Thema des Tages

Die Auswirkungen der Erdumlaufbahn auf Wetter und Klima

Unumstritten ist die Sonne der Motor unseres Wettergeschehens. 
Allerdings stellt diese "nur" die notwendige Energie zur Verfügung - 
für die typische jahreszeitliche und regionale Abwechslung im Wetter 
sorgen hingegen die einzelnen Erdbahnparameter. Doch welche davon 
sind nun die Wichtigsten?

Im heutigen Thema des Tages reisen wir ein wenig in die 
Vergangenheit, genauer gesagt an den Beginn des 17. Jahrhunderts. Der
ausgezeichnete Mathematiker Johannes Kepler (dt. 
Naturwissenschaftler, 1571-1630) wurde zu dieser Zeit vom begnadeten 
astronomischen Beobachter Tycho Brahe (dän. Adeliger, geb. 1546) an 
den kaiserlichen Hof nach Prag gebeten. Dies geschah natürlich nicht 
ganz ohne Hintergedanken, denn Brahe war seinen mathematischen 
Schwächen durchaus bewusst. Die beiden Wissenschaftler hätten sich 
nun wunderbar ergänzen können, allerdings war die Zusammenarbeit 
nicht ganz friktionsfrei - würden sie in der heutigen Zeit leben, 
hätte man den beiden wahrscheinlich "Teambuildingmaßnahmen" 
verordnet. Die gemeinsame Arbeit scheiterte aber schlussendlich nicht
an den Charakteren, sondern endete mit dem überraschenden Tod von 
Brahe im Jahre 1601. Fortan profitierte Kepler von den umfangreichen 
astronomischen Aufzeichnungen des ehemaligen Hofastronomen, die ihm 
von Brahe als persönliches Vermächtnis hinterlassen wurden. Seine 
daraus gezogenen mathematischen Schlüsse mündeten schließlich in den 
Keplerschen Gesetzen, die das heliozentrische Weltbild von Nikolaus 
Kopernikus (1473-1543) abrundeten.

Das erste Gesetz beschreibt beispielsweise, dass sich die Planeten 
auf elliptischen Bahnen bewegen und in einem ihrer Brennpunkte die 
Sonne steht. Zwangsläufig ergibt sich nun daraus, dass die Distanz 
zwischen der Erde und unserem Zentralgestirn im Jahreslauf variiert: 
am sonnennächsten Punkt hat die Erde etwa einen Abstand von 147,1 
Mio. km, zum entferntesten eine Distanz von ca. 152,1 Mio. km. Die 
Entfernung zwischen Erde und Sonne pendelt also während einer 
Umlaufzeit um 5 Mio. km. Nun stellen diese Distanzen zunächst nur 
einen abstrakten Wert dar, greifbarer werden diese erst, wenn man die
Abstände mit der Lichtgeschwindigkeit ins Verhältnis setzt. 

Machen wir dazu ein Gedankenexperiment: Wie lange würde es wohl 
brauchen, bis wir auf der Erde ein hypothetisches Erlöschen der Sonne
bemerken?
Da sich ein Lichtteilchen mit Lichtgeschwindigkeit (299 792 458 m/s) 
bewegt, kann man nun berechnen, dass zum sonnennächsten Zeitpunkt 
dieses etwa 490 Sekunden bis zur Erde braucht. Ist die Erde am 
sonnenfernsten Punkt, sind es bereits ca. 507 Sekunden. Über 8 
Minuten braucht also das Licht von der Sonne bis zur Erde. Doch 
welche Auswirkungen hat die sich verändernde Entfernung zur Sonne für
die Erde? Entgegen der weit verbreiteten Meinung passiert die Erde 
auf ihrer Bahn um die Sonne etwa um den 3. Januar ? also in unserem 
Winter auf der Nordhalbkugel ? den sonnennächsten Punkt. Entsprechend
sind wir damit um den 5. Juli am weitesten von der Sonne entfernt. In
der Astronomie werden dafür die Begriffe "Aphel" (sonnenfernster 
Punkt) und "Perihel" (sonnennächste Position) verwendet. Die 
Aufteilung von Winter/Sommer hat also mit der Entfernung zur Sonne 
nichts zu tun - eigentlich auch logisch, immerhin gibt es auf der 
Erde auch den komplementären "Südwinter" und "Südsommer".
Maßgeblich für die unterschiedlichen Einstrahlungswerte und den 
daraus resultierenden Jahreszeiten ist nämlich nicht die Distanz zu 
unserem wichtigsten Stern, sondern die Neigung der Erdachse relativ 
zur Erdbahnebene. Diese sogenannte "Schiefe der Ekliptik" beträgt 
aktuell etwa 23,43 Grad. Da Mitteleuropa nördlich des Wendekreises 
liegt, erreicht der Sonnenstand zu keiner Zeit im Jahr den Winkel von
90 Grad. Bei 50 Grad nördlicher Breite (entspricht etwa der 
Mainlinie) beträgt der maximale Einstrahlungswinkel etwa 63,4 Grad. 
Die Bestrahlungsstärke der Erdoberfläche hängt wiederum maßgeblich 
vom Einstrahlwinkel ab. Diese Gesetzmäßigkeit wurde mit dem 
Lambertschen Kosinusgesetz (nach Johann Heinrich Lambert, 
schweizerisch-elsässischer Mathematiker und Physiker, 1728-1777) 
mathematisch beschrieben. Demnach erreicht die Bestrahlungsstärke 
entlang des Mains immerhin noch knapp 90 % der Bestrahlungsstärke 
direkt am nördlichen Wendekreis (23,43 Grad). Kommt zum hohen 
Sonnenstand auch noch eine entsprechende subtropische oder gar 
tropische Luftmasse hinzu, wird es in Mitteleuropa sehr warm oder 
heiß.

Allerdings kann ich all jene beruhigen, die sich mit sommerlicher 
Hitze etwas schwertun: der Ursprung der aktuell und in den nächsten 
Tagen wetterwirksamen Luft ist nicht die Mittelmeerregion, sondern 
meistens der Norden des Kontinents. Außerdem bringt die feuchte Luft 
häufig Schauer, Gewitter oder Regen sowie starke Bewölkung mit sich, 
sodass die potentiell möglichen Einstrahlungswerte jedenfalls nicht 
erreicht werden können. Die Marke von 20 Grad wird in den nächsten 
Tagen nur regional überschritten, erst zur Mitte der kommenden Woche 
wird es wieder verbreitet warm - sommerliche Werte über 25 Grad sind 
aber noch etwas entfernt.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 05.06.2020

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