Thema des Tages

Wetter aktuell
Unruhige Vorweihnachtszeit, oder gar mehr?

Heute werfen wir einen Blick auf die kommende vorweihnachtliche
Woche, denn diese könnte mit einigen, wettertechnisch ziemlich
ruppigen Tagen aufwarten.

Weihnachten rückt näher und in knapp einer Woche steht die
feierliche, besinnliche und ruhige Weihnachtszeit bevor. Doch leider
scheint sich die Wetterküche so gar nicht auf eine entspannte
(Vor-)Weihnachtszeit einstellen zu wollen, sondern serviert uns ein
womöglich sehr stürmisches Gericht. Für Einzelheiten ist es natürlich
noch zu früh, doch wollen wir heute mal hinter die Kulissen schauen,
wieso es in der Atmosphäre so gewaltig rumort.

Grundsätzlich benötigte Zutaten:

Kurz und knapp bedarf es eines zunehmenden Temperaturunterschieds
zwischen Nord und Süd. Je knackiger dieser Temperaturgradient
ausfällt, umso heftiger weht der Wind mit der Höhe (Stichwort:
thermischer Wind) und umso mehr Dynamik herrscht in der Troposphäre
(siehe Bild 1). Die Höhenwinde sorgen bei günstiger Platzierung zu
einem Bodentief, dass dieses von oben dank der deftigen Winde
regelrecht „ausgesaugt“ wird (Masse wird weggeführt, Druckfall setzt
ein), sodass sich das Bodentief rasant intensivieren kann. Dieser
Temperaturgegensatz baut sich in der kommenden Woche über dem
Nordatlantik auf, wo arktische Luftmassen von Kanada südwärts geführt
werden und dort auf (sub)tropische Luftmassen treffen, die polwärts
drängen.

Soweit so gut. Mit diesem Wissen kann man früh erahnen, wenn einem
die numerischen Wettermodelle eine zunehmend volatile Umgebung
präsentieren.

Doch es gibt auch Lagen, wo die innere Alarmglocke eines Meteorologen
zu läuten beginnt. Dazu muss man wissen, dass man in der
Wettervorhersage sehr gerne mit sogenannten „Anomalievorhersagen“
arbeitet. Diese Werte heben Ereignisse hervor, deren Entwicklung im
Vergleich zur hinterlegten Klimatologie stark abweichen und damit
sehr ungewöhnlich ausfallen können. Nächste Woche ist so eine Lage,
wo z.B. das 500 hPa Geopotenzial westlich der Azoren für diesen
Zeitraum Rekordwerte erreichen soll. Solche Werte, in Verbindung mit
einer sich aufbauenden dynamischen Wetterlage sind immer ein
Achtungszeichen, können sie doch (aber müssen nicht) für
außergewöhnliche Entwicklungen gut sein. Das nächste Woche so
nebenbei auch weitere Anomaliewerte „aufblinken“, wie der
„Feuchtefluss“, „Windböen“ oder die „850 hPa Temperatur“ machen die
Sache umso spannender. Doch was sorgt für diese massive positive
Geopotenzialanomalie (Antizyklone) westlich der Azoren?

Antizyklone sind Bereiche, wo Luftmassen absinken und für ruhiges
Wetter sorgen. Nicht selten verlaufen solche Bodenhochentwicklungen
recht progressiv rückseitig einer Kaltfront, wo also kalte Luftmassen
südwärts geführt werden. Abseits von winterlichen Landmassen (wo sich
strahlungsbedingt daraus eine beständige Hochdrucklage entwickeln
kann) sind diese Druckgebilde häufig recht mobil. Stabiler und somit
ggf. auch langlebiger werden solche Gebilde, wenn auch noch in der
Höhe milde Luftmassen herangeführt werden. Man spricht in dem Fall
von warmen und hochreichenden Antizyklonen.

Doch es geht noch weiter. Wenn diese höhenmilde Luftmasse zusätzlich
auch noch sehr feucht ist, dann erfolgt noch eine zusätzliche
Erwärmung, die sogenannte „diabatische“, wo also zusätzliche Wärme
freigesetzt wird. Feuchte und warme Luftmassen steigen auf,
kondensieren, es kommt zur Wolkenbildung und dadurch wird latente
Wärme freigesetzt. Dabei wird die Luftmasse vorderseitig eines Troges
großräumig angehoben und polwärts geführt (Stichwort: warmes
Förderband, engl. warm conveyor belt). Dies gilt besonders für Tröge,
die sehr weit nach Süden bis in die Subtropen reichen und daher auch
mit sehr warmen und feuchten Luftmassen „arbeiten“ können. Genau
diese Konstellationen sind u.a. von großem Interesse, denn dadurch
können sich Antizyklone zu ungeahnten Intensitäten aufplustern.

