Thema des Tages


Wissenschaft kompakt

Wetterextreme im (Klima-)Wandel - Attributionsforschung (Teil 3)


Heute zeigen wir anhand von drei Beispielen aus der jüngeren 
Vergangenheit, wie man mithilfe der "Attributionsforschung" 
analysieren kann, inwieweit sich Wetterextreme durch den Klimawandel 
verändert haben.


"Ist das schon der Klimawandel?" oder "Ist das eine Folge der 
Erderwärmung?" Diese Fragen haben Sie sich wahrscheinlich auch schon 
gestellt, sei es bei Wetterkatastrophen in Deutschland und der ganzen
Welt oder vielleicht sogar bei Unwettern vor Ihrer Haustür. Aber gibt
es einen Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und der 
Häufigkeit und Intensität von meteorologischen und klimatologischen 
Extremen?


Mit dieser Frage beschäftigt sich die sogenannte 
"Attributionsforschung", deren Vorgehensweise wir im Thema des Tages 
vom 27.Oktober 2024 erläutert haben. Kurz zusammengefasst lässt sich 
mit Attributionsstudien abschätzen, inwieweit der Klimawandel für das
Auftreten individueller Wetterextreme verantwortlich ist, indem man 
die Ergebnisse zweier Klimamodell-Simulationen vergleicht. Während 
bei der einen nur natürliche Klimaantriebe eingehen, werden bei der 
anderen zusätzlich vom Menschen verursachte Einflüsse berücksichtigt.


Heute stellen wir die wesentlichen Ergebnisse von 
Attributionsstudien* zu Wetterextremen der jüngeren Vergangenheit 
vor.

Hitzewelle in Deutschland und Frankreich (Juli 2019)

Ende Juli 2019 wurden während einer extremen Hitzewelle in 
Deutschland an drei aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen über 40 
Grad gemessen, am 25. Juli gegipfelt mit einem neuen 
Deutschlandrekord von 41,2°C (Tönisvorst und Duisburg-Baerl). Noch 
heißer war es in Frankreich mit 42,6°C in Paris-Montsouris 
(vorheriger Rekord 40,4°C).



In der dazu durchgeführten Attributionsstudie wurde ein dreitägiger 
Tagesmittelwert betrachtet, da in diesen auch die nächtliche 
Abkühlung als wesentlicher Faktor für die gesundheitliche Belastung 
eingeht. Man fand heraus, dass unter heutigen Klimabedingungen im 
Zentrum der Hitzewelle (Frankreich) nur alle 50 bis 150 Jahre und in 
den Randlagen (z.B. Deutschland) alle 10 bis 30 Jahre mit einer 
vergleichbaren Hitze zu rechnen ist. Ohne Klimawandel wären die 
erreichten Temperaturen ganze 1,5 bis 3 Grad niedriger ausgefallen! 
Zudem beschreibt die Studie, dass sich die 
Eintrittswahrscheinlichkeit für eine derartige Hitzewelle durch den 
Klimawandel etwa um den Faktor 10 erhöhte. Eine Hitzewelle, die in 
der vorindustriellen Zeit statistisch gesehen nur alle 100 Jahre 
vorkam (d.h. etwa einmal in einem Menschenleben), erleben wir 
heutzutage alle zehn Jahre und in einigen Jahrzehnten wohl alle drei 
Jahre. Mit fortschreitender Erderwärmung werden solche Hitzeperioden 
also höchstwahrscheinlich zur Normalität werden. Zunehmende 
gesundheitliche Risken und mehr Hitzetote werden die Folge sein. 
Ähnliche Ergebnisse ergaben übrigens auch Studien zu anderen 
europäischen Hitzewellen (z.B. Rekordhitze im August 2003 in West- 
und Mitteleuropa, Hitzewelle im Juli 2022 über Westeuropa und 
Großbritannien).



Flutkatastrophe an Ahr, Erft und Maas (Juli 2021)

Als zweites widmen wir uns der Flutkatastrophe an den Flüssen Ahr, 
Erft und Maas aus dem Jahr 2021. Am 13. und 14. Juli kam es in 
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Teilen von BeNeLux regional 
zu extremen Niederschlägen. An einigen Messstationen wurden die 
bisherigen 24-stündigen Rekordwerte deutlich übertroffen, wobei ein 
Großteil des Regens sogar innerhalb von nur etwa 12 Stunden gefallen 
ist.

