Das ist der Grund, warum überhaupt Tiefdruckgebiete und damit der
Wind entstehen.
Ganz vereinfacht kann man auch zusammenfassen: Je größer die
Temperaturunterschiede sind, desto kräftiger werden die Tiefs und
desto stärker weht der Wind, der dieses Druckdefizit auszugleichen
versucht.
Was auf der großen Skala funktioniert, spielt sich auch auf der
kleinen Skala ab und damit nähern wir uns dem Ursprungspunkt des an
einem Sommertag manchmal stark auffrischenden Windes. Verantwortlich
dafür sind nämlich Gewitter.
Wenn ein Gewitter entsteht, dann beginnt dies mit Quellwolken, die
rasch zu einer großen Gewitterwolke heranwachsen können und
schließlich Niederschlag produzieren. Wenn Niederschlag fällt, dann
kann dieser in der bodennahen ungesättigten Luft verdunsten. Dafür
ist Wärme notwendig, die der Umgebungsluft entzogen wird. Kurz
gesagt: Die Luft kühlt ab. Dieser Tatsache, dass es nach einem
Regenguss in aller Regel kälter ist als zuvor, kann sicherlich jeder
zustimmen.
Man nennt diese kalte Luft unter den Gewittern auch ?Cold Pool?.
Zwischen dem Cold Pool und der vorgelagerten Warmluft entwickeln sich
Laufe der Zeit größere Temperaturunterschiede. Diese Gegensätze
möchte die Natur ausgleichen und es entwickeln sich kleinräumige
Hoch- und Tiefdruckgebiete (sogenannte Mesohochs/-tiefs). Und damit
sind wir dann wieder beim Wind.
Kurz zusammengefasst: Gewitter produzieren durch den fallenden
Niederschlag ihren eigenen Kältepool. Es entwickeln sich kleinräumige
Hoch- und Tiefdruckgebiete und damit Wind, der die Unterschiede
ausgleichen möchte.
Gut, nun wissen wir, wo der Wind herkommt, aber warum tritt dieser
auch außerhalb von Gewittern auf?
Neben dem Kältepool braucht ein Gewitter auch noch eine
Energiequelle: feuchtwarme Luft. Bei einem aktiven und kräftigen
Gewitter stehen beide gut in Wechselwirkung und der Kältepool und
damit auch der Wind liegen nah bei der Gewitterzelle. Beginnt ein
Gewitter oder ein größerer Gewitterkomplex aber sich abzuschwächen,
dann geschieht das meist dadurch, dass dieses von seiner
Energiequelle, also der feuchtwarmen Luft, abgeschnitten wird. In
diesem Fall dominiert also der Cold Pool im Gewitter und die kalte
Luft wird nach außen weggestoßen. Die Vorderkante der Kaltluft
beginnt im Laufe der Zeit immer weiter von seinem eigentlichen
Ursprung wegzulaufen.
Die Grenzfläche zwischen der Kaltluft der Gewitterzelle und der
vorgelagerten Warmluft nenn man auch ?Outflow Boundary? (Böenlinie).
Genau an diese Grenzfläche sind auch die stärksten Böen gekoppelt.
Nach und nach entfernt sich der auffrischende Wind also immer mehr
von seinem Erzeuger. Im Endstadium bleibt nur noch die Böenlinie,
während das Gewitter bereits nicht mehr da ist.
Kurzum: Der plötzlich stark auffrischende Wind an einem eigentlich
sonnigen Sommertag ist oftmals der sterbliche Überrest eines
vergangenen Gewitters.
Warum sind diese Outflow Boundaries eigentlich so wichtig für den
Vorhersagemeteorologen?
Zum einen kann der Meteorologe damit besser warnen. So kann der Wind
eben schon vor einem Gewitter auffrischen. Die Warnung sollte
entsprechend starten, wenn der Wind einsetzt und nicht erst wenn der
Niederschlag da ist. Zum anderen erkennt der Vorhersager beim
Weglaufen der Böenlinie vom eigentlichen Gewitter, dass sich diese
beginnen abzuschwächen. Und drittens sind diese Grenzflächen zwischen
kalter und warmer Luft auch häufig der Ausgangspunkt für neue
Gewitterentwicklungen.
Und wie kann man diese Outflow Boundaries eigentlich erkennen?
Dabei helfen uns unter anderem die herumfliegenden Insekten, die
einen kleinen Wasserkörper haben. Dieser reflektiert wie ein kleiner
Regentropfen die Radarstrahlen. Direkt an der Böenlinie sammeln sich
getrieben durch den Wind die Insekten. Dies zeigt sich dann in einer
stärkeren Radarreflektivität.
Das können Sie sich nicht so richtig vorstellen? Dann werfen Sie
einen kleinen Blick auf die unten angehängte Animation. Dann wird es
sicherlich etwas klarer.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.06.2020
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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