Aktuelle Entwicklung:

So auch im aktuell bevorstehenden Fall. Im Bild 2 erkennt man, wie
zahlreiche Tiefdruckgebiete tief in den Subtropen (teils auch Tropen)
eine nahezu unmodifizierte tropische Luftmasse nach Norden führen,
die am Westrand der Antizyklone in die Außertropen eingebunden wird
(grüne Pfeile).

In Bild 3 (linkes Bild) wird dies nochmal schön zusammengefasst.
Grüne Werte zeigen sehr feuchte Luftmassen (niederschlagbares Wasser
über 20 mm), während die rote Einfärbung den Bereich hervorhebt, wo
die Anomaliewerte des Geopotenzials in 500 hPa für diesen Zeitraum
ungewöhnlich hohe, wenn nicht sogar Rekordwerte erreichen.
Entsprechend groß fallen dadurch die Druckgegensätze von Süd nach
Nord aus mit entsprechend viel Wind und Dynamik. Diese Antizyklone
verlagert sich dann in der kommenden Woche zunehmend nach Osten. Wie
in Bild 3 (rechts oben und unten) hervorgehoben, wird die tropische
Luftmasse von einem großflächig zu warmen (sub)tropischen
Nordatlantik beeinflusst, was noch zusätzlich „Musik“ bzw. Energie in
die Wetterlage bringt.

Was kommt auf uns zu?

Nun stellt sich natürlich die Frage, wo das Sturmpotenzial erhöht ist
und ob uns eine ruppige Vorweihnachtszeit bevorsteht. Grundsätzlich
muss man sagen, dass eine von mehreren möglichen Ausgangslagen NICHT
gegeben ist, die Mitteleuropa immer wieder mal mit deftigen
Sturmtiefs versorgt.

Ein Blick auf drei bemerkenswerte Sturmereignisse in der
Vergangenheit zeigen alle Tiefdruckgebiete mit direktem Zugang zur
warmen und feuchten Luftmasse, die im Warmsektor eingebunden dank
latenter Wärmefreisetzung für besonders explosive
Tiefdruckentwicklungen gut sind, sogenannte „diabatische
Rossbywellen“. Diese Systeme werden ebenfalls durch einen
überbordenden Eintrag feucht/warmer Luftmassen mit angebundener
latenter Wärmefreisetzung angefacht und neigen zu rasanten
Intensivierungsphasen. Dabei waren bei diesen Lagen die Antizyklonen
vergleichsweise schwach ausgeprägt und konnten somit die Zufuhr
dieser energiereichen Luftmasse nicht unterbinden.

Im aktuellen Fall (Bild 4, rechts unten) sorgt das 1045 bis 1050 hPa
Azorenhoch, dass sich diese klassische Ausgangslage nicht einstellen
kann.

Doch auch Konstellationen wie in der kommenden Woche waren in der
Vergangenheit schon für deftige Sturmlagen gut. Man vergleiche nur
mal die Lage Ende Februar/Anfang März 1990, wo eine Reihe schwerer
Sturmtiefs mit den Namen VIVIAN und WIEBKE Deutschland beeinflussten.
Die Ähnlichkeiten sind beeindruckend.

Doch auch hier gilt: Nicht 1:1 das Potenzial von damals auf das der
kommenden Woche projizieren. Diese, unter dem Namen „pattern
recognition“ bekannte Herangehensweise, führt einem nur EINE mögliche
Option vors Auge, doch stellt sich nun eher die Frage, welche
Tiefdruckgebiete bzw. Wellen wann und wo in den „Nordatlantikexpress“
eingebunden werden. Jede kleinste Verschiebung sorgt in dieser
hochdynamischen Ausgangslage für sehr unterschiedliche Resultate mit
einem windigen bis stürmischen, milden oder kühlen Verlauf. Aber die
Signale innerhalb der Numerik mehren sich, dass unter Umstände eine
deftige Sturmlage auch Deutschland betreffen könnte – recht sicher
aber vor allem Dänemark, Norddeutschland und Südschweden. Diese
Bereiche werden durch die Ensemblevorhersage z.B. des europäischen
Wettermodells für das Erreichen bzw. Überschreiten orkanartiger Böen
(Bft 11) bereits mit mehr als 50 Prozent hervorgehoben (Vorhersage
für Freitag, den 22.12.2023 mit Windgeschwindigkeiten in 1 km über
Grund).

Kurzum, in welche Richtung sich alles letztendlich entwickelt werden
Sie die kommenden Tage über natürlich in den jeweiligen Übersichten
der „Kurzfrist“ und der „Mittelfrist“ lesen können.

Aber bitte, behalten Sie die nächsten Tage auf jeden Fall die
Wetterentwicklung für die kommende Woche im Blick, denn wie gezeigt
wurde: Die Atmosphäre ist so gar nicht in vorweihnachtlich ruhiger
Stimmung!

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.12.2023

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