Thema des Tages

Wissenschaft kompakt
Ein wilder Ritt durch die Atmosphäre

Sie gehören zum unverzichtbaren, täglichen Brot der
Vorhersagemeteorologen: Radiosonden und die bei ihrem Flug durch die
Atmosphäre gesammelten Daten. Doch wer aufsteigt, muss irgendwann
auch wieder runter. Und dann?

Falls Sie sich fragen „Radiosonde? Welche Sender kann man denn mit
dem Ding empfangen?“, sind Sie in diesem Absatz goldrichtig
aufgehoben! Denn bei einer Radiosonde handelt es sich nicht etwa um
ein Wiedergabegerät von Musik, Nachrichten und Verkehrsmeldungen,
sondern schlicht um ein Gerät, das mit einem Sender und mehreren
Messfühlern ausgestattetet ist. Angebunden an einen mit zumeist
Heliumgas gefüllten Gummiballon, steigt die Radiosonde mit rund 300
Metern pro Minute in die Luft auf und misst dabei stetig Luftdruck,
-feuchte und -temperatur sowie indirekt durch die Windverlagerung
auch Geschwindigkeit und Richtung des Windes.

Diese Daten werden über den Sender direkt an die Empfangsstation am
Boden übermittelt. Kurz darauf stehen sie schließlich uns
Meteorologen grafisch aufbereitet zur Verfügung. Sie geben uns
wichtige Hinweise, ob beispielsweise in den nächsten Stunden Gewitter
entstehen können und mit welchen Begleiterscheinungen dabei zu
rechnen wäre oder ob der bald aufziehende Niederschlag als Schnee,
Regen oder gar gefrierender Regen fällt. Außerdem liefern die
gemessenen Daten neben vielen weiteren Beobachtungsdaten die Basis
für die Prognosen unserer Wettermodelle.

Radiosonden sind damit eine unverzichtbare Ergänzung zum
Bodenstationsmessnetz, denn Wetter ist nicht zwei-, sondern
dreidimensional! Gerade in höheren Luftschichten liegen die
eigentlichen Antriebe für unser Wettergeschehen. Die dort
stattfindenden Prozesse lassen beispielsweise Hoch- und
Tiefdruckgebiete am Boden entstehen oder sorgen manchmal für
Schauerwetter, obwohl das heimische Barometer „schön“ anzeigt
(Stichwort „Höhentief“). Derzeit führt der DWD in Zusammenarbeit mit
der Bundeswehr an rund zwei Dutzend Standorten in Deutschland
mindestens zwei Mal am Tag (jeweils um 0 und 12 UTC)
Radiosondenaufstiege durch.

Noch einmal zurück zum Aufstieg einer Radiosonde. Vielleicht fragen
Sie sich, was denn eigentlich mit dem Gerät noch so passiert? Steigt
es immer höher und gesellt sich schließlich zum Weltraumschrott? Oder
lässt es sich ferngesteuert wieder zurückbringen? Die Antwort ist
relativ simpel: Die Physik sorgt für die Rückkehr der Radiosonde. Der
Ballon, an dem die Sonde hängt, dehnt sich beim Aufstieg durch den
abnehmenden Druck der Umgebungsluft immer mehr aus. Irgendwann stößt
das Material des Ballons dann aber an seine Belastungsgrenze. Die
Folge: Er platzt! Das ist oftmals in einer Höhe von etwa 20 bis 30 km
über dem Erdboden der Fall. Es kann allerdings auch noch deutlich
höher gehen wie z.B. am 22.06.2005 bei einem Aufstieg des
Observatoriums in Lindenberg: Erst bei stolzen 40 km gab sich der
Ballon geschlagen – Rekord beim DWD.

Damit die Radiosonde nun nicht wie ein Meteorit auf die Erde zurast,
ist sie mit einem kleinen Fallschirm ausgestattet, mit dessen Hilfe
sie auf sanfte Weise wieder festen Boden unter ihre Messfühler
bekommt. Dabei sendet sie weiterhin fleißig Messdaten an die
Bodenstation. Wo die Sonde dann letztlich landet, hängt natürlich
stark vom Wind ab und kann durchaus in der tiefsten Pampa zig
Kilometer vom Startort entfernt sein. Tja, und wenn Sie möchten,
können Sie nun ins Spiel kommen.

Die Radiosonde sendet nämlich nicht nur meteorologische Messdaten,
sondern auch ihren Standort per GPS. Damit lässt sich die Flugbahn
der Sonde darstellen, die Sie sich unter https://t1p.de/9s4gs für die
verschiedenen Radiosondenstandorte des DWD und der Bundeswehr in
Deutschland zu Gemüte führen können. Wie bei einer Schnitzeljagd
können Sie sich nun auf den Weg machen, um in der Nähe des letzten
GPS-Signals nach der Sonde zu suchen. Während „normale“ Radiosonden
getrost in die Wertstoffentsorgung gegeben werden können (Batterien
bitte gesondert entsorgen!), winkt beim Auffinden einer Ozonsonde,
wie sie vom Observatorium Lindenberg und Hohenpeißenberg verwendet
wird, sogar ein Finderlohn von 30 Euro.

Aber Vorsicht! Vereinzelt werden die Ballons noch mit Wasserstoff
gefüllt. Unter Umständen kann der Ballon nach der Ladung teilweise
noch mit dem leicht entzündbaren Gas gefüllt sein. Vermeiden Sie also
unbedingt offenes Feuer hinsichtlich der dann bestehenden
Explosionsgefahr. Nicht, dass sich die Sonde auf ihre zweite Reise
durch die Atmosphäre begibt …

(Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im
Internet unter www.dwd.de/tagesthema.)

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.11.2023

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