Man fand in einer Attributionsstudie heraus, dass unter den heutigen 
klimatischen Bedingungen in dieser und ähnlichen Regionen in West- 
und Mitteleuropa durchschnittlich nur alle 400 Jahre ein 
vergleichbares Regenereignis zu erwarten ist. Verglichen mit einem 
1,2 Grad kühleren globalen Klima hat sich die Intensität eines 
Starkregenereignisses dieser Größenordnung (bezogen auf die maximale 
24-stündige Regenmenge) in der Sommersaison bereits um 3 bis 19% 
erhöht. Bei einer vergleichbaren Wetterlage in der vorindustriellen 
Zeit wäre also weniger Regen gefallen. Auch die Wahrscheinlichkeit 
für ein solches Regenereignis hat sich um den Faktor 1,2 bis 9 
erhöht. Das heißt, dass im schlimmsten Fall bereits heutzutage ein 
derartiger Starkregen durch den Klimawandel 9 Mal wahrscheinlicher 
geworden wäre.


Die große Spanne zeigt zwar, dass Attributionsstudien noch mit 
größeren Unsicherheiten behaftet sind, der Trend hin zu häufigerem 
Auftreten extremer Regenfälle wird daraus dennoch ersichtlich. Ein im
Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 2 Grad wärmeres Klima (0,8 
Grad wärmer als 2021) würde laut der Studie zu einer weiteren 
Verstärkung der Niederschlagsintensität um 0,8 bis 6% führen. Die 
Eintrittswahrscheinlichkeit nimmt nochmals um einen Faktor von 1,2 
bis 1,4 zu. Erreicht die Erderwärmung in der Zukunft 2 Grad, werden 
demnach Starkregenfälle wie jene aus dem Jahr 2021 20% bis 40% 
wahrscheinlicher.



Extreme Niederschläge im östlichen Mitteleuropa (September 2024)

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Attributionsstudie zu den sehr 
heftigen Regenfällen vom vergangenen September in Österreich sowie in
Teilen von Tschechien, Polen und Deutschland. Bemerkenswert waren 
zahlreiche neue Niederschlagsrekorde im Zeitraum vom 12. bis 15. 
September, vor allem aber die riesige räumliche Ausdehnung dieses 
Niederschlagsereignis über mehrere Staaten hinweg.


Laut der Studie ist unter heutigen Klimabedingungen ein derartiges 
4-tägiges Regenereignis nur alle 100 bis 300 Jahre zu erwarten. 
Regional betrachtet hat sich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten
solch extremer Regenfälle im Vergleich zur vorindustriellen Zeit etwa
verdoppelt und die Niederschläge fallen etwa 10% stärker aus. Bei 
einem um 2 Grad wärmeren Klima wird ein weiterer Anstieg der 
Eintrittswahrscheinlichkeit von 50% sowie ein Anstieg der 
Regenintensität von 5% erwartet. Die Autoren weisen allerdings darauf
hin, dass die verwendeten Modelle konvektive Niederschläge nicht 
auflösen konnten. Studien vergangener Regenereignisse mithilfe von 
Modellen mit feinerer Auflösung (welche Konvektion explizit auflösen)
zeigten einen noch stärkeren Anstieg der Regenintensitäten verglichen
mit den hier verwendeten Modellen. Der genannte Anstieg der 
Regenraten im Vergleich zur vorindustriellen Zeit könnte also 
möglicherweise noch stärker ausfallen. Zudem werden die Ergebnisse 
unsicher, wenn man kleinere Gebiete mit lokalen Effekten betrachtet.



Zusammenfassung  

Und was heißt das für die Beantwortung unserer Ausgangsfragen? Nun - 
man kann von einem einzelnen Ereignis zwar nicht darauf schließen, 
dass "das der Klimawandel war". Allerdings zeigen die 
Attributionsstudien, dass sowohl die Intensität als auch die 
Häufigkeit solcher Starkregenfälle und Hitzewellen bereits heute 
zugenommen haben und weiter zunehmen werden. Es ist also in Zukunft 
öfter mit solchen und möglicherweise noch heftigeren Extremen zu 
rechnen.

* Für weitere Informationen zu Methoden und Ergebnissen dieser und 
weiterer Attributionsstudien wird auf die originalen Publikationen 
verwiesen (siehe Linksammlung).

Dr. rer. nat. Markus Übel 

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 31.10.2024

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