#DWD #Thema des Tages 2023-12-25: Ein Rückblick auf die nordatlantische Hurrikansaison 2023
Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Ein Rückblick auf die nordatlantische Hurrikansaison 2023
Die Hurrikansaison 2023 gehört nun der Vergangenheit an. Im Folgenden
sollen einige Besonderheiten dieser Saison hervorgehoben werden.
Erneut schließt sich ein weiteres Kapitel der alljährlich anfallenden
Hurrikansaison und wir wagen einen kleinen Rückblick. Haben Sie etwas
von dieser Saison medial mitbekommen? Wohl eher nicht, denn bezüglich
medienträchtiger Landgänge war es in der Tat eine sehr zurückhaltende
Saison.
Doch beginnen wir der Reihe nach. Was wurde vorhergesagt und was trat
ein? Nehmen wir dazu die im August zuletzt aktualisierte Vorhersage
der „National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA“ und
stellen sie den real aufgetretenen Werten gegenüber:
NOAA (Vorhersage vom August) 1.6. bis 30.11. 2023
Akkumulierte Energie der Zyklone (ACE, Median) 105 – 200 % 145 – 148 % (berechnungsabhängig)
Benannte Systeme 14 -21 20
Hurrikane 6 – 11 7
Major Hurrikane 2 – 5 3
Tabelle: Gegenüberstellung der Vorhersage durch die NOAA vom August
2023 mit den vorläufigen Daten dieser Hurrikansaison. Nähere
Informationen zum ACE sind als Link zum Thema des Tages vom
23.09.2022 hinterlegt . Die tropischen Systeme werden benannt, sobald
der Sturm Windgeschwindigkeiten von entweder mehr als 62 km/h
(Tropensturm) oder 119 km/h (Hurrikan) erreicht. Ein „major“ Hurrikan
wird ausgerufen, sobald der Wirbelsturm Windgeschwindigkeiten von
mehr als 179 km/h im 1-minütigen Mittel aufweist.
Dem regelmäßigen Leser der Themen des Tages fällt nun vielleicht auf,
dass diese Zahlen denen vom letzten Jahr sehr ähnlich sind, was zwar
so auch sehr gut vorhergesagt wurde, jedoch auf jeden Fall
hervorgehoben werden sollte. Der Grund dieser Betonung liegt in der
zügigen Entwicklung einer positiven El Nino-Southern Oszillation,
ENSO, was weitläufig auch unter dem Namen „El Nino“ bekannt ist.
Solch eine Entwicklung sorgt grob zusammengefasst für mehr tropische
Stürme im Ostpazifik dank wärmeren Wassers und geringer Windscherung
sowie einer geringeren Anzahl im tropischen Nordatlantik durch
stärkere Windscherung bzw. Passatwindphasen und einer allgemein
höheren Stabilität der Troposphäre. Diese Beschreibung kann regional
je nach Art des El Nino Ereignisses auch leicht abweichen. Anders
ausgedrückt sorgt die Entwicklung eines El Nino stark vereinfacht
gesagt für einen verstärkten subtropischen Rücken über dem Ostpazifik
und einen Trog über dem Nordatlantik. Der Trog erhöht neben weiteren
Faktoren dort dann auch die Windscherung, also die Änderung der
Windgeschwindigkeit mit der Höhe. Dies wird im folgenden Bild der
Geopotenzialabweichung in 200 hPa zwischen Juni und Dezember
deutlich, die trotz der zeitlich sehr großen Zeitspanne/Glättung eine
entsprechende Signatur aufwies.
Doch wieso gingen die Vorhersager schon damals so aggressiv an die
saisonale Vorhersage heran? Die große Unbekannte war die fast im
gesamten tropischen Nordatlantik weiträumig und deutlich zu hohe
Meeresoberflächentemperatur, die neben der weiterhin positiven
„Atlantic Multi-Decadal Oscillation, (AMO)“ und dem raschen Wechsel
nach 3 La Nina Jahren zu einem sich zügig aufbauenden El Nino
sicherlich auch einen anthropogenen Abdruck enthielt. Das Resultat
ist im folgenden Bild zu erkennen:
Der gesamte Bereich für eine potenzielle Entwicklung tropischer
Stürme war überdurchschnittlich, teils auch signifikant zu warm. Die
Schwierigkeit bei der Erstellung der saisonalen Prognose bestand
darin, abzuschätzen, welcher Parameter letztendlich die Oberhand
behalten würde: der eher hemmende El Nino oder diese beachtliche
positive Abweichung der Meeresoberflächentemperatur?
Das Resultat ist mittlerweile bekannt: eine über dem Durchschnitt
liegende Saison, die bisher auf dem 4. Platz landet für die am
meisten benannten Stürme während einer Saison. Für ein El Nino
Ereignis wirklich beeindruckend und laut des NOAA Climate Prediction
Centers das namenstechnisch aktivste El Nino Jahr seit Beginn der
Beobachtungen.
