Thema des Tages

Wetter aktuell
Stürmische Zeiten

Die Woche begann bereits in Teilen Nordwesteuropas mit einem größeren
Sturmereignis (IRIS) und dem folgt morgen bereits das nächste
Sturmtief (JITKA) nach. Im heutigen Thema des Tages schauen wir uns
beide Ereignisse kurz an.

IRIS und JITKA, zwei Namen, die diese Woche für Schlagzeilen gesorgt
haben bzw. dies noch machen werden. Erneut wird der Nordatlantik
seinem Ruf gerecht, im Winter immer wieder die Brutstätte für
mächtige Sturmtiefs zu sein, die auf ihrem Weg nach Osten auch Teile
Europas beeinflussen. So auch aktuell! Betrachten wir zunächst kurz
nochmal die Grundpfeiler, auf denen solch mächtige Sturmtiefs
getragen werden.

Kurz zusammengefasst sorgen erhebliche Temperaturgegensätze von Süd
nach Nord über dem Nordatlantik für die Ausbildung eines kräftigen
Höhenjets. Ein Jet ist ein Bereich mit besonders kräftigen
Höhenwinden, die die Dynamik und rasante Entwicklung solcher
Sturmtiefs fördert. So auch in diesem Fall. Bei IRIS erstreckte sich
der umfangreiche und intensive Höhenjet über den gesamten
Nordatlantik, während dieser bei JITKA direkt nach Deutschland
gerichtet sein wird.

Zudem werden über dem Nordatlantik nahezu ungehindert tropische
Luftmassen vorderseitig der Tiefdruckgebiete bzw. Tröge nach Norden
geführt. Diese Luftmasse wird dabei gehoben und es bilden sich
Wolken.
Durch die Freisetzung latenter Wärme und in Verbindung mit kräftiger
Warmluftadvektion können sich ungewöhnlich intensive Hochdruckgebiete
ausbilden. Dieses Mal kommt solch ein Hochdruckgebiet über
Südwesteuropa zum Liegen und bringt z.B. den küstennahen Bereichen im
Osten Spaniens sommerliche Temperaturwerte. Forciert durch dieses
blockierende Bollwerk kommt es über dem Nordatlantik und Europa
momentan zu keinen nennenswerten Verlagerungen der Keile und Tröge,
sodass wiederholt auf ähnlicher Zugbahn kräftige Tiefdruckgebiete
nach Nordwesteuropa geführt werden können. Neben den tropischen
Luftmassen sorgt auch ein weiterhin viel zu warmer Nordatlantik in
den Tropen und Subtropen (teils 1 bis 2 Kelvin über der
klimatologischen Norm von 1991 bis 2020) für einen zusätzlichen Input
von Feuchte, die wiederum indirekt die Intensität der Antizyklone
stützt. Wem dies nun zu schnell und zu oberflächlich war, der möge
sich nochmals in Ruhe das Thema des Tages vom 16. Dezember 2023
durchlesen.
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/12/16.html

Im Folgenden betrachten wir nun die beiden Sturmtiefs. IRIS
(international ISHA) tobte bereits von Sonntag zu Montag über
Nordwesteuropa und sorgte beim britischen Wetterdienst Met Office für
eine seltene Ausgabe einer roten Wetterwarnung für Teile Schottlands.

IRIS entwickelte sich bereits am Freitag über dem Südosten der USA im
Umfeld eines ausgeprägten Temperaturgradienten mit arktischen
Luftmassen im Norden und tropischen im Süden. Das Bodentief zog in
der Folge unter rascher Intensivierung über den warmen Golfstrom nach
Nordosten und überquerte nachfolgend als kräftiges Sturmtief den
Nordatlantik (Kerndruck durchweg unter 970 hPa) und traf von Sonntag
auf Montag auf Irland, Großbritannien und Schottland.

Zwar sind diese Regionen im Herbst und Winter solch kräftige
Tiefdruckpassagen gewöhnt, doch machte diesen Sturm besonders sein
ausgesprochen umfangreiches Sturmfeld so erwähnenswert, überstrich es
doch im Grunde all die genannten Bereiche mit markanten Böen von Bft
9 bis Bft 10. Normalerweise fallen die Bereiche mit den kräftigsten
Winden kompakter aus. Von Irland bis Schottland wurden immer wieder
auch orkanartige Böen oder Orkanböen von Bft 11 bis 12 gemessen.
Bisher sind leider schon vier Todesopfer zu beklagen, zehntausende
Menschen waren zeitweise vom Stromnetz abgeschnitten und der
Flugverkehr wurde erheblich beeinträchtigt. Viel Zeit zum Durchatmen
bleibt nun aber nicht, denn schon rollt das nächste Sturmtief heran,
das den Namen JITKA (international JOCELYN) trägt.

Somit treten wir aus der Vergangenheit in die Zukunft.

Wie auch schon bei IRIS sind die Bedingungen über dem Nordatlantik
weiterhin sehr günstig für die Entwicklung kräftiger Sturmtiefs, die
vor allem gestützt durch einen kräftigen Höhenjet ihren langen Weg
über den Nordatlantik ohne größere Intensitätsverluste antreten
können. JITKA entwickelte sich am Sonntag vor Neufundland in
ähnlichen thermischen Gegensätzen wie IRIS, überquert aktuell den
Nordatlantik, um heute und in der kommenden Nacht zum Mittwoch erneut
Nordwesteuropa zu treffen.

