Thema des Tages


Wetter aktuell


Heikle Lawinenlage in den Hochlagen der Alpen


In den Hochlagen der Alpen fiel zu Wochenbeginn einiges an Neuschnee 
auf eine ungünstige Altschneedecke. Die Lawinengefahr stieg dadurch 
deutlich an. Wir blicken auf die meteorologischen Bedingungen zurück 
und nehmen den kritischen Schneedeckenaufbau unter die Lupe. 


Mehrere Lawinenabgänge in den Alpen haben in den vergangenen zwei 
Tagen die Rettungskräfte auf Trab gehalten. So riss am Dienstag im 
Kühtai, einem Wintersportgebiet in den Stubaier Alpen, ein 
Schneebrett ein mit fünf Bauarbeitern besetztes Baustellenfahrzeug 
etwa 30 Meter mit sich. Die Bauarbeiter konnten zum Glück das 
Fahrzeug selbstständig und nur leicht verletzt verlassen. In den 
französischen Alpen verunglückte am Dienstagnachmittag nahe Chamonix 
ein Skifahrer bei einem Lawinenabgang tödlich. Am gestrigen Mittwoch 
sind bei zwei Lawinenabgängen in den Savoyer Alpen weitere fünf 
Wintersportler ums Leben gekommen. Alle Unglücksopfer waren offenbar 
abseits der Pisten unterwegs. Auch in den österreichischen Alpen 
wurden zahlreiche Lawinenabgänge gemeldet, zum Glück bisher ohne 
tödlichen Ausgang.
Die steigende Zahl der registrierten Lawinenabgänge ist dabei auf 
eine Kombination verschiedener Faktoren zurückzuführen. Seit den 
Schneefällen von Anfang Januar kamen zunächst keine nennenswerten 
Niederschlagsmengen mehr in den Alpen hinzu. Zudem herrschte vielfach
sonniges Wetter mit klaren Nächten vor. Dies führte dazu, dass sich 
die zumeist nur geringmächtige und für die Jahreszeit 
unterdurchschnittliche Schneedecke in der niederschlagsarmen Phase 
vor allem schattseitig markant aufbauend umgewandelt hat 
(tiefergehende Informationen zur Schneemetamorphose finden Sie u.a. 
im Thema des Tages vom 21.01.2020. Das heißt, die Schneedecke wurde 
lockerer und bindungsarm. Der zunächst gebundene Schnee an der 
Oberfläche (das sogenannte Schneebrett) verlor an Spannung, wodurch 
die Gefahrenstellen für Lawinenabgänge in dieser Periode insgesamt 
seltener wurden.

Am vergangenen Wochenende brachte dann eine Phase mit reger 
Tiefdruckaktivität auf dem Ostatlantik und in Westeuropa die 
Wetterumstellung. Mit dem Sturmtief IVO, das sich am Montag über den 
Britischen Inseln einfand, drehte die Höhenströmung auf südliche 
Richtung und führte feuchte Luftmassen heran. Von Sonntag bis 
Dienstag fiel auf den Bergen immer wieder Schnee, vor allem von 
Montagnachmittag bis Dienstagnachmittag schneite es teils ergiebig. 
Dabei summierten sich in Lagen oberhalb etwa 1800 bis 2200 m teils 30
bis 50 cm, in einigen Hochgebirgsregionen um den Alpenhauptkamm um 70
cm oder etwas mehr Neuschnee. In etwas tieferen Lagen hatte sich eine
rund 10 bis 30 cm dicke Neuschneedecke ausgebildet.

Mit diesen Schneefällen stieg die Lawinengefahr in den 
neuschneereichen Gebieten deutlich an. In Kombination mit starkem bis
stürmischem Wind aus südwestlichen Richtungen wurde viel Schnee 
verfrachtet. Dieser lagerte sich als mächtige Triebschneeansammlungen
besonders im nordexponierten Gelände auf der oben beschriebenen 
ungünstigen, bindungsarmen Altschneeoberfläche ab. Innerhalb der vom 
Wind geformten Triebschneepakete weisen die Schneekristalle eine hohe
Bindung auf und bilden somit gefährliche Schneebretter aus. Allein 
die Zusatzbelastung durch einzelne oder mehrere Wintersportler ? wie 
die obigen Unglücke zeigten - können eine großflächige 
Bruchfortpflanzung in der kantigen, überdeckten Altschneeoberfläche 
bedingen und somit sehr leicht mittelgroße Schneebrettlawinen 
auslösen. Mit dem Ende der Niederschlagsperiode ließ auch der Wind 
deutlich nach bei zudem weiter sinkenden Temperaturen. Auf der 
windgepressten Triebschneedecke liegt also durchaus noch etwas 
Pulverschnee, wodurch für den Wintersportler unmittelbare und 
sichtbare Lawinengefahren wie Gleitrisse, Setzungsgeräusche oder 
frische Lawinen teils schwerer erkennbar sind. Umso wichtiger ist es 
auch in den kommenden Tagen mit schwacher Schneedeckenstabilität 
äußerst defensiv und zurückhaltend unterwegs zu sein oder besser 
noch, diese Gebiete konsequent zu meiden. Nachdem am gestrigen 
Mittwoch vor allem entlang des Hauptkamms noch vor einer großen 
Lawinengefahr (Stufe 4 von 5) gewarnt wurde, ist die Gefahrenlage 
etwas zurückgenommen wurden. Dennoch stufen aktuell die 
Lawinenwarndienste Bayerns und Tirols die Lawinengefahr in den 
Nordalpen oberhalb von etwa 2000 m als erheblich (Stufe 3), darunter 
als mäßig (Stufe 2) ein (für Details siehe Links zu den 
Lawinenwarndiensten). Am morgigen Freitag kommt mit einer Störung 
nochmal etwas Neuschnee in den Nordalpen hinzu. Die Neuschneeauflage 
dürfte meist nicht über 1 bis 5 cm hinaus gehen (siehe Abbildung 1). 
Lediglich in wenigen prädestinierten Nordstaulagen könnten vereinzelt
die 5 cm überschritten werden.

Anschließend setzt sich zum Wochenende ruhiges Hochdruckwetter durch,
wobei in den Hochlagen häufiger die Sonne zum Zuge kommt. Der 
Neuschnee und die Wetterbesserung dürfte daher viele 
Wintersportbegeisterte auf die Berge treiben. Die Lawinengefahr wird 
in den Folgetagen zwar etwas abnehmen, aber in den Hochlagen wohl 
weiter erheblich bleiben. Die Kombination von schönem Wetter und 
heikler Lawinensituation bildet dabei oft den Nährboden für viele 
tödlichen Unglücke. Statistisch gesehen passieren zwei Drittel aller 
Lawinenunglücke bei Gefahrenstufe 3. Die Schneedecke bleibt weiter 
störanfällig. Wie eine Mausefalle wartet sie darauf ausgelöst zu 
werden, sodass mit sehr großer Umsicht eine Tourenplanung im freien 
Gelände abseits der gesicherten Skipisten vorgenommen werden sollte. 


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau 

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 30.01.2025

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