Förderlich war sicherlich auch eine Verringerung der Windscherung in
weiten Bereichen des Nordatlantiks.
Vergleicht man hier die Minima der Windscherung mit der vorläufigen
Kartendarstellung der Zugbahnen, erkennt man schön eine Häufung der
Zugbahnen im Bereich zwischen 70 und 40 Grad West sowie 15 bis 35
Grad Nord, was sehr gut mit der scherungsarmen Zone überlappt (siehe
schwarzer Kasten). Umso beachtlicher die fehlende Aktivität bzw.
Intensität der Stürme in der Karibik und die überschaubaren Systeme
im Golf von Mexiko – wiederum ein Abdruck des El Nino.
Von daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Saison medial kaum
Aufmerksamkeit erhielt, da sich ein Großteil der Aktivität fernab der
Landmassen und Inseln über dem offenen Nordatlantik austobte. Mit dem
Hurrikan IDALIA wurde in der Saison 2023 nur ein Landgang eines
Hurrikan festgestellt (Kat. 3), während zwei weitere Systeme nur in
abgeschwächter Form an Land gingen.
Was war sonst noch erwähnenswert an dieser Saison?
Sie begann sehr früh mit einem subtropischen System (also einem, das
sowohl tropische als auch außertropische Eigenschaften aufwies).
Dieses System war vom 16. zum 17. Januar vor der Nordostküste der USA
aktiv und bahnte sich in der Folge seinen Weg nach Osten und später
nach Norden.
Es wird auch eine Saison sein, wo die statistische Vorhersagegüte der
Zugbahnvorhersage wenigstens bei einigen Systemen deutlich schlechter
ausfiel als sonst.
Mit ein Grund dafür waren teils sehr komplexe Zugbahnen, wie ein
Looping bei Hurrikan MARGOT, abrupte Richtungsänderungen bei Hurrikan
FRANKLIN oder ein Tropensturm PHILIPPE, der entgegen der Vorhersagen
statt nach Norden immer weiter nach Westen wanderte und letztendlich
den Kleinen Antillen heftige Niederschläge brachte.
Wenn schon der eigentlich gehemmte Nordatlantik so aktiv war, wie sah
es da im östlichen Pazifik aus, der während eines El Nino ja
zusätzlich begünstigt wird? Um diese Übersicht nicht zu überfrachten
soll an dieser Stelle nur darauf hingewiesen werden, dass auch hier
eine überdurchschnittliche Saison beobachtet wurde. Erwartungsgemäß
fielen hier die Stürme jedoch deutlich intensiver / explosiver aus
mit 10 Hurrikane, wobei 8 davon den Status eines „major“ Hurrikan
erhielten. Der Hurrikan OTIS intensivierte sich direkt vor Landgang
nahe der Metropole Acapulco, Mexiko um unglaubliche 175 km/h binnen
24h zu einem Kategorie 5 Sturm (die zweithöchste, jemals beobachtete
Intensivierungsrate in dieser Region) und wurde vorläufig zum
Rekordhalter eines Landgangs mit den höchsten Windgeschwindigkeiten
an der Ostpazifikküste. Zudem gab es eine noch inoffizielle
Böenmessung von 330 km/h bei Acapulco, die unter die top 10 Böen
weltweit fallen würde und das nur wenige Wochen nach einer 342 km/h
Böenmessung bei der Passage des Taifuns KOINU vor Taiwan. Tropensturm
HILARY brachte dem Süden Kaliforniens eine Niederschlagsabweichung im
August von teils mehr als 600% und so könnte man die Liste noch lange
fortführen.
Erwähnenswert ist noch zum Schluss die Bilanz der Hurrikanjäger, die
auch in diesem Jahr im Ostpazifik und Nordatlantik unterwegs waren:
93 Flüge, 990.5 Flugstunden und 928 Dropsonden (Sonden, die nach
unten fallen und dabei wertvolle Wetterdaten übermitteln). Die hier
genannten Daten entstammen einem Statement der 403rd Wing’s 53rd
Weather Reconnaissance Squadron.
Welches Fazit kann man nun aber aus dieser Saison im Nordatlantik
ziehen? Trotz eines sich aufbauenden El Ninos war die Saison äußerst
aktiv, die Hauptaktivität spielte sich jedoch zumeist über dem
offenen Nordatlantik ab und sorgte somit insgesamt für eine
überschaubare Schadensbilanz.
Was sind die ersten Prognosen für die kommende Saison 2024? Sollten
die aktuellen Abschätzungen der El Nino Abschwächung zum kommenden
Sommer zutreffen, dann könnte neben weiteren günstigen Parametern
eine äußerst aktive Saison 2024 bevorstehen.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.12.2023
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