JITKA geht ebenfalls mit einem umfangreichen Sturmfeld einher und
dürfte vor allem den Regionen von Irland bis Schottland erneut Böen
bis in den Unwetterbereich bringen. Im Vergleich zu IRIS zieht JITKA
zunächst sogar auf einer noch etwas nördlicheren Zugbahn. Der
Unterschied jedoch ist der, dass JITKA zum Mittwoch nicht
nordostwärts nach Skandinavien abdriftet, sondern über den Süden
Norwegens/Schwedens geführt wird und somit Deutschland recht
nahekommt. Gleichzeitig bildet er im Lee des Norwegischen Gebirges
ein zweites Bodentiefzentrum aus, sodass ein zonal (West-Ost) sehr
ausgedehntes Bodentief nördlich von Deutschland vorbeizieht und somit
auch uns ein umfangreiches Sturmfeld beschert. In Bild 4 ist zu
erkennen, dass die Windgeschwindigkeiten in 850 hPa (grob 1500 m über
Grund) von Schottland bis Tschechien verbreitet im Bereich von Bft 10
bis 12 liegen.

Sollte man sich über die Ausdehnung des Sturmfeldes wundern, dann
hilft einem die Übersicht in Bild 5 weiter (Fähnchen stellt die Lage
von Deutschland dar). Sowohl bei IRIS, als auch bei JITKA sorgt eine
ungewöhnlich intensive Antizyklone über Südwesteuropa dafür, dass der
Bodendruckgradient bzw. der Gradient im Geopotenzial über eine so
große Region und so lange Zeit aufrechterhalten wird. Um noch
deutlicher zu werden: Was sich momentan über Spanien aufbaut, ist
z.B. für das 500 hPa Geopotenzial und die 850 hPa Temperatur für den
jeweiligen numerischen Gitterpunkt, mit Blick auf die Reanalyse von
1950 bis 2022 für diesen Monat beispiellos und das sehr deutlich. Und
wieder umrunden ungewöhnlich warme und feuchte Luftmassen diese
Antizyklone. Von daher dauert dieses Ereignis besonders im Nordosten
Deutschlands auch längere Zeit an, nämlich so lange, wie JITKA die
Antizyklone auf ihrer Nordflanke umrundet.

Was erwarten wir nun ausgangs der Nacht zum Mittwoch und am Mittwoch
tagsüber in Deutschland?

Mit Passage der Warmfront von JITKA während der Nacht zum Mittwoch
nimmt der Wind im Warmsektor dramatisch an Geschwindigkeit zu mit
Werten in 850 hPa (rund 1,5 km über Grund) von 55 bis teils über 75
kt (100 bis über 140 km/h). Entsprechend der Lage im Warmsektor sind
daher zunächst bevorzugt die Berglagen von dem intensivsten Wind
betroffen, sodass dort im Verlauf der Nacht durchweg volle
Sturmstärke zu erwarten ist. Exponiert sind auch schwere Sturmböen
bis Orkanböen zu erwarten. Auf dem Brocken nähern wir uns mit 130 bis
140 km/h allmählich den „extremen Orkanböen“ an.
Nach Mitternacht nimmt bei einem Nord-Süd gerichteten
Luftdruckunterschied zwischen Sylt und Bodensee von rund 30 hPa auch
der Südwestwind über dem Nordwesten Deutschlands zu. Mit Annäherung
der eher schwach strukturierten Kaltfront ausgangs der Nacht wird die
Bevölkerung dort nicht nur von Böen der Stärke Bft 8 bis 9 geweckt,
sondern strichweise auch von schweren Sturmböen Bft 10.

Am Mittwoch tagsüber überstreicht dann den gesamten Norden und Osten
Deutschlands das markante Windfeld von JITKA in einer durchmischten
postfrontalen Luftmasse, also rückseitig der Kaltfront. Die
Durchmischung bedeutet, dass die Höhenwinde selbst bei einem Schauer
effektiv bis in tiefe Lagen herabgemischt werden können. Stürmische
Böen oder Sturmböen sind die direkte Folge, strichweise können auch
bei kräftigeren Schauern schwere Sturmböen auftreten. Für die
Deutsche Bucht und deren Umfeld drohen bis zum Mittag bei auflandiger
Windkomponente schwere Sturmböen oder gar orkanartige Böen, bevor
sich das Windmaximum zum Nachmittag zunehmend zur Ostsee verlagert.
Im Bergland treten weiterhin je nach Höhenlage schwere Sturmböen bis
Orkanböen auf. Etwas gemäßigter fällt das Sturmfeld im Südwesten aus
und da besonders entlang des Oberrheins.

Wie bereits erwähnt, dauert das Sturmereignis im Nordosten
Deutschlands bis weit in die Nacht zum Donnerstag an, während sonst
steigender Bodendruck im Westen ab den späten Nachmittagsstunden des
Mittwochs für eine deutliche Wetterberuhigung sorgt.

Zusammengefasst erwarten wir besonders im Norden und Osten sowie im
Bergland ein markantes Sturmereignis, das teils bis in tiefe Lagen
für schwere Sturmböen gut ist und in Richtung Vorpommern über 24
Stunden mit variabler Stärke andauern kann. Bleibt zu hoffen, dass
sich die Schäden u.a. auch in den Wäldern in Grenzen halten!

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.01.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der „Themen des Tages“
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon