Thema des Tages
Die Geheimnisse der Leuchtenden Nachtwolken
Es gibt sie wieder zu sehen! Geheimnisvolle silbrig bis weiß-blau
leuchtende Wolken am Nordhorizont von klaren Sommernächten. Doch wie
lässt sich dieses eher seltene Phänomen erklären. Wir gehen den
Leuchtenden Nachtwolken heute auf die Spur.
Leuchtende Nachtwolken sind zarte, wolkenähnliche Phänomene in der
oberen Atmosphäre der Erde. Sie können als "eigenschaftslose" Bänder
erscheinen, zeigen aber häufig ausgeprägte Muster wie Streifen,
wellenartige Strukturen und Wirbel. Sie bestehen aus Eiskristallen
und sind nur während der astronomischen Dämmerung sichtbar. In
Mitteleuropa werden sie am häufigsten zwischen Anfang Juni und Ende
Juli, also in den Monaten um die Sommersonnenwende zwischen 50° und
70° nördlicher Breite beobachtet.
Von den uns bekannten Wolkenarten unterscheiden sich die Leuchtenden
Nachtwolken durch die große Höhe, in der sie auftreten. Während
"normale" Wolken in unseren mittleren Breiten bis in Höhen von bis zu
15 km zu finden sind, erscheinen Leuchtende Nachtwolken in einer Höhe
von 80 bis 85 km. In dieser Höhe befindet sich die kälteste Zone der
Atmosphäre, die sogenannten Mesopause. Nirgendwo sonst auf unserem
Planeten lassen sich in natürlicher Umgebung so tiefe Temperaturen
messen. Dort werden in aller Regel zwischen Mitte Mai und Mitte
August Werte von unter -140 °C erreicht. Diese kalten Temperaturen
werden benötigt, damit bei der in diesen Höhen sehr geringen
Wasserdampfkonzentration kleine Eiskristalle an Staubpartikeln
kristallisieren, wodurch die Leuchtenden Nachtwolken entstehen.
Der Ursprung dieser für die Entstehung notwendigen
Kristallisationskerne ist noch nicht vollständig geklärt und
Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen. Zuerst beobachtete
man die Nachtwolken in den entsprechenden mittleren bis nördlichen
Breiten zwei Jahre nach dem Ausbruch des Krakatau im Jahre 1885 und
interpretiere diese als Folgeerscheinung des Ausbruchs, der diese
Partikel bis in jene Höhen transportierte. Doch Leuchtenden
Nachtwolken ließen sich auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten
beobachtet. Deshalb geht man heute davon aus, dass der Staub von
Meteoren stammt, die in diesen Höhen verglühen. Erforscht werden
diese Wolken unter anderem am Leibniz-Institut für
Atmosphärenforschung (IAP) in Kühlungsborn. Mithilfe des
OSWIN-VHF-Radars (https://www.iap-kborn.de/forschung/abteilung-radarsondierungen/aktue
lle-radarmessungen/oswin-mesosphaere) ist man in der Lage, die
Rückstreuung an Partikeln und Wolken in der Region um die Mesopause
zu detektieren. Bei hohen gemessenen Reflektivitäten besteht nach
Sonnenuntergang dann eine erhöhte Chance auf Leuchtende Nachtwolken.
Das scheinbare Leuchten der Wolken entsteht durch gestreutes
Sonnenlicht. Wenn die Sonne etwa 6 bis 16 Grad unter dem Horizont
nach dem Sonnenuntergang oder vor dem Sonnenaufgang steht, erscheint
der Himmelshintergrund bereits dunkel. Doch werden die Wolken dann
aufgrund ihrer enormen Höhe von der schräg unter dem Horizont
stehenden Sonne angestrahlt und erscheinen als Leuchtende
Nachtwolken. Die Eispartikel streuen vor allem den grünen, blauen und
violetten Anteil des sichtbaren Lichtes, wobei der blaue Anteil
bevorzugt wird und den Nachtwolken so ihre blaue Charakteristik
verleiht. Derweil wurden die roten und orangenen Farbanteile bereits
beim Durchqueren der Stratosphäre mithilfe des Ozons absorbiert.
In den zurückliegenden Tagen und Wochen konnten vor allem im Norden
Deutschlands häufiger Leuchtende Nachtwolken gesichtet werden. Unsere
Kollegin Sandra Langkowski konnte beispielsweise von Warnemünde aus
solche am 16.06.2020 festhalten. Am Wochenende und auch in der neuen
Woche dürfte das Wetter jedoch nicht wirklich mitspielen.
Tiefausläufer mit vielen Wolken dürften die Chancen für Sichtungen
gegen null gehen lassen. Dennoch lohnt sich aber auch bis in den
Juli hinein am Nordhorizont nach diesen Erscheinungen Ausschau zu
halten.
MSc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.06.2020
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