Thema des Tages

Gewitterträchtiger "Octavia"

Im Bereich einer Tiefdruckrinne ausgehend von Tief "Octavia" über 
Osteuropa "knallt" es recht häufig an diesem Wochenende über 
Deutschland. Ein kurzer Einblick?

Bereits am vergangenen Freitag (12.06.2020) gab es einen Vorgeschmack
auf das aktuelle Gewitterwochenende. Nicht nur im Osten kam es zu 
einzelnen Schauern und Gewittern. Auch im äußersten Westen, etwa vom 
Saarland bis zum unteren Niederrhein, gab es einen Streifschuss. Dort
traten in den Gewittern stürmische Böen und Sturmböen auf. An der 
Station in Perl-Sinz-Renglischberg im Saarland wurden gegen 19 Uhr 77
km/h (Bft 9) gemessen. "Streifschuss" deshalb, weil auf 
luxemburgischer Seite durchaus höhere Böen aufgetreten sind. 

Am gestrigen Samstag, dem 13.06.2020, bildete sich dann eine 
Tiefdruckrinne quer über Deutschland. Ausgehend von Tief "Octavia" 
mit Kern über Osteuropa konnten vom Nordwesten bis in den Südosten 
tiefer Luftdruck und schwül-warme, sehr energiereiche Luft 
verzeichnet werden. Dabei strömten die Luftmassen aus 
unterschiedlichen Richtungen zusammen und mussten in der Folge nach 
oben hin ausweichen, also aufsteigen. Dadurch konnten sich kräftige 
Gewitter bilden. 

Allerdings war in den Wettermodellen bereits zu lesen, dass die 
Höhenwinde nur gering ausfallen würden. Entsprechend verlagerten sich
die Gewitter nur langsam. Dadurch war es möglich, dass sie längere 
Zeit an Ort und Stelle für sintflutartige Regenfälle und somit lokal 
eng begrenzt für Überschwemmungen, Schlammlawinen und vollgelaufene 
Keller sorgten. Des einen Leid, des anderen Freud: Hartgesottene 
Wassersportler nutzten überflutete Straßen einfach für eine Kanufahrt
um den Häuserblock.

Eine weitere Gefahr stellte der Hagel dar. Zwar fehlte es in der 
Atmosphäre meist an hochreichender Scherung, d.h. der Änderung der 
Windgeschwindigkeit und ?richtung mit der Höhe, die großen Hagel 
(mehrere Zentimeter im Durchmesser) begünstigt. Trotzdem konnte 
aufgrund der energiegeladenen Luft punktuell Hagel mit Korngrößen um 
3 cm auftreten. Wahrscheinlicher war es bei stehenden oder langsam 
ziehenden Gewitterzellen jedoch, dass größere Mengen an kleinkörnigem
Hagel (circa 0,5 bis 1,5 cm im Durchmesser) ausfallen, die sich am 
Boden dann vereinzelt zentimeterhoch akkumulieren und unter Umständen
für größere Verkehrsbehinderungen sorgen konnten. Der kreative Kopf 
wusste dies zu nutzen und kühlte seine Erfrischungsgetränke in den 
nur langsam schmelzenden Hagelkörnern.

Aber nicht nur die kräftigen Niederschläge und der Hagel mussten 
beachtet werden. Die aus den dunklen Wolken herabstürzenden Wasser- 
und Hagelmassen konnten punktuell die Luft mit in die Tiefe reißen, 
sodass es lokal eng begrenzt zu kräftigen Gewitterböen mit 
Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h kam. 

Bereits am Samstagvormittag konnte die Luftmasse zeigen, "was in ihr 
steckte". Im Bereich des Flämings löste ein Schauer aus, der sich 
rasch zum Gewitter "mauserte". Im Vormittagsverlauf verlagerte sich 
das Gewitter dann unter stetiger Verstärkung langsam nordwestwärts 
und nahm im Verlauf unwetterartige Züge an. An der Station 
Ballerstedt (Sachsen-Anhalt) wurden zwischen 9 und 10 Uhr in weniger 
als 60 Minuten bereits 29 Liter pro Quadratmeter gemessen - Unwetter!
Es sollte ein spannender Gewittertag werden. 

Im weiteren Tagesverlauf nahmen die Gewitter dann so richtig Fahrt 
auf. So konnten an der Station in Seesen (Niedersachsen) gegen 13:40 
Uhr innerhalb von nur 10 Minuten 17 Liter pro Quadratmeter beobachtet
werden. In 20 Minuten kam die Station auf 33 Liter. Kein Vergleich zu
Bottmersdorf-Klein Germersleben in Sachsen-Anhalt: Kurz vor 20 Uhr 
fielen dort in 10 Minuten sagenhafte 22,7 Liter pro Quadratmeter in 
den Messtopf der dort installierten Wetterstation. In fünf Stunden 
summierte sich die Niederschlagssumme insgesamt auf 104 Liter pro 
Quadratmeter! Von Überflutungen betroffen waren auch Großstädte, wie 
Berlin, Lübeck oder Wismar. Wo sich sonst Starkregenschwerpunkte 
ergaben, sehen Sie in der Grafik zum Thema des Tages unter 
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/6/14.html

Von der Schweiz her machten sich am Samstagnachmittag ebenfalls 
Gewitter auf den Weg in Richtung Deutschland, die dann im Laufe des 
Abends und der ersten Nachthälfte vom Bodensee und dem Allgäu ins 
Voralpenland zogen. Mit im Gepäck: heftiger Starkregen, einzelne 
schwere Sturmböen und etwas Hagel. Innerhalb von 24 Stunden wurden 
bis heute früh (14.06.2020, 08 Uhr MESZ) knapp 600.000 Blitze in und 
um Deutschland registriert.

Auch am heutigen Sonntag (14.06.2020) liegt die Tiefdruckrinne 
weiterhin quer über uns und erstreckt sich etwa von Tschechien bis 
ins Emsland. Und genau in diesem Bereich erwarten wir erneut Schauer 
und teils kräftige Gewitter, die teilweise auch zu Starkregengebieten
zusammenwachsen. Damit sinkt zwar die Gefahr von schweren Sturmböen 
und Hagel, allerdings zeigen die Wettermodelle lokal weiterhin 
sintflutartige Regenfälle. Vor allem vom Vogtland und von Franken bis
nach Niedersachsen und dem Niederrhein muss erneut mit 
unwetterartigem Starkregen zwischen 25 und 40 Litern pro Quadratmeter
innerhalb einer Stunde gerechnet werden. Lokal eng begrenzt und mit 
geringer Wahrscheinlichkeit kann es auch zu extrem heftigem 
Starkregen über 40 Liter pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde bzw.
über 60 Liter pro Quadratmeter innerhalb mehrerer Stunden kommen. In 
der Nacht zum Montag soll die Gewitteraktivität allmählich 
nachlassen, kommt aber voraussichtlich nicht vollends zum Erliegen. 
Teils erfolgt auch ein Übergang in überwiegend ungewittrigen 
Starkregen. Da die genauen Schwerpunkte noch mit einigen 
Unsicherheiten behaftet sind, lohnt sich der Blick auf die stets 
aktuelle Warnlage unter www.dwd.de oder in der WarnWetter-App. 


MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 14.06.